Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Babenhausen Karten-Symbol

Gemeinde Babenhausen, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Georg Wittenberger
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1318

Location

64832 Babenhausen, Ortsteil Babenhausen, Amtsgasse 16 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Offenbach

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Bereits im Mittelalter sind Juden in Babenhausen nachweisbar. 1318 wird Fromman, Jude zu Babenhausen, in den Frankfurter Gerichtsbüchern erwähnt. Er erwarb zusammen mit Aschaffenburger Bürgern Zehntrechte in Harpertshausen und Klein-Altheim. 1323 werden auch Isaak, Kalman und Rechlin in Babenhausen genannt.1 Durch die Judenverfolgung 1337 sowie die spätere Pestzeit 1348/49 wurde das jüdische Leben in Babenhausen vernichtet. 1362 werden wieder Juden in Babenhausen erwähnt, so mehrfach ein gewisser Ysaag.2 In der Folgezeit sind immer wieder einzelne jüdische Familien verzeichnet, so im 15. Jahrhundert auch zwei Ärzte, Daniel und Lazarus.

Aus dem Jahre 1650 ist eine Beschwerde der Stadt Babenhausen über den Missbrauch der Zoll- und Handelsfreiheit durch die Juden Lazarus und Salomon Juck zu Klein-Umstadt an Graf Philipp von Hanau-Lichtenberg überliefert.3

1707 werden sieben jüdische Familien gezählt (= 4,1 Prozent der Einwohnerschaft), 1775 waren es acht Familien. Im Jahre 1828 werden 80 jüdische Einwohner gezählt, 1880 sind es 88. Danach nimmt die Zahl langsam ab.

Im Ersten Weltkrieg fielen aus Babenhausen Hermann Fuld (gefallen 16. April 1917) und Isidor Kahn (gefallen 25. September 1915).4 Beide stammten ursprünglich aus Sickenhofen, lebten jedoch schon vor 1914 in Babenhausen. In der Stadt gab es einen Männer- sowie einen Frauen-Krankenverein.

Im Jahre 1933 lebten noch 18 jüdische Familien in Babenhausen. Viele zogen in die nahegelegenen Großstädte, unter ihnen auch der frühere Vorsteher Max Arnsberg, der sich dann in Offenbach 1937 das Leben nahm. Seine Frau und seine Tochter wurden deportiert. Der letzte Vorsitzende der Gemeinde, David Kahn, wurde ebenfalls deportiert. 1939 lebten noch 12 Juden in Babenhausen.

Betsaal / Synagoge

Ein Eintrag im Babenhäuser Gerichtsbuch von 1357 weist mit der Formulierung „mit Namen auf die Judenschule“ auf eine Judenschule hin. Gudian nimmt an, dass zu jener Zeit bis 1362 keine Juden in Babenhausen sesshaft waren. Er vermutet, dass das Gebäude von einer früher in Babenhausen bestehenden jüdischen Gemeinde, die vielleicht im Jahre 1349 erlosch, stammte.5 1380 wird eine neue Judenschule von sich erneut in Babenhausen niedergelassenen Juden erwähnt, 1381 heißt es „judenschole“.6 Bei Grundstückstransaktionen wird im 15. Jahrhundert öfter eine Judenschule erwähnt, so 1403 „gegenüber der Judenschule“, 1426 „gelegen gegenüber der Judenschule, bei dem Marstall“ oder 1483 „von der Umgebung der Judenschule“.7 Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass diese Judenschule in der Altstadt unweit oder sogar auf dem heutigen Grundstück Amtsgasse 16 gelegen war.

Wann die Synagoge mit Schulhaus an der Amtsgasse 16, so wie sie sich in den 1930er Jahren darstellte, erbaut wurde, konnte nur ansatzweise geklärt werden. Sahm zitiert aus der Topographie des Hospitalfonds-Verwalters Kleinhans: „Juden-Synagoge in Gebrauch genommen 1786 d. 17. September“.8 Bis zum Jahre 1924 handelte es sich um zwei Grundstücke, die unterschiedlich lange der jüdischen Gemeinde gehört hatten.9 Beide Gebäudekomplexe lagen im hinteren Teil einer gemeinsamen Hofeinfahrt.

Im Jahre 1811 wird das Haus Nr. 188 als „Die Judenschul“, ein zweistöckiges Gebäude mit Treppenvorbau, im Besitz der israelitischen Gemeinde geführt. Das Anwesen gehörte bereits seit dem 15. Jahrhundert der Judengemeinde.10 Es wechselte mehrfach die Hausnummer, so 1847 in Nr.145, 1879 bis 1924 in Nr. 220. Im Jahre 1841 kaufte die israelitische Gemeinde das angrenzende Haus Nr. 187. Ab 1847 führte es die Nr. 144, von 1979 bis 1924 die Nr. 219. Danach erfolgte die Zusammenlegung der Grundstücke unter Amtsgasse 16.11

