Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Liebesgaben zur ersten Kriegsweihnacht in der Darmstädter Zeitung, 1914/15

Abschnitt 1: 13.11.1914: Weihnachten im Felde

Weihnachten im Felde

Von der Obersten Heeresleitung1 wird folgendes bekanntgegeben: Es darf angenommen werden, daß das Weihnachtsfest in Millionen von deutschen Herzen den Wunsch rege machen wird, den Verteidigern von Haus und Herd Zeichen der Liebe und Dankbarkeit zukommen zu lassen, daß sie auf fremder Erde kämpfen, daß sie fern sind von ihren Lieben in der Heimat. Der Wunsch, die einem treuen Gedenken entsprungenen Liebesgaben bestimmten Personen zuzuführen, bestimmte Truppenteile oder Heeresverbände besonders zu bedenken, ist um die Weihnachtszeit so begreiflich, daß zu seiner Verwirklichung alles geschehen soll, was von militärischer Seite möglich ist, freilich in der bestimmten Hoffnung, daß die Opferfreudigkeit des deutschen Volkes auch die Verteidiger des gemeinsamen Vaterlandes nicht leer ausgehen lassen will, deren keine treue Mutter oder Gattin, kein sorgender Vater oder Freund besonders bedenkt. Deshalb muß den Militärbehörden das Recht bewahrt bleiben, nach billigem Ermessen auszugleichen und Sendungen, deren Empfänger sich nicht mehr beim Feldheere befinden, zum Besten der Allgemeinheit zu verwenden.- Für die Zuführung der Weihnachtsliebesgaben an die Front sind folgende Bestimmungen in Aussicht genommen:

1. Liebesgaben für Einzelne.
a) Bis einschließlich 250 Gramm kann die Zusendung in Briefen durch die Feldpost jederzeit erfolgen; das Porto beträgt von 50-250 Gramm 10 Pfg. Briefe von 250-500 Gr. (Porto 20 Pfg.) werden voraussichtlich im Dezember eine Woche Lang zugelassen werden.
b) Für Paketsendungen bis einschließlich 5 Kilogramm ist nicht die Feldpost zuständig, sondern sind militärische Vorkehrungen getroffen. Die heimatliche Post nimmt in der Zeit vom 23. bis 30. November solche Pakete an und befördert sie bis zu dem zuständigen militärischen Paketdepot in der Heimat. Das Porto beträgt 25 Pfg. Bei den militärischen Paketdepots kann auch unmittelbar von den Absendern- portofrei- aufgegeben werden. Die Namen der militärischen Paketdepots werden bei sämtlichen Postanstalten des Deutschen Reiches angeschlagen werden. Die Pakete werden von den militärischen Paketdepots geordnet und über die militärischen Sammelstationen an die Etappenhauptorte gesandt. Hier werden sie von den Etappenbehörden übernommen, verteilt und der Truppe zugeführt. Vorbedingung für die richtige Zustellung aller Briefe und Pakete ist die richtige Adresse. Alle Angehörigen des Heeres sind erneut angewiesen worden, ihre genaue Adresse nochmals ihren Angehörigen in der Heimat mitzuteilen. Es wird sich empfehlen, wenn Spender von Liebesgaben, die in den nächsten Tagen keine derartige Nachricht erhalten sollten, vor Absendung bei den nächsten Angehörigen ihres Freundes Erkundigungen einzuziehen.

2. Liebesgaben für bestimmte Truppenteile und Heeresverbände, sowie Liebesgaben für die Allgemeinheit
Die Zuführung dieser Liebesgaben erfolgt nur durch Vermittelung der Organisation der freiwilligen Krankenpflege:
a) Liebesgaben in ganzen Waggonladungen sind bei der Abnahmestelle für freiwillige Gaben I (für Verwundete und Kranke) und II (für Gesunde) am Sitz des für den Wohnort des Spenders zuständigen stellvertretenden Generalkommandos anzumelden. Die Namen der Abnahmestellen werden bei sämtlichen Postanstalten des Deutschen Reiches angeschlagen werden. Die Abnahmestellen geben dann den Anmeldern Nachricht, an welche militärische Sammelstation sie die Wagen zu senden haben. Von der militärischen Sammelstation werden die Wagen auf den für den allgemeinen Nachschub bestimmten Bahnen den Etappenbehörden zugeführt, die die Weiterbeförderung der Liebesgaben an die Truppen bewirken. Es ist erwünscht, wenn sich Personen zur Verfügung stellen, die diese Eisenbahnzüge von der Sammelstation nach dem Etappenhauptort geleiten, um zur Sicherheit der Zuführung beizutragen. Wenn es die Kriegslage erlaubt, kann ihnen von den Etappeninspektionen auch die Erlaubnis zur Begleitung vom Etappenhauptort nach vorne gegeben werden. Die Auswahl treffen die stellvertretenden Generalkommandos im Einvernehmen mit den örtlichen Territorial-Delegierten aus der Zahl der Personen, die sich bei der Organisation der Liebesgabentätigkeit besonders verdient gemacht haben. Die stellvertretenden Generalkommandos stellen auch die Geleitscheine von der Sammelstation bis zum Etappenhauptort aus. Grundsätzlich muß jedoch die Fahrt in dem Eisenbahnzug erfolgen, der die Liebesgaben vorführt, und grundsätzlich muß die Fahrt in der Sammelstation angetreten werden. Fahrten in Kraftwagen werden für Ueberbringer und Begleiter von Liebesgaben in keinem Falle gestattet.
b) Liebesgaben in geringerer Menge als ganze Wagenladungen sind ausnahmslos bei den gleichen Abnahmestellen der freiwilligen Krankenpflege Abzuliefern. Von dort gelangen sie an die zuständigen Sammelstationen. Weiter wird mit ihnen wie unter a) angegeben verfahren, auch hinsichtlich der Begleitung. Vorbedingung für die Versendung aller Liebesgaben ist, daß alle Absender sich genau an die Bestimmungen über Inhalt und Verpackung halten; Gegenstände, die raschem Verderben oder Zerbrechen ausgesetzt sind, keinesfalls absenden. Sie müssen sich vergegenwärtigen, daß vom Tage der Aufgabe bis zur Zustellung etwa vier Wochen vergehen, daß guter Wille und rührende Liebe sich hart stoßen an der rauhen Wirklichkeit des Krieges!
Großes Hauptquartier, 13. Nov. 1914
Der Generalquartiermeister.


  1. Höchste Kommandoebene des deutschen Heeres im Ersten Weltkrieg.

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Recommended Citation: „Liebesgaben zur ersten Kriegsweihnacht in der Darmstädter Zeitung, 1914/15, Abschnitt 1: 13.11.1914: Weihnachten im Felde“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/51-1> (aufgerufen am 25.04.2024)