Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Funerary Monuments

Outline map of Hessen
  • Vorschaubild

Johann Conrad Neuber(?) 1715, Reichenbach

Reichenbach · Gem. Hessisch Lichtenau · Werra-Meißner-Kreis | Historical Gazetteer
Place of Location | Characteristics | Description | Inscription | References | Citation
Place of Location

Place of Location:

Reichenbach

Premises:

Hessisch Lichtenau-Reichenbach, Klosterkirche

Characteristics

Dating:

1715

Type:

Grabplatte

Conservation:

erhalten

Dimensions:

70 x 180 cm (B x H)

Größe der Buchstaben:

(A) 5, (B) 4,5 cm

Description

Description:

Grabplatte des Johann Conrad Neuber(?). Ursprünglich hochrechteckige Platte; der Stein wurde der Länge nach halbiert und dazu verwendet, zwei Treppenstufen herzustellen, über die man vom Eingangsraum unten im Turm in den Kirchensaal gelangt. Am Rand der ursprünglichen Platte läuft die Inschrift A um; oben und an der linken Langseite ist Text verloren gegangen. Im Innenfeld in einem hochovalen Lorbeerkranz ein Schriftfeld mit Inschrift B, jede zweite Zeile eingerückt. Die rechte Hälfte des Textes B wurde durch Maurerarbeiten bzw. Abtreten stark beeinträchtigt. Inschriften eingehauen. Hier wurde der Text abweichend vom üblichen Verfahren in Zeilen abgesetzt; seine rechte Hälfte ist stark verstümmelt und wurde vielfach nicht nur nach Resten, sondern auch anhand von Formulargewohnheiten und Sachinformationen ergänzt. Der Doppelschrägstrich zeigt die Schnittkante an, die mehrfach durch Buchstaben geht; heute liegen die Steinhälften nicht im Verlauf des Textes, sondern die rechte Hälfte links.

Sex, Age, Family Status:

männliche Person(en)

Dargestellte Personen:

Der Text B ist im Ganzen verständlich, aber nicht im Einzelnen rekonstruierbar. Lesbar sind der Vorname [C]ONRAD und der Ausdruck REV[ERENDO]. Da dieser nur Geistlichen beigegeben wird, muss der Verstorbene ein Pfarrersohn gewesen sein; dazu passt Latein als Sprache der Grabinschrift. Die neunte Zeile deutet auf den Nachnamen Neuber. Es handelt sich also höchstwahrscheinlich um ein Kind des Pfarradjunkts Theodor Philipp Neuber, der mit Pfarrer Konrad Ludolphs Tochter Martha verheiratet war.1) 1715 starb ihm der Sohn Johann Konrad.2) Neuber hat nach seiner Grabinschrift vier Kinder verloren. Dazu gehört neben Johann Konrad die Tochter Eva Barbara Elisabeth, deren Grabstein ebenfalls erhalten ist.3)


  1. s. Kat.-Nr. 290.
  2. s. KB Reichenbach 1715 (ID 280). Das lückenhafte Kirchenbuch gibt nur das Todesjahr an und weist sonst keine Neuber auf.
  3. s. Kat.-Nrr. 290, 289.

Miscellaneous:

Am Schluss fordert der sprechende Grabstein den Leser der Inschrift zu Mitgefühl auf, wie aus der Wendung lachrimas misce lachrimis hervorgeht.4)

Die Verbindung „Leben, Heil und Seligkeit“ ist im Kirchenlied belegt.5) „höchste Wonn und Fröhlichkeit“ erscheint in einem Osterlied aus dem 17. Jh.6) Die Junktur „Wonn und Fröhlichkeit“ geht wohl auf Paul Gerhard zurück.7) Mit dem vorausgehenden NECATUR UT VIVAT knüpft der Autor an verbreitete Vorstellungen vom (irdischen) Tod als Eintritt in das (ewige) Leben an, die vielfach mit Phil 1,21 ausgedrückt sind, hier stark fokussiert im Sinne einer Vogel Phönix-Emblematik („Vita mihi mors est“, „Mors introitus ad vitam“).8)

Vielleicht ist die Formulierung eine direkte Lesefrucht aus Deutsche Sekretariat=Kunst des Jahres 1705.9)