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die jüdische Gemeinde in Babenhausen die Absicht, eine neue Synagoge zu bauen. Mayer Hecht, Isaak Fuld und Isaak Idstein II, stellten für die Gemeinde den Antrag, Gelände für Bau einer neuen Synagoge zu erhalten, nachdem der frühere Plan, dies auf dem jetzigen Platze zu tun, vom Großherzoglichen Kreisamt verworfen worden war. Geeignet erschien den Antragstellern der Schlossplatz oder der Stadtgraben. Dabei präferierten die Antragsteller den Schlossplatz wegen seiner Lage, da ein Gotteshaus, eine Schule und ein Badhaus erstellt werden sollte. Man rechnete mit Baukosten von 5.000 Gulden. Der Stadtvorstand jedoch lehnte dies ab und bot einen Platz vor dem Hanauer Tor an. Dies wiederum lehnte die Judengemeinde dankend ab und erneuerte die Bitte auf den Schlossplatz. Am 8. Dezember 1868 lehnte die Stadt dies endgültig ab. Damit kam es zu keinem Neubau in Babenhausen.12

Im März 1872 predigte der Offenbacher Rabbiner Dr. Formstecher in der Synagoge zu Babenhausen über die Bedeutung des Judentums und warnte vor dem Bau luxuriöser Synagogen. Die Gemeinde Babenhausen war die erste im Rabbinatsbezirk Offenbach, die sich den orthodoxen Gemeinden der Provinz Starkenburg anschloss.13

Am 18. Juni 1900 stahl ein zehnjähriger Junge die Opferbüchse aus der Synagoge.14 Am 19. Mai 1935 wird die Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in der Synagoge enthüllt.15

Der Novemberpogrom 1938 machte auch vor der Synagoge in Babenhausen nicht halt. Bei der „Erfolgsmeldung“ der Standarte 186 heißt es unter der lfd. Nr. 7 Babenhausen: Inneneinrichtung zertrümmert. Fritz Klein, Bürgermeister in Babenhausen von 1932 bis 1945 sowie von 1952 bis 1960, schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „In der Kristallnacht habe ich die Synagoge bewachen lassen, damit sie nicht in Brand gesteckt wurde. Man hatte zwar das Inventar zerschlagen und rituelle Gegenstände ins Rathaus gebracht. Beim Rathausbrand (Anm.: 1945) ging dann alles verloren. In der Kristallnacht wurden die Häuser und Wohnungen geplündert, aber es waren vorwiegend auswärtige Leute aus dem Rodgau, und wie man hört, waren es vorwiegend Leute, die bei Juden noch zu bezahlen hatten. […] Die SA hatte ein Anzahl Juden ins Rathaus gebracht und dort in den Zellen eingesperrt.“16

Die Jüdische Gemeinde von Babenhausen hatte mindestens seit dem Jahre 1937 bei der Hessischen Versicherungsanstalt in Darmstadt über 668 Reichsmark Schulden, So hatte bereits am 29. Oktober 1937 die Versicherungsanstalt dem Dieburger Kreisamt einen Pfändungsbefehl geschickt. Am 25. Januar 1938 wurde von Darmstadt angemahnt, am 26. März 1938 wurde in einer Antwort empfohlen, doch einen Antrag auf Zwangsversteigerung zu stellen. Die Zwangsversteigerung wurde vom Amtsgericht Seligenstadt am 19. September 1938 auf den 29. November 1938 angeordnet. Sie sollte im Rathaus Babenhausen stattfinden. Der Brandversicherungswert betrug 8.270 Mark. Der eingetragene Schätzwert im Grundbuch betrug für die Hofreite 4.500 Reichsmark. Ob die Zwangsversteigerung auch stattgefunden hat, konnte nicht geklärt werden. Sicher ist nur, dass das Grundstück Ende 1938 in anderen Besitz übergegangen ist. Am 4. November 1959 schrieb Bürgermeister Fritz Klein an die „Jewish Restitution Successor Organization“ in Frankfurt, dass die drei Vorstandsmitglieder der Jüdischen Gemeinde, Karl Kahn, Emil Katten und Albert Frank, das Anwesen in der Amtsgasse Nr. 16 im Jahre 1938 an die Eheleute Heinrich Willand I. und Ehefrau Justine verkauft hätten. Es habe aus einem älteren Wohnhaus und einem Nebengebäude, der Synagoge, bestanden. Nach Kriegsende sei noch eine Nachzahlung geleistet worden.17 20 Jahre zuvor hatte Klein als Bürgermeister dem Landratsamt geschrieben, dass die hiesige Synagoge von dem Weißbindermeister Heinrich Willand käuflich erworben und als Werkstatt umgebaut worden sei.18

Offiziell wechselte das Grundstück am 15. Mai 1940 für 3.200 Reichsmark den Besitzer. Nach dem Brandkatasterverzeichnis wird 1942 als Grundstückseigentümer die Reichsvereinigung der Juden angegeben und erst 1943 Heinrich Willand Ehl. Das Haus wird zum Wohnhaus mit Maler-Werkstatt umgebaut, später abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Nur noch ein Fenster erinnert an die ehemalige Synagoge. Seit 2016 erinnert ein in den Boden eingelassenes bronzenes Gedenkband mit Inschrift an den Standort der ehemaligen Synagoge.19

