Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918

Abschnitt 8: 3.11.1914: Brief des August Schlosser aus Zell

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Erläuterung:
August Schlosser wurde am 9. Dezember 1877 in Zell (heute Gemeinde Romrod, Vogelsbergkreis) als Sohn des Ackermanns Andreas Schlosser geboren (siehe den Eintrag im Geburtsnebenregister des Standesamts Zell 1876-1897). Er war zu Beginn des Krieges 36 Jahre alt.


3. November 1914.

Ihr Lieben habt keine Ahnung, was Krieg heißt, das habe ich erst jetzt in den Tagen erkannt. Mein Gemüt war zu weich, aber wenn die Not an den Mann geht, wird es von selber anders. Ich habe schon manchen Mann und manche Frau unter Tränen gesehen, und mein Herz ist sofort bei Euch zu Haus. Aber Hunger lernt Kohlen kauen. Da wird ein Huhn, eine Gans vom Hof weggenommen und gekocht mit Kartoffeln, es ist ein Essen, ich hätte mein Lebtag nicht geglaubt, daß so täglich Brot eine große Gabe ist, und hier mitunter so wenig vorhanden, den einen Tag im Überfluß, 2-3 Tage später hätte man gern, wenn da wäre.

Liebe Frau, hast Du die Brosche von Wiesbaden erhalten mit meinem Bild? Wie steht es bei Euch zu Hause, könnt ich nur mal eine Viertelstunde nachschauen Wie ist es mit der Klauenseuche, seid Ihr noch davor bewahrt? Weit ist der Weg zwischen Dir und mir, aber unsere Gedanken weilen doch zusammen über Berg und Tal, Feld und Wald, unter dem großen blauen Himmel, wo unser lieber Gott Wache hält über alle Menschen, so auch über mich und Euch in der Heimat.


Persons: Schlosser, August · Schlosser, Andreas
Places: Zell · Romrod · Wiesbaden
Keywords: Feldpost · Feldpostbriefe · Geburtsnebenregister · Hunger · Landwirtschaft · Maul- und Klauenseuche · Geschenke
Recommended Citation: „Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918, Abschnitt 8: 3.11.1914: Brief des August Schlosser aus Zell“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/173-8> (aufgerufen am 24.04.2024)