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Hessian Biography

Portrait

Juliane Wilhelmine Luise Gräfin zu Schaumburg-Lippe
(1761–1799)

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Schaumburg-Lippe, Juliane Wilhelmine Luise Gräfin zu [ID = 9989]

* 8.6.1761 Zütphen (Niederlande), † 9.11.1799 Bückeburg, Begräbnisort: Schaumburger Wald Mausoleum, evangelisch-reformiert
Biographical Text

Juliane, das zweite überlebende Kind ihrer Eltern, wurde in der väterlichen Festungs-Garnison Zütphen im holländischen Gelderland geboren, wuchs aber in Philippsthal auf, wo sie 1774 konfirmiert und als 19-Jährige mit dem dreimal so alten Grafen Philipp von Schaumburg-Lippe verheiratet wurde. Der Graf, dessen Vater vor dem Heiratskandidat von Julianes Großtante Sophie gewesen war, hatte seine erste Frau Ernestine (1722–1769) und in den Folgejahren auch ihre drei überlebenden Kinder verloren. Julianes erste Tochter Eleonore starb ebenfalls als Kleinkind. Doch bekam sie in den Folgejahren, vor Graf Philipps Tod 1787, noch drei weitere Kinder, darunter den Stammhalter Georg Wilhelm (1784–1860). Der in Kassel regierende Landgraf Wilhelm IX. wollte Julianes Vormundschaft für den unmündigen Sohn zunächst nicht anerkennen und ließ die Grafschaft Schaumburg-Lippe als heimgefallenes Lehen militärisch besetzen. Erst die Einschaltung des Reichshofrats und die Unterstützung von Hannover und Preußen erzwangen den Abzug der Hessen, so dass Gräfin Juliane, die man wegen ihrer hochfürstlichen Abstammung auch mit „Fürstin“ titulierte, gemeinsam mit dem hannover’schen Feldmarschall Graf Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1736–1811) die Vormundschafts-Regierung übernehmen konnte.

Julianes Regierungsstil war fortschrittlich. Sie führte Reformen in Wirtschaft, Jurisdiktion und Schulwesen durch, verkürzte den Militärdienst, schränkte die Hofhaltung ein und erließ Steuerkürzungen. Auch die tolerante Judenpolitik der Vorgänger wurde fortgesetzt. Der aus Hessen stammende Bernhard Christoph Faust (1755–1842), den sie zu ihrem Leibarzt berief, schrieb 1792/94 auf Geheiß und in regem Austausch mit der Landesfürstin seinen „Gesundheitskatechismus“, der weite Verbreitung fand; Juliane unterstützte ihn auch bei der Einführung der Pockenschutzimpfung. Sie ließ Schloss und Park Hagenburg neu gestalten und die Schwefelquellen von Eilsen erschließen, wo Gärten und Parks angelegt wurden. Johann Christoph Friedrich Bach (1732–1795), der dritte der vier komponierenden Söhne des Thomas-Kantors, war seit 1749/50 Hofkapellmeister in Bückeburg; Konzerte und Theateraufführungen fanden hinfort unter der persönlichen Mitwirkung der von ihm zur Cembalistin ausgebildeten Gräfin statt.

Die mit 25 Jahren verwitwete Juliane hatte seit ca. 1790 eine Liaison (eventuell sogar morganatische Ehe) mit dem Leutnant, nachmals Oberforstmeister, Kammerherrn und Hofmarschall Clemens August Freiherr von Kaas (1760–1832). Zwei Söhne der Beziehung wurden später als „Freiherrn von Althaus“ nobilitiert. Sohn Clemens Anton (1791–1836) war als Offizier der „German Legion“ in den Befreiungskriegen Adjutant des Herzogs von Wellington; er ging 1819/20 nach Südamerika, kämpfte im Stab des Revolutionsgenerals José de San Martin und war zuletzt peruanischer Brigadegeneral. – Die 1799 an den Folgen einer schweren Erkältung verstorbene Juliane ruht neben ihrer wenige Jahre zuvor verstorbenen Mutter in einem 1802 errichteten Mausoleum im Schaumburger Wald. Ihr Sohn Georg Wilhelm wurde 1807 mit dem Beitritt zum Rheinbund erster Fürst von Schaumburg-Lippe.

Andrea Pühringer

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 246 f.)


Bibliography