Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources


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Lohndreschen in der alten Dreschhalle in Blasbach

↑ Christian Heinz, Erinnerungen eines Landwirts in Blasbach an Krieg und Nachkriegszeit, 1914-1922

Abschnitt 3: Preisentwicklung und Ernten in der Nachkriegszeit

[221-222]
Am 11. November 1918 kam es dann endlich zu dem von vielen ersehnten Waffenstillstand, der für Deutschland allerdings schmachvolle Bedingungen brachte. Unsere hungernden Soldaten kamen von allen Fronten in die Heimat zurück. Auch in Blasbach kam es zu Einquartierungen der durchziehenden Truppen. Wir [221/222] hatten ebenfalls vier Wochen lang unser Haus mit Soldaten zu teilen.

Auch nach Kriegsende stiegen die Preise weiter, und es gab nicht genug zu essen. 1919 verdiente ein Arbeiter 24,- bis 30,- Mark am Tag, bei 8 Stunden Arbeitszeit. Kleiderstoffe, falls überhaupt zu erhalten, stiegen praktisch täglich im Preis. Ein Anzug wurde mit 400,- bis 500,- Mark gehandelt. Eine Kuh kostete 1000,- bis 2000- Mark und das Pfund Fleisch 4- bis 5 - Mark. 1920 stieg zwar der Arbeitslohn der Arbeiter an (30,-, 40,- und 50,- Mark für 8 Stunden), aber die Warenpreise stiegen noch schneller. Für bestimmte Produkte wurden wahre Wucherpreise gezahlt. Wer Eier oder Butter erübrigen und sie heimlich verkaufen konnte, erzielte einen guten Preis (für das Pfund Butter 9,- bis 14,- Mark). Speck wurde mit 10,- bis 15,- Mark gehandelt, Erbsen und Linsen für 1,- Mark pro Pfund. Wer in der Stadt etwas kaufen wollte, mußte Tauschwaren mitbringen, sonst erhielt er überhaupt nichts. Die meisten Leute gingen in Holzschuhen (das Paar zu 14,- bis 20,- Mark), da das Paar Lederschuhe mit 40,- bis 80,-Mark bezahlt werden mußte. Tabak wurde zum Luxusartikel, denn für ein Pfund mußte man 12,- bis 18,-Mark zahlen. Eine Zigarre kostete 25 bis 50 Pfennige, aber meistens war gar nichts zum Rauchen zu bekommen. Auch Kleiderstoffe und andere Tuchwaren waren aus dem Handel verschwunden.

1921 stiegen die Preise erneut, so daß ein Ei 1,50 bis 2,50 Mark kostete. Das Pfund Fleisch wurde mit 12,-bis 15,- Mark gehandelt und ein Anzug für 800,- bis 1300,- Mark. Der Preis für eine Kuh betrug nunmehr 5000- bis 10 000- Mark. Auch das Getreide wurde sehr teuer. Für einen Zentner Korn bezahlte man 75-bis 100 - Mark, für Weizen 150 - bis 200 - Mark, ebenso für Hafer. Für das Schlachtvieh erzielte man pro Zentner Lebendgewicht 500,- bis 650,- Mark, während Ferkel 500,- bis 600,- Mark kosteten.

Die Ernte 1921 war sehr gering, denn es hatte wenig geregnet. Das Heu war sehr dürftig, und Grummet gab es auch sehr wenig. Die meisten Leute hatten gar keines. Kartoffeln wurden auch sehr wenige geerntet, so daß der Preis auf 100,- bis 120,- Mark pro Zentner anstieg. Es wurde viel Stroh gekauft, der Zentner für 40,- bis 70 - Mark.

1922 war wieder ein Jahr mit steigenden Preisen, denn die Inflation war in vollem Gange. Für ein Ei wurden nunmehr 3,- bis 4,- Mark gezahlt und das Pfund Butter mit 40,- bis 50,- Mark gehandelt. Ein Paar Schuhe kostete jetzt 400,- bis 500,- Mark, ein Hemd 100,- Mark, und für einen Anzug mußte man 1000,-bis 1500,- Mark bezahlen. Wo sollte das noch hinführen?


Persons: Heinz, Christian
Places: Blasbach
Keywords: Waffenstillstand · Truppenrückmarsch · Einquartierungen · Preisentwicklung · Lohnentwicklung · Ernteergebnisse · Inflation
Recommended Citation: „Christian Heinz, Erinnerungen eines Landwirts in Blasbach an Krieg und Nachkriegszeit, 1914-1922, Abschnitt 3: Preisentwicklung und Ernten in der Nachkriegszeit“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/23-3> (aufgerufen am 16.04.2024)