Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources


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  1. Merkblatt für den Gasschutz

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Merkblatt für den Gasschutz S.1

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Merkblatt für den Gasschutz S.2

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Deutscher Unteroffizier mit Gasmaske vor einem Unterstand

↑ Merkblatt für den Gasschutz

Abschnitt 1: Merkblatt für den Gasschutz

[1-2]
Erläuterungen:
Eine neue Form der Kriegsführung im Ersten Weltkrieg war der Einsatz von Giftgas auf der Seite beider Kriegsparteien. Zwar wurde schon seit 1914 auf Seiten der Franzosen mit Reizgasgranaten experimentiert, sie blieben im offenen Gelände jedoch nahezu wirkungslos. Der erste Einsatz des hochgiftigen und tödlichen Chlorgases erfolgte am 22. April 1915 in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern. Deutsche Pioniertruppen installierten ca. 30.000 mit Chlorgas gefüllte Flaschen und öffneten diese bei einsetzendem Ostwind und ließen so eine etwa 6 km breite Gaswolke auf die gegnerischen Stellungen zutreiben. Dieses Blasverfahren hatte allerdings für den Anwender den Nachteil, dass man vom Wind abhänigig war und stets befürchten musste, sich selbst zu gefährden, falls der Wind drehte. Man entwickelte darum spezielle Granatwerfer, die mit Giftgas gefüllte Granaten auf weitere Entfernungen verschießen konnten. Zudem wurde mit der Zusammensetzung des Gases und verschiedener Kombinationen von Gas- und Explosivstoffgranaten experimentiert.1
Nach anfänglichen Erfolgen entwickelten beide Seiten verschiedene Methoden um ihre Soldaten vor Gasangriffen zu schützen. Eine erste, improvisierte Lösung war ein getränkter Putzwollbausch. Da dieser allerdings nicht besonders haltbar war entwickelten sich daraus verschiedene Formen der Gasmaske, die im Wesentlichen aus einem gummierten Stoff und einem abschraubbaren Filter bestanden, der hauptsächlich aus Aktivkohle bestand. Die genaue Zusammensetzung des Filters musste jedoch regelmäßig überarbeitet werden, um den immer neuen Gasgemischen des Gegners stand zu halten.2. Das vorliegende Exemplar des Merkblatts ist im Soldbuch des Gefreiten Heinrich Linneborn aus Niederdieten überliefert.


Merkblatt für den Gasschutz.

1. Vertraue Deiner Maske. Sie schützt Dich, wenn sie gut verpaßt ist, sich in gutem Zustande (ohne Löcher, Risse usw.) befindet und Du sie sicher und rasch zu gebrauchen verstehst.
2. Vertraue dem Einsatz und wechsele ihn nicht während eines Gasangriffs. Er schützt Dich unbedingt im Gaskampf, mag dieser auch stundenlang dauern.
3. Achte stets auf Wind und Wetter. Hauptsächlich die Nacht und die frühen Morgenstunden benutzt der Gegner für seine Gasangriffe. Darum trenne Dich nie von Deiner Maske, auch nicht während des Ruhens, Essens, Arbeitens usw. Mußt Du sie ablegen, so halte sie in greifbarer Nähe bereit.
4. Schone die Maske wie Deine Schußwaffe und halte sie sauber. Schütze Maske und Einsätze vor Nässe. Deine Gesundheit hängt im Gaskampf von ihr ab. Bringe kein Fett an ihre Metall- und Stoffteile, weil es den Gummistoff unbrauchbar macht.
5. Befolge genau die Gebrauchsanweisung in der Bereitschaftsbüchse und achte besonders auf die Gummidichtung im Mundring.
6. Wenn Du Gaswolken siehst, riechst oder Gasalarm hörst, und wenn Du Granaten mit schwachem Knall oder Entwicklung eines weißen, länger am Boden haftenden Rauches in Deiner Nähe [S. 2] beobachtest, so lege sofort Deine Maske an und benachrichtige deine Kameraden rasch; denn das Gas ist schnell da. Rufe „G—a—a—s“, lege die Maske an, rühre das Läutwerk, mache Dich feuerbereit.
7. Atme ruhig und langsam, und laß es Dich nicht anfechten, wenn der Einsatz heiß wird. Das schadet nichts. Vermeide zu laufen und die Maske durch Anstoßen zu verschieben. Deine eigene Unruhe wäre der beste Gehilfe des Feindes.
8. Bediene Deine Schußwaffe wie sonst.
9. Der Unterstand schützt dich nicht vor Gas, wenn du keine Maske hast.
10. Wenn deine Maske beschädigt ist, nimm als Notbehelf das Gewinde eines Einsatzes fest in den Mund und halte die Nase zu.
11. Lockere die Maske nach einem Gasangriff nur, wenn du kein Gas mehr siehst, und nur mit großer Vorsicht. Setze sie nur ab, wenn Du beim Lockern kein Gas mehr riechst.
12. Entfette deine Schußwaffe, wenn sie im Gase war und fette sie frisch ein. Die Munition wische trocken ab und öle sie wieder ein.
13. Nach einem Gasangriff betritt Deinen Unterstand nicht ohne Maske. Sorge für gute Lüftung von Graben und Unterstand.
14. Wische die Metallteile und tupfe die Stoffteile sorgfältig innen und außen trocken, ehe Du die Maske wieder verpackst. Fehlt Dir ein trockener Lappen, so trockne sie an der Luft, bei heißer Sonne im Schatten, bei Regen oder Frost im Unterstand, jedoch nicht am Ofen.


  1. Artikel Gaskrieg, in: Enzyklopädie Erster Weltkrieg S. 519
  2. Artikel Gasmaske, in: Enzyklopädie Erster Weltkrieg S. 522

Persons: Linneborn, Heinrich
Places: Ypern
Keywords: Giftgas · Merkblätter · Franzosen · Reizgas · Chlorgas · Zweite Flandernschlacht · Pioniere · Granatwerfer · Gasgranaten · Gasmasken · Gasangriffe
Recommended Citation: „Merkblatt für den Gasschutz, Abschnitt 1: Merkblatt für den Gasschutz“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/149-1> (aufgerufen am 24.04.2024)