Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources


Contents

  1. Mühevoller Aufmarsch durch Belgien
  2. Ankunft in Löwen, erste Siegesmeldungen

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Handschriftliche Reinschrift des Textes "Der Auftakt" von Ludwig Grebe, S. 3

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Handschriftliche Reinschrift des Textes "Der Auftakt" von Ludwig Grebe, S. 4

↑ Ludwig Grebe, Der Aufmarsch in Belgien, 1914

Abschnitt 2: Ankunft in Löwen, erste Siegesmeldungen

[Sp. 261-263]

Da endlich das langersehnte Halt; mitten in einer größeren schönen Stadt, in Löwen. Da lösen die Fußgänger die Marschordnung und wie welkes Laub fallen sie links und rechts auf die Bürgersteige nieder. — —

Plötzlich eigenartige Warnungssignale; ein melodischer Klang; sekunden-, minutenlang; von ferne her. Stärker wird der Schall; er kommt näher. Im Halbschlaf hören ihn die Soldaten. Einer ermuntert leise den andern. Etwas Ungewöhnliches muß es schon sein. Vielleicht fährt eine höhere Persönlichkeit durch. Doch man ist zu müde, um diesen Gedanken weiteren Raum zu geben. Man läßt den Körper behaglich zurücksinken. — Zwischendurch aber schreiten die Einwohner; vorsichtig tasten sie sich vorwärts, damit sie mit den gefürchteten „Prussiens" nicht in Berührung kommen. Neben ihnen schreiten sie her und über sie weg, mit ernsten, finsteren Mienen.

Da, ein jubelndes Rufen. Urplötzlich. Ein fauchendes Rattern, das eiligst näher kommt. Und plötzlich durchflutet eine mächtige Bewegung die tote Straße. Die einzelnen Kolonnen springen auf; sie stehen wie ein Mann; stehen und lesen an einem Postauto: „Großer Sieg bei Wörth1 45.000 Gefangene!' Da bricht sich das lange zurückgehaltene, eingeschüchterte Denken und Fühlen Bahn. Mit elementarer Gewalt braust ein patriotischer Jubelruf dahin. Endlich ein Lichtstrahl in das geheimnisvolle Dunkel; endlich, endlich das stolze Bewußtsein: „es geht vorwärts!" Kein Ablassen, kein Halten gibts nicht [Sp. 263] mehr, wirr und erregt flutet die ehemals tote Masse durcheinander. Immer neue Kundgebungen! Offiziere und Mannschaften schütteln sich freudig die Hände, bis endlich das deutsche Trutzlied von der Wacht am Rhein, wie ein brandendes Meer widerhallend. die stolze Stadt durchbraust.

Als hätten die Kolonnen drei Tage Ruhe gehabt, als hätten sie den ersten Marsch vor sich, als hätten sie selbst den Sieg miterfochten, so flott geht es nun vorwärts. Sämtliche Fußkranke klettern von den Wagen und marschieren. Ein Auftakt aus der ganzen Linie! Marsch nur Marsch, heißt erneut die Parole, und mit frischem Mut geht es nunmehr dem Ziel, dem Feind entgegen.


  1. Wörth, französisch Wœrth, Ort im Unterelsass, Département Bas-Rhin. Mit der Schlacht bei Wörth am 6. August 1870 begann der für Deutschland siegreiche Deutsch-Französische Krieg von 1870/71. Die von Grebe beschriebene Meldung über einen erneuten Sieg bei Wörth hatte darum einen besonderen propagandistischen Stellenwert. Tatsächlich hat zu Kriegsbeginn 1914 keine Schlacht bei dem seit 1871 zum Deutschen Reich gehörigen Ort Wörth stattgefunden.

Persons: Grebe, Ludwig
Places: Löwen · Wörth
Keywords: Soldaten · Siegesmeldungen · Wacht am Rhein · Deutsch-Französischer Krieg 1870-1871
Recommended Citation: „Ludwig Grebe, Der Aufmarsch in Belgien, 1914, Abschnitt 2: Ankunft in Löwen, erste Siegesmeldungen“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/123-2> (aufgerufen am 25.04.2024)