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Historical Gazetteer

Lahn-Dill-Kreis

Die Bearbeitung der Siedlungen des Lahn-Dill-Kreises umfasst im Wesentlichen den bis zum 31. Dezember 1976 selbstständigen → Dillkreis sowie den → Kreis Wetzlar. Die am 1.1.1977 durchgeführten einschneidenden Veränderungen durch Umbildung des Lahn-Dill-Kreises und des Kreises Gießen nach Zusammenschluss der fünf Gemeinden Gießen, Wetzlar, Heuchelheim, Lahnau und Wettenberg zur Stadt Lahn hatten heftige Proteste und die baldige Auflösung dieser Gebilde am 1. August 1979 zur Folge. Der daraufhin neu gebildete Lahn-Dill-Kreis besteht heute aus 8 Städten und 15 Gemeinden. Das Bearbeitungsgebiet entspricht somit dem heutigen Lahn-Dill-Kreis, doch lässt sich über die Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altkreis) bzw. die obigen Direktlinks der Zustand des Jahres 1961 mit den sogenannten Altkreisen Dillkreis und Wetzlar rekonstruieren.

Lahn-Dill-Kreis: Karte mit Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen

Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL

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Naturräumlich wird das Kreisgebiet maßgeblich von den beiden namengebenden Flüssen Lahn und Dill in Ost-West- bzw. Nordwest-Südostrichtung strukturiert und zeichnet sich aus geographischer Sicht nach außen durch eine gewisse Abgeschlossenheit aus. Dies gilt für den Nordwesten, der durch den Höhenzug Kalteiche-Hainicher Höhe praktisch zum Siegerland abgeriegelt ist. Der Südosten ist durch den Eintritt der Lahn mit breiter Talaue gekennzeichnet. Die Bedingungen für die Landwirtschaft waren in diesem Raum weniger günstig, so dass sich als wichtigste Wirtschaftszweige der Abbau von Bodenvorkommen (Roteisenstein, Blei, Silber, Zink, Nickel und Kupfer sowie Tonerde und Dachschiefer) und die Waldwirtschaft entwickelten.

Geschichtlich betrachtet ist der heutige Lahn-Dill-Kreis ein recht uneinheitliches Gebilde, das erst sehr spät nach der Auflösung des Alten Reiches im Zuge der Vergrößerung des hessischen Territoriums allmählich entstanden ist. Der Raum wurde im Frühmittelalter zunächst als Missionierungsgebiet des Trierer Erzbistums erfasst, das sich über Koblenz und Dietkirchen bis nach Gießen erstreckte. Zahlreiche Schenkungen aus dem späten 8. Jahrhundert belegen eine enge Verbindung zum Reichskloster Lorsch. Prägenden herrschaftlichen Einfluss erlangte in der Frühzeit das Geschlecht der Konradiner, das zu einer bedeutenden Adelsfamilie aufstieg, der die Gründung der Stifte an der Lahn Limburg (910), Weilburg (912) und Wetzlar (897) gelang.

Nach dem Zerfall der karolingischen Herrschaftsstrukturen kam es im Hoch- und Spätmittelalter zur Ausbildung von Grafschaften, wobei sich die Grafen von Nassau, die Landgrafen von Hessen sowie im Gebiet des ehemaligen Kreises Wetzlar die Herren von Solms als einflussreichste Geschlechter herauskristallisieren und bis zum Ende des alten Reiches behaupten sollten. Ihre wechselvolle Geschichte prägte die Entwicklung des Raumes nachhaltig und kann nur in vereinfachter Form wiedergegeben werden. Der Nordwesten um die Residenzstädte Dillenburg und Herborn war um 1550 in den Herrschaftskomplex der Grafen von Nassau-Dillenburg integriert, im Südwesten schloss sich mit den Schwerpunkten Greifenstein und Braunfels das Einflussgebiet der Grafen von Solms-Braunfels an. Der Osten des späteren Kreisgebietes, namentlich der Hüttenberg und das Gemeinde Land an der Lahn sowie die Ganerbschaft Cleeberg, ist als Kondominatslandschaft gekennzeichnet worden, die aus der Amtsgrafschaft Gleiberg hervorgegangen war. Wichtigste Teilhaber der Rechte an dieser Landschaft waren die Landgrafen von Hessen, die Grafen von Solms-Braunfels, die Grafen zu Nassau-Weilburg sowie die Grafen von Isenburg-Büdingen.