  1. Der holländische Dichter Jacob Cats (1577–1660) schreibt: „Disce tuas lachrimas lachrimis miscere sodalis“ (http://diglib.hab.de/drucke/2–1-eth/start.htm?image=00307 S. 256, 12. 01. 2016); s. auch Klotz, Christian Adolph: Opuscula poetica S. 76 (1761): http://www.uni-mannheim.de/mateo/camena/klotz1/jpg/s043.html (12. 01. 2016).
  2. Gottlob, der Sonntag kommt herbei, Strophe 2 (Joh. Olearius, 1671).
  3. „Bei uns ist lauter Freud und Lust. Kein Trauren ist uns mehr bewußt. Der Herr verkehrt all unser Leid in höchste Wonn und Fröhlichkeit.“ Verfasser ist Johann Peter Titze (1619–1698), zitiert ist nach Mützell 391 Nr. 346.
  4. s. Paul Gerhards Lied „Schaut, schaut, was ist für Wunder bar“, Strophe 18: „Gott in der Höhe sei nun Ehr, auf Erden Friede jeder Zeit, den Menschen Wonn und Fröhlichkeit!“.
  5. s. Emblemata Sp. 795 f.
  6. Band II, erschienen Frankfurt-Leipzig 1705, wo S. 1005 die vorliegende Formel unter „Gedenksprüche, Gleichnüsse und Grabmahle“ dem Vogel Phönix beigegeben ist.
Inscription

Umschrift:

A NECATVR · // [UT] VIVAT /

LEBEN HEIL UND SEH⌣LICHKEIT ·

IA HÖCHSTE [WONN]a) / V(ND) FRÖLIC[H]//KEIT /

[– – –]b)

B D(EO) // [O(PTIMO)] M(AXIMO) /

HIC IACE//NT EXUVIA⌣E /

FILIOLI [L//UC]E NO[V(EMBRIS)] /

Ic) IN CH[R(IST)//O HUMAT]I /

[C]ONRAD[I // QVI DENA/

TV]S A(NN)O // [1715 A PA/

TRE REV(ERENDO) // [THEO(DORO) PHIL(IPPO)] /

A MATR//[E MARTA] /

NEUBERIN / [AD USQ(UE)] /

SUSPIRI/[IS AC FLETU] /

IMBUTU//[S EST CUM] /

PAREN//[TUM SPE]S /

SOROR//U[M FIDE] /

LIS PR//[OPULSO]Rd) /

PRIMA⌣EV//[O] IN FLORE /

PERST/[AN]S OBIIT /

QUARE // [LA]C[H]RIMIS /

MISCE // [L]ACH⌣RIMAS /

ET IPSIU//[S] PATIEN/

TIAM IN // [D]OLOREe) US/

[QUE IMI//TAR]Ef)


  1. Wenig Raum, ggf. gekürzt oder nur WON.
  2. Auch die Längsseite war, wie einige unzusammenhängende Buchstabenreste verraten, größtenteils beschriftet.
  3. Nach FILIOLI ein nur leicht linksschräger Schaft, der nicht zu einem V gehören muss. Die Stelle informiert über den Todestag, möglicherweise den 1. November des weiter unten hinter A(NN)O genannten Todesjahres 1715. Falls man am Beginn der nächsten Zeile I für 1 lesen und zu NOVEMBRIS ziehen darf, könnte man weiterhin zu IN CHR//(IST)O HUMATI ergänzen; die Ergänzung des Partizips wird nicht durch Buchstabenreste gestützt.
  4. Größtenteils nur hypothetisch ergänzbar zu: IMBUTU//[S EST CUM] / PAREN//[TUM SPE]S / SOROR//[UM FIDE]/LIS PR//[OPULSO]R.
  5. Oder IN DOLORIBUS?
  6. Mögliche Ergänzung. Die Inschrift könnte hier enden. Denn die Aufforderung an den Leser ist als Abschluss gut geeignet.

Übersetzung:

(A) Er stirbt, um zu leben.

(B) Dem besten und größten Gott. Hier liegt die sterbliche Hülle des in Christo am (1.) Tag des November begrabenen Söhnleins Conrad. Er starb im Jahr 1715. Vom hochwürdigen Vater (Theodor Philipp) und der Mutter (Martha) Neuber wurde er immerfort mit Seufzern und Weinen überschüttet, als er, die Hoffnung der Eltern und der treue Beschützer der Schwestern, noch in erster Jugendblüte stehend, verstarb. Deshalb mische zu ihren Tränen auch deine Tränen und (nimm dir ein Beispiel an seiner) Geduld beim Ertragen von Schmerzen.

Kommentar:

Deutsche Reimverse (A).

Schrift:

Kapitalis

References

Editing:

Die Inschriften des Werra-Meißner-Kreises I : Altkreis Witzenhausen. Gesammelt und bearbeitet von Edgar Siedschlag unter Mitarbeit von Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 87). 2017, Nr. 288.

Citation
„Johann Conrad Neuber(?) 1715, Reichenbach“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/gdm/id/2410> (Stand: 20.3.2023)