Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Kriegsgedichte von der Front in der Zeitschrift Hessenland, 1914-1918

Abschnitt 8: Gottfried Buchmann, An der Brücke (Gedicht)


An der Brücke.

Bis an die Brücke müssen wir vor —
So schwarz und schwer ist diese Nacht —
Gespannt den Hahn, gespannt das Ohr,
Wie ein Panther schnell, wie die Katze sacht,
So kriechen, schleichen, springen wir an,
Sechs Mann. — —

Süße Heimat, atme du
Deine Ruhe, deinen Frieden;
Tiefe Nächte, decket zu
Sanft mit Schlummer alle Müden;
Lindert Kranken ihre Wunden,
Kürzt der Trauer ihre Stunden.

Dort an der Brücke lauert der Tod;
Es weht wie Frieren vom Wasser her;
Doch in den Adern hämmert und loht
Das Blut. Wir lockern die blanke Wehr:
Pflanzt auf? Hurrah! Und drauf und dran!
Sechs Mann. — —

Liebend Weib im stillen Land,
Land der Opfer, Land der Tränen,
Hebt im Fleh'n die stumme Hand,
Bis ein Horchen, Hoffen, Wähnen
Gläubig flutet durch das Zagen,
Zweifel stillt und Zweifelfragen.

Bis an die Brücke mußten wir vor;
Wir alle wußten, was es hieß. —
Doch, daß sich das Schicksal so verschwor,
Uns Gott so bitterlich verließ,
Das nicht. — Allein kam ich blutend an,
Ein Mann.

Süße Heimat, atme du
Deine Ruhe, deinen Frieden;
Hoffnung, keime immerzu;
Weint, ihr, die vom Glück gemieden.
Laßt uns in den harten Wegen
Schweigend spüren fernen Segen.


Feld | Gottfried Buchmann.


[Veröffentlicht in der Zeitschrift Hessenland, 29. Jahrgang, Nr. 22, Zweites November-Heft 1915, S. 342.]


Persons: Buchmann, Gottfried
Keywords: Kriegsgedichte · Hessenland
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