Die Stadt Wetzlar am Zusammenfluss von Lahn und Dill nahm im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als Reichsstadt bzw. Sitz des Reichskammergerichts (1693-1806) eine besondere Rolle mit wechselvoller Geschichte ein und versuchte ihren Status stets gegen die benachbarten Mächte, die Grafen von Solms-Braunfels im Westen bzw. die Landgrafen von Hessen im Osten zu verteidigen. Einen Sonderstatus konnte auch das Prämonstratenserinnenkloster Altenberg bis zum Ende des alten Reiches bewahren, das sowohl politisch als auch religiös seine Selbstständigkeit bewahren konnte und nach Einführung der Reformation eine katholische Insel im protestantischen Raum darstellte.

Die napoleonische Zeit und die Auflösung des Alten Reiches brachten für das spätere Kreisgebiet einschneidende politische Veränderungen mit sich, die nur in groben Linien dargestellt werden können. Die Weigerung des Landesherrn, dem Rheinbund beizutreten, hatte für die oranische Linie des Hauses Nassau den Verlust des Fürstentums Dillenburg zur Folge, das 1806 dem neu gegründeten Großherzogtum Berg zugeschlagen wurde und diesem bis 1813 eingegliedert blieb. 1816 kamen die Ämter Herborn und Dillenburg zum Herzogtum Nassau, das sich durch große Geschlossenheit auszeichnete und die ursprünglich selbstständigen Herzogtümer Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg umfasste. In diesem Territorialgebilde nahmen die Gebiete des späteren Lahn-Dill-Kreises allerdings eine Randlage ein. Nach dem Anschluss des Herzogtums Nassau an das Königreich Preußen entstand am 22. Februar 1867 aus den Ämtern Herborn und Dillenburg der Dillkreis, der zur Provinz Hessen-Nassau gehörte. Dessen Zusammenschluss mit dem Landkreis Biedenkopf zum Landkreis Dillenburg in den Jahren 1932-1933 blieb eine Episode.

Die ehemals solmsischen Ämter Braunfels, Greifenstein und Hohensolms fielen im Zuge der Mediatisierung 1806 an das Herzogtum Nassau und kamen nach dem Wiener Kongress 1815 an das Königreich Preußen. Die Stadt Wetzlar war nach dem Verlust ihrer Reichsunmittelbarkeit 1806 zunächst als Grafschaft an das neu gegründete Großherzogtum Frankfurt gefallen, dem es bis 1815 eingegliedert blieb. Der Kreis Wetzlar wurde 1816 aus der Stadt Wetzlar und dem Amt Atzbach gebildet, 1822 wurde die Gemeinden des aufgelösten Kreises Braunfels hinzugefügt. Bis zum 30. September 1932 gehörte der Kreis als Exklave zur preußischen Rheinprovinz (Regierungsbezirk Koblenz) und wechselte unter Gebietsvergrößerung zum 1. Oktober 1932 zur preußischen Provinz Hessen-Nassau (Regierungsbezirk Wiesbaden).

Herangezogen wurden für die Bearbeitung des Lahn-Dill-Kreises die älteren Werke von Vogel, Beschreibung und Abicht, Kreis Wetzlar 2 sowie die im Rahmen der Vorarbeiten zum Geschichtlichen Atlas von Hessen entstandenen territorialgeschichtlichen und kirchentopographischen Werke von Wolfgang Müller über Die Althessischen Ämter im Kreise Giessen, Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, U. Weiss über die Gerichtsorganisation Oberhessens, Wilhelm Classen über Die kirchliche Organisation Althessens im Mittelalter samt einem Umriss der neuzeitlichen Entwicklung bzw. Gerhard Kleinfeldt und Hans Weirich über Die mittelalterliche Kirchenorganisation im oberhessisch-nassauischen Raum. Für die Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar wichtig war das Werk von August Schoenwerk. Zur speziellen Situation im Osten des Kreisgebietes in der Frühen Neuzeit wurde die Arbeit von Jendorff, Condominium herangezogen. Neben den einschlägigen Quelleneditionen, namentlich den Quellen zur Geschichte der Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum Ausgang des Mittelalters von Wolf-Heino Struck und dem Urkundenbuch der Stadt Wetzlar wurde im Zuge der Materialsammlung in begrenztem Maße auch die archivalische Überlieferung herangezogen.

Großer Wert wurde auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die, wo möglich, auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier genügt der Verweis auf das 2008 von Folkhard Cremer neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen) von Georg Dehio und auf die vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen herausgegebenen Bände der Denkmaltopographie zum Lahn-Dill-Kreis I, Lahn-Dill-Kreis II sowie zur Stadt Wetzlar. Für die Angaben zum Stichjahr 1787 wurde auf die Arbeit von Walter Wagner über Das Rhein-Main-Gebiet vor 150 Jahren zurückgegriffen.