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Hitler ordnet Einstellung der „Frankfurter Zeitung“ an, 1. Mai 1943

Bei einem gemeinsamen Essen im Restaurant Osteria Bavaria in München wird Adolf Hitler von der Witwe seines Lieblingsarchitekten Paul Ludwig Troost (1878–1934), Gerdy Troost (1904–2003), auf einen ihr missfallenen Feuilleton-Artikel der in Frankfurt am Main erscheinenden „Frankfurter Zeitung“ angesprochen. Der Beitrag aus der Feder des Journalisten und Historikers Herbert Küsel (1904–1969) war anlässlich des 75. Geburtstages des verstorbenen völkischen Dichters Dietrich Eckart (1868–1923) am 23. März 1943 veröffentlicht worden. Hitler erteilt daraufhin dem Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP, Martin Bormann, den Befehl, die Zeitung „kurzerhand einstellen zu lassen, ohne Rücksicht auf alle entgegenstehenden Einwände der Sachbearbeiter“.1 Diesem „Einstellungsbefehl“ folgt allerdings nicht unmittelbar das Ende der publizistischen Tätigkeit des renommierten, liberal-demokratischen Frankfurter Blattes.2

Das endgültige Aus für die 1856 als „Frankfurter Geschäftsbericht“ gegründete Zeitung wird im Frühsommer angeblich durch einen Zufall besiegelt: während der Urlaubsabwesenheit von Hitlers Pressechef Otto Dietrich enthält die Hitler täglich vorgelegte Pressemappe auch die sonst vorab von Dietrich vorsorglich herausgenommene „FZ“. Im Glauben, die Zeitung sei längst eingestellt, ergeht sich Hitler in einen Wutanfall und ordnet die endgültige Schließung an.3
(KU)


  1. Helga Hummerich, Wahrheit zwischen den Zeilen, S. 84 f.
  2. Das schließlich erlassene Verbot wird mit Wirkung zum 31. August 1943 ausgesprochen. Es ist übliche Praxis der Presseabteilung der Reichsregierung, die Einstellung bzw. Stilllegung von Zeitungen und Zeitschriften rechtzeitig bekannt zu geben und auf ein nicht zu nahes Monatsende festzusetzen, vgl. Bernd Sösemann, Journalismus im Griff der Diktatur, S. 32.
  3. Vgl. dazu DER SPIEGEL 22/1987, S. 106. Es muss zweifellos im Interesse des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda gelegen haben, eine effektive Auslandspropaganda des „Dritten Reichs“ auch durch die Duldung einer scheinbar unvereinnahmten, nicht der totalen Gleichschaltung erlegenen liberalen Zeitung zu unterstützen. Der von Günther Gillessen in Erfahrung gebrachten Geschichte ist von der neueren Forschung allerdings entgegengestellt worden, dass die Querelen um den von Küsel verfassten Artikel „bestenfalls ein willkommener Anlass“ waren, „über die Funktion der FZ in einer stark veränderten kommunikations- und medienpolitischen Gesamtsituation nachzudenken“. Die Frankfurter Zeitung wurde – mit nur noch etwa 25.000 Lesern (einem Viertel ihres Vorkriegs-Publikums) – schlechterdings als überflüssig betrachtet und 1943 als eines von hunderten anderer Blätter schlicht abgewickelt, vgl. Sösemann [wie Anm. 2], hier: S. 32-34.
Records
Recommended Citation
„Hitler ordnet Einstellung der „Frankfurter Zeitung“ an, 1. Mai 1943“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/4792> (Stand: 1.5.2023)
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