Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources


Contents

  1. Tätigkeit im Wetzlarer Lazarett und in Blasbach
  2. Ärztliche Versorgung, Hebammendienste

↑ Marie Braun, Als Krankenschwester in Blasbach und Wetzlar während des Ersten Weltkriegs, 1914-1920

Abschnitt 1: Tätigkeit im Wetzlarer Lazarett und in Blasbach

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Viele Jahre der ruhigen Arbeit waren uns leider nicht beschieden. Es kam der Erste Weltkrieg, und schon im August 1914 trafen die ersten Verwundeten in Wetzlar ein. Alle Helferinnen aus dem Kreis wurden sofort zum Lazarettdienst zusammengezogen. Ich kam ins Reserve-Lazarett Buderus und durfte dort mit meinem Lehrer, Geheimrat Dr. Stein, und mit seinem Assistenten, Herrn Dr. Klapsch, zusammenarbeiten. Mir wurde trotz meiner kurzen Ausbildung - aber es war ja Krieg und daher Notzeit - die Verantwortung für das Lazarett übertragen. Ich hatte für den OP und für das Verbandszimmer zu sorgen und 14 Zimmer mit je 4 Schwerverwundeten zu betreuen. Als Hilfe hatte ich 3 Rote- Kreuz-Helferinnen mit vierwöchiger Ausbildung.

1915 gingen die Kämpfe in Stellungskrieg über, und es gab nicht mehr so viele Verwundete. Die kleinen Lazarette wurden aufgelöst. In Wetzlar kamen die Verwundeten ins große Lazarett oberhalb des Krankenhauses, die heutige Kaserne, und ins Gertrudishaus. Herr Dr. Baudorf, der im Lazarett arbeitete und auch die Kranken in den umliegenden Dörfern besuchte, sorgte dafür, daß ich wieder nach Blasbach zum Pflegedienst zurückkam, weil ich dort am nötigsten wäre. So kam ich Ende 1915 wieder nach Hause und zur Arbeit in unser Dorf. Im April begann eine schwere Diphterie- und Scharlach-Epidemie. 75 Erwachsene und Kinder wurden krank, zum Teil sehr schwer und mit üblen Begleiterscheinungen. Das war für alle ein schweres Jahr. Die Männer im Kriege, die Frauen allein mit der Feldarbeit und dann dazu diese Epidemie! Aber Gott hatte über uns seine schützende Hand, und alle Kranken wurden wieder gesund, wenn auch einige mit Herzleiden und Mittelohrentzündungen als Nachkrankheiten noch längere Zeit zu tun hatten.

Die schwerste Zeit, aber auch die Zeit, wo ich Gottes Hilfe am stärksten spürte, waren die Monate von Herbst 1917 bis Juli 1918.

Der einzige für uns Blasbacher zuständige Arzt (die anderen waren eingezogen oder im Lazarettdienst tätig) war der schon ältere Herr Dr. Strauß in Wetzlar. Er hatte so viel Arbeit, daß er nur bei ganz schweren Fällen und auf dringendes Bitten hin mit einer gemieteten Pferdedroschke höchstens einmal zu den Kranken kam. So war ich allein mit meinen Patienten, mußte sie bei Lungenentzündungen betreuen, hatte Fieber und Puls zu kontrollieren und konnte höchstens früh um 8 Uhr Herrn Dr. Strauß telefonisch Nachricht geben und mir von ihm für die Kranken ein Rezept ausstellen lassen. Medizinen gab es damals kaum, die wurden in den Lazaretten gebraucht, wir mußten uns meistens mit Hausmitteln behelfen.


Persons: Braun, Marie · Stein, Dr. · Klapsch, Dr, · Baudorf, Dr. · Strauß, Dr.
Places: Blasbach · Wetzlar
Keywords: Krankenpflege · Krankenpflegehelferinnen · Lazarette · Reservelazarette · Buderus, Wetzlar · Verwundete · Schwerverwundete · Rotes Kreuz · Stellungskrieg · Diphterie · Scharlach · Lungenentzündung · Krankheiten · Epidemien
Recommended Citation: „Marie Braun, Als Krankenschwester in Blasbach und Wetzlar während des Ersten Weltkriegs, 1914-1920, Abschnitt 1: Tätigkeit im Wetzlarer Lazarett und in Blasbach“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/27-1> (aufgerufen am 26.04.2024)