Die Architektin Thea Altaras hatte in den 1980er Jahren Untersuchungen an den Restbeständen vorgenommen und dabei festgestellt, dass der Haupteingang der Männer am Südwestgiebel lag, der Fraueneingang zur Empore war gegenüberliegend. Im nahegelegenen Haus waren im Erdgeschoss zwei Räume für die Schule, darüber befand sich die Wohnung von Lehrer Sally Katz.20

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Nach dem Verkauf des Badhauses, es war das Haus Nr. 282, errichtete im Jahre 1873 die israelitische Gemeinde ein Frauenbad, das später unter Amtsgasse 56 bzw. 52 firmierte. 1936 wurde das Gebäude Friedrich Würth überschrieben, am 13. August 1987 erfolgte der Abriss der Überreste, um Platz für ein Wohnhaus zu schaffen.

Schule

Von 1907 bis 1935 wirkte Lehrer Sally Katz in Babenhausen. Er lebte im jüdischen Schulhaus. Sally Katz stammte aus Guxhagen, absolvierte das Lehrerseminar in Köln und fand seine erste Anstellung in Vilbel. Danach wirkte er in Windecken, ehe er nach Babenhausen kam. Er starb 1939 in Frankfurt.

Cemetery

Ursprünglich wurden die Babenhäuser Juden wohl in Frankfurt beerdigt. Später war es, zumindest seit der zeitweiligen Übertragung von Stadt und Burg an Kurzmainz 1636 der jüdische Friedhof in Dieburg gewesen. Dies weisen die Dieburger Stadtrechnungen aus. Die letzte Beisetzung eines Juden aus Babenhausen in Dieburg ist in der Rechnung 1691/92 verbucht.21 Der älteste erhaltene Grabstein auf dem neu angelegten Babenhäuser Friedhof stammt aus dem unmittelbar folgenden Jahr 1692. Die Begräbnisstätte wurde auf einem Gelände etwa 600 Meter nordöstlich der Stadt angelegt. Das Gelände wurde in der Folgezeit immer wieder vergrößert und umfasst heute 2.228 Quadratmeter. Der nicht mehr genutzte Friedhof liegt, umschlossen von Zaun und Buschhecken, inzwischen mitten in einem Neubaugebiet. Beerdigt wurden hier die Juden von Hanau-Lichtenberg aus dem ehemaligen Amt Babenhausen. Der letzte Grabstein aus der NS-Zeit ist aus dem Jahre 1937 (Selma Kahn, verstorben mit 43 Jahren). 1946 fanden noch zwei Beerdigungen von jüdischen Kindern aus dem DP-Lager in Babenhausen statt.22 Dabei wurde für ein Kind ein Grabstein gesetzt, von der zweiten Beerdigung wissen wir nur durch den Gehaltszettel des Totengräbers.

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Babenhausen, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen
Babenhausen, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Fromman · Isaak · Kalman · Rechlin · Ysaag · Daniel · Lazarus · Salomon Juck · Hanau-Lichtenberg, Graf Philipp von · Fuld, Hermann · Kahn, Isidor · Arnsberg, Max · Kahn, David · Hecht, Mayer · Fuld, Isaak · Idstein, Isaak · Firmstecher, Dr., Rabbiner · Klein, Fritz · Kahn, Karl · Katten, Emil · Frank, Albert · Willand, Heinrich · Willand, Justine · Ehl, Heinrich Willand · Altaras, Thea · Katz, Sally · Würth, Friedrich · Kahn, Selma

Places

Harpertshausen · Klein-Altheim · Klein-Umstadt · Sickenhofen · Offenbach am Main · Dieburg · Darmstadt · Frankfurt am Main · Köln · Bad Vilbel · Windecken

Sachbegriffe Geschichte

Zehntrechte · Pestzeit · Zollfreiheit · Handelsfreiheit · Erster Weltkrieg · Babenhausen, Männer-Krankenverein · Babenhausen, Frauen-Krankenverein

Fußnoten
  1. Franz/Wiesner 2009
  2. Gudian 1988, S. 18
  3. StadtA Babenhausen XIII/1,4
  4. Gedenkbuch 1932
  5. Gudian 1988, S. 18-19
  6. Gudian 1988, S. 19
  7. Delorme 1985, S. 44, 53, 70
  8. Sahm 1991
  9. Wittenberger 1988
  10. Fischer 1993
  11. Fischer 1993
  12. StadtA Babenhausen XV/146, 22; Wittenberger 1988
  13. Der Israelit, Jg. 13 vom 27.3.1872, S. 283 (s. Weblink oben)
  14. Wittenberger 1988
  15. Der Israelit, Jg. 76 vom 23.5.1935, S. 10 (s. Weblink oben)
  16. Klein 1988
  17. Wittenberger 1988
  18. HStAD, G 15 Dieburg, L 10
  19. Fischer 1993
  20. Altaras 1983
  21. Franz/Wiesner 2009
  22. Lötzsch/Wiesner 1988
Recommended Citation
„Babenhausen (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/88> (Stand: 27.2.2023)