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Hessian Biography

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Portrait

Charlotte Henriette Wilhelmine Emilie Gräfin von Reichenbach-Lessonitz
(1791–1843)

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Reichenbach-Lessonitz, Charlotte Henriette Wilhelmine Emilie Gräfin von [ID = 4439]

* 13.5.1791 Berlin, † 12.2.1843 Frankfurt am Main, evangelisch
Mätresse
Biographical Text

Das Verhältnis des hessischen Kurprinzen Wilhelm (II.) mit der Berliner Goldarbeiters-Tochter Emilie hatte während seiner Exiljahre in Berlin begonnen, wo im Februar 1813 ihre erste Tochter Luise geboren wurde. Dass er die Mätresse und ihre Tochter nach der Befreiung Kassels in die Residenz holte, war zusätzliche Belastung für die ohnedies schwierige Ehe des Kurprinzen, die mit der 1815 zunächst heimlich vereinbarten Trennung faktisch endete. Emilie lebte anfangs relativ zurückgezogen in einer Wohnung in der Wilhelmstraße, dann in einem vom Wilhelm geschenkten Landhaus an der Wilhelmshöher Allee und später in einem eigenen Haus am Friedrichsplatz. Im Februar 1821, am Tag nach dem Tod des alten Kurfürsten, zog sie mit ihren mittlerweile fünf Kindern ins Kurfürstliche Palais und wurde am 10. März zur „Gräfin von Reichenbach“ erhoben. Im durch die Auseinandersetzung mit dem „Schönfelder Kreis“ der nunmehrigen Kurfürstin und die Drohbrief-Affäre schwierigen Jahr 1823 kaufte Wilhelm II. ihr als Sicherung einen stattlichen Besitz in Mähren und ließ ihr und ihren Kinder vom Kaiser in Wien den gräflichen Zusatztitel „von Lessonitz“ verleihen. In der Kasseler Bevölkerung war die Reichenbach denkbar unbeliebt, zumal sie sich zunehmend in die Politik einmischte, offenkundige Günstlingswirtschaft betrieb und sich erhebliche Vermögenswerte übertragen ließ. Sie galt als das Symbol des reaktionären Regimes, so das im Unruhejahr 1830/31 in Kassel der Spottvers kursierte: Cholera verschone mich! / Hol’ doch den Fürsten Metternich! / Und willst Du was von Deiner Art, / so was Gräfin Emilie von Reichenbach besonders Feines, / so hol die Gräfin Reichenbach / und den Finanzrat Deines. Dass der Kurfürst sie nach dem feierlichen Versöhnungsakt bei der Verfassungs-Proklamation nach Kassel zurückzuholen suchte, führte zu seiner De facto-Abdankung. Nach zehn Jahren freiwilligen Exils, in denen man zunächst in Hanau und Wilhelmsbad, dann vorwiegend in Frankfurt gelebt hatte, war mit dem Tod der Kurfürstin im Februar 1841 der Weg frei für eine späte Hochzeit, die im Juli auf Schloss Bisenz bei Brünn mit Staatskanzler Fürst Metternich als Trauzeugen gefeiert wurde. Schon knapp zwei Jahre später verstarb die Gräfin an einer Leberentzündung und wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt, wo der Kurfürst ihr ein Mausoleum im byzantinischen Stil errichten ließ. Unter den insgesamt acht Kindern der Verbindung befanden sich drei Söhne; doch hat keiner von ihnen männliche Nachkommen hinterlassen, sodass die Familie nicht weitergeführt wurde.

Andrea Pühringer

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 152 f.)


Bibliography