Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Leeheim Karten-Symbol

Gemeinde Riedstadt, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1756

Location

64560 Riedstadt, Ortsteil Leeheim, Klappergasse 1 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II, seit 1931: Darmstadt I

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1945

Art des Verlusts

Kriegshandlungen

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Der bislang älteste Hinweis auf einen jüdischen Einwohner Leeheims entstammt einer Prozessakte von 1756/57 in Zusammenhang mit einem Viehhandel, an dem auch Josef Getschel aus Leeheim beteiligt war.1

Nachrichten über jüdische Familien in Leeheim verdichten sich aber erst mit Anlage eines Geburtsverzeichnisses im Jahr 1791, als am 21. Juni 1791 der dritte Sohn von Abraham Elias geboren wurde und den Namen Gerson Abraham erhielt. Etwa zur gleichen Zeit wurden Josef Bär, Matthäus Eli, der Schutzjude Göttschel und Löw Joseph als Väter genannt. Es werden also fünf jüdische Familien in Leeheim gelebt haben.2

Bis 1830 wuchs die Zahl auf 41 jüdische Einwohner, 1861 erreichte sie mit 45 ihren höchsten Stand, was 4,3 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte. Zumindest in dieser Zeit wurden die Kinder von einem eigenen Lehrer unterrichtet.

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte die Gemeinde zum orthodoxen Rabbinat Darmstadt II, trat aber mit Beginn des Rechnungsjahres 1931 zum Rabbinat Darmstadt I über.3 Zu diesem Zeitpunkt bestand die Gemeinde noch aus vier Familien.

Die Familien lebten vom Handel. Familie Moses unterhielt auf ihrem Grundstück seit 1886 eine Gemischtwarenhandlung und handelte auch mit Vieh.4 Sie verkauften1936/37 ihren Besitz in der Kirchstraße 13 und wanderten in die USA aus.5

1931 verkaufte die Witwe Regenstein ihr Haus in der Erfelder Straße 21 und verzog in das Haus Geinsheimer Straße 7, das einem der Söhne aus erster Ehe ihres Mannes gehörte, der es aber nicht selber bewohnte. Auch dieses Haus wurde 1936/37 veräußert, nachdem die Familie aus Leeheim ausgezogen war.6

Elias Kornsand betrieb seit 1922 Handel mit Landprodukten7 und lebte im Haus Klappergasse 5. Auch diese Familie konnte vor dem Holocaust in die USA auswandern.

Die Familie Löwenthal wohnte Hauptstraße 50, ein Haus, das seit 1794 in jüdischem Besitz stand. Nach dem Tod von Sally Löwenthal wanderte dessen Witwe mit zwei Kindern ebenfalls in die USA aus. Das Haus wurde zunächst an einen Privatmann verkauft, später ging es an die Gemeinde über, die es umbaute und als Gemeindeverwaltung nutzte.8 Hier befanden sich auch große Teile des Gemeindearchivs, das gegen Ende Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört wurde.

Anfang 1937 beschlossen die verbliebenen Mitglieder, die jüdische Gemeinde Leeheim aufzulösen.9

Betsaal / Synagoge

Um 1800 gab es fünf jüdische Familien im Ort. Damit könnte ein Minjan beinahe erreicht und das Vorhandensein einer Synagoge wahrscheinlich werden. Sicher ist, dass die Gemeinde seit 1855 in der Klappergasse 1 ein Synagogengebäude unterhielt.10 Es war ein einstöckiges, traufständiges Gebäude. Über der straßenseitigen Traufwand erhob sich ein mächtiges Zwerchhaus, das Dachgeschoss barg eine Mietwohnung. Zunächst hatte es Johannes Hofmann gehört, 1839 übernahm es die politische Gemeinde Leeheim, von der es 1855 die israelitische Gemeinde erwarb.

Nachdem Anfang 1937 die Gemeinde aufgelöst worden war, wurde die Synagoge für 2.500 Reichsmark an das Ehepaar Ernst Ludwig Dörr verkauft, das bereits das Dachgeschoss bewohnte. Der Erlös, so wurde festgelegt, sollte dem Landesverband der Israelitischen Religionsgemeinden Hessen in Mainz zugute kommen.11 Die vorhandenen Kultgegenstände, wie drei Thorarollen, ein Lesefinger und eine nicht bezifferte Anzahl an Bänken, sollte zunächst ebenfalls in dessen Besitz übergehen, wurden dann aber in die Synagoge in Groß-Gerau verbracht, wo sie in der Pogromnacht verbrannten.

Da der Verkauf der Synagoge bereits bis November 1937 auch formal vollzogen war, wurde sie in der Pogromnacht nicht überfallen. Sie fiel, wie viele andere Gebäude in der Ortsmitte auch, Kriegshandlungen im Mai 1945 zum Opfer und brannte vollständig aus. Später erwarb die Molkereigenossenschaft Groß-Gerau das Grundstück und errichtete dort eine Milchsammelstelle.12

Weitere Einrichtungen

Schule

Um 1861 unterrichtete ein bei der Gemeinde angestellter Lehrer die Kinder.

Cemetery

Die Verstorbenen wurden auf dem Friedhof Groß-Gerau bestattet.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Josef Getschel · Abraham Elias · Gerson Abraham · Josef Bär · Matthäus Eli · Göttschel · Löw Joseph · Moses, Familie · Regenstein, Witwe · Kornsand, Elias · Löwenthal, Familie · Löwenthal, Sally · Hofmann, Johannes · Dörr, Ernst Ludwig

Places

Mainz · Groß-Gerau

Sachbegriffe Geschichte

Pogromnacht

Sachbegriffe Ausstattung

Bänke · Lesefinger · Thorarollen

Sachbegriffe Architektur

Traufwände · Zwerchhäuser

Fußnoten
  1. HStAD R 21 J, 2371
  2. HHStAW 365, 544
  3. HStAD Q 2, 43
  4. HStAD G 15 Groß-Gerau, R 113
  5. Die jüdischen Familien in Leeheim
  6. Die jüdischen Familien in Leeheim
  7. HStAD G 15 Groß-Gerau, R 86
  8. Die jüdischen Familien in Leeheim
  9. HStAD Q 2, 43
  10. Die jüdischen Familien in Leeheim.
  11. HStAD Q 2, 43
  12. Die jüdischen Familien in Leeheim
Recommended Citation
„Leeheim (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/41> (Stand: 22.7.2022)