Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Naumburg Karten-Symbol

Gemeinde Naumburg, Landkreis Kassel — Von Volker Knöppel
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1503

Location

34311 Naumburg, Graf-Volkwin-Straße 9 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Niederhessen (Kassel)

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Im Jahr 1503 wird erstmals ein jüdischer Bewohner in Naumburg genannt. Seit dem 1. Viertel des 18. Jahrhunderts wohnen jüdische Familien ständig in Naumburg. Sie stehen unter dem besonderen Schutz des Erzbischofs von Mainz. In den Rentereirechnungen des Amtes Naumburg werden in der Mitte des 18. Jahrhunderts acht Schutzjuden mit ihren Familien aufgeführt. Der dem Aaron Moyses im Jahr 1775 erteilte Schutzbrief ist erhalten geblieben.1

Naumburg war eine relativ große Synagogengemeinde, zu der auch die jüdischen Bewohner in Altenstädt und Elben gehörten, zeitweise auch in Altendorf und Martinhagen, auch in Balhorn.2 Dagegen gehörten die jüdischen Bewohner des heutigen Naumburger Stadtteils Heimarshausen zur Synagoge in Riede. Im Jahr 1861 gab es nach der kurhessischen Volkszählung 65 jüdische Einwohner in Naumburg. Nach der Rechnung des gleichen Jahres hatte die Naumburger Synagogengemeinde insgesamt 111 Mitglieder, d. h. 46 jüdische Mitglieder leben nicht in der Stadt Naumburg. In den Jahren 1845 bis 1856 lag die Mitgliederzahl der Synagogengemeinde über 140, ab 1868 lag sie unter 80, mit weiter sinkender Tendenz.3

Die Juden in Naumburg betrieben in der Mitte des 19. Jahrhunderts Handel und Nothandel.4 Bär Bamberger betrieb 1858 ein zünftiges Metzgerhandwerk, Moses Franck lebte von seinen Kapitalzinsen, zwei jüdische Bewohner betrieben geringen Landbau bzw. Ackerbau, zwei jüdische Bewohner lebten von der Unterstützung ihrer Familienangehörigen. Im Jahr 1913 gehörten nach den Kategorien des preußischen Drei-Klassen-Wahlrechts zwei jüdische Kaufleute und ein Viehhändler zur 1. Klasse, der Lehrer Grünstein und der Metzger Appel zur 2. Klasse und ein Handelsmann, ein Kaufmann und ein Metzger zur 3. Klasse.5

In der NS-Zeit geht die jüdische Bevölkerung in Naumburg von 37 im Januar 1933 auf 30 im September 1937 zurück, mit je einem Auswanderungsfall in den Jahren 1934 und 1936. Auswanderungen einzelner Familienangehöriger u.a. nach Argentinien, Frankreich, Niederlande sind dokumentiert. 22 Gemeindeglieder starben in Ghettos oder wurden in den Vernichtungslagern ermordet.6

Jüdisches Leben ist noch einmal kurz in den Jahren 1944/45 mit den Ereignissen um das Lager im Tonloch von Elben im Gebiet des heutigen Naumburger Stadtteils Elbenberg verbunden.7

Als herausragende Persönlichkeiten sind zu nennen:

Hermann Bien, Rabbi und Autor, wurde 1831 als ältester Sohn des Lehrers Emanuel Bien aus 2. Ehe in Naumburg geboren. Er wanderte 1854 in die USA aus und ließ sich zunächst in San Francisco nieder, wo er eine jüdische Schule gründete und bis 1860 Rabbi war. Dann ging er nach Virginia City in Nevada, wo er eine Schule organisierte und von 1863-1865 zum state legislature gewählt wurde. Danach gab er in New York die jüdische Wochenzeitung „The Progres“ heraus, war einige Jahre Händler in Port Henry/New York, 1881-1885 Rabbi in Chicago. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Vicksburg, wo er 1895 starb.8

Zu den bekanntesten Juden aus Naumburg zählt Julius Bien, der Sohn des vorgenannten jüdischen Lehrers Emanuel Bien aus 1. Ehe. Paul Arnsberg erwähnt ihn in seinem zweibändigen Werk über die jüdischen Gemeinden in Hessen im Artikel über Naumburg als bedeutende Persönlichkeit.9 Julius Bien erhielt eine Ausbildung an der Modeakademie in Kassel und bei Prof. Moritz Daniel Oppenheim am Staedel-Institut in Frankfurt a.M. 1848 wanderte er in die USA aus, nachdem er sich in Deutschland an den revolutionären Unruhen beteiligt hatte. In den USA machte er sich als Grafiker einen Namen, seine Lithographien wurden wegen ihrer künstlerischen Qualitäten gerühmt.10 Er war Eigentümer einer der bedeutendsten lithographischen Anstalten der Welt. Der Firmensitz der „Julius Bien Company“ war in 140-142 Sixth Avenue in New York. Dort stand in der W. Thirty Eighth Street auch das „Been Building“, ein 12stöckiges Hochhaus. Julius Bien war von 1886 bis 1896 Präsident der „National Lithographers‘ Association“. Er starb am 21.12.1909 in New York.11

Schließlich ist Dr. Max Spittel zu nennen, Senatspräsident am Kammergericht Berlin, Sohn des in Naumburg geborenen und nach Aachen ausgewanderten Nathan Spittel, *Aachen 1876, ermordet 1942 in Riga; Stolperstein Berlin.12Dessen Sohn Harold Spittel, der nach Australien ausgewandert war, hat dem Geschichtsverein Naumburg zahlreiche Dokumente zur Familiengeschichte und auch den Schutzbrief aus 1775 zur Verfügung gestellt.13

Betsaal / Synagoge

Der südliche Gebäudeteil mit Giebel zur Straße wurde durch den Händler Salomon Moises in den Jahren 1793/95 als Synagoge mit 50 Männer- und 29 Frauenplätzen errichtet. Auf der daneben liegenden unbebauten Hausparzelle entstand 1845 ein Anbau mit Lehrerwohnung. Die Gebäude trugen die Hausnummern B 18 und B 19. Der ältere Gebäudeteil des heutigen Doppelhauses - die ehemalige Synagoge oder Judenschule - steht mit dem Giebel zur Straße. Das Gebäude wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts als „Synagoge nebst Wohnhaus für den Lehrer und einer daran liegenden Feuerstelle“ genutzt.14 Nach dem Stadtplan von 1808 befand sich neben dieser „Juden Schul“ noch ein „wüster Hausplatz“.

Die Naumburger Synagoge gehört zum Typ der sogenannten „Fachwerksynagogen“. Diese sind in den Landgemeinden häufig in sehr schlichter Form ausgeführt worden. In der Kombination mit weiteren Nutzungen, insbesondere als Wohnhaus für Gemeindebedienstete und als Schule waren sie nach außen von Wohnhäusern oft nicht zu unterscheiden. Die einfachen Fachwerksynagogen sind wohl auf die geringe Finanzkraft der kleinen jüdischen Landgemeinden zurückzuführen.

Das Inventar der Synagoge ist als Anlage zur Rechnung der Synagogengemeinde für das Jahr 1857 überliefert.15 In der „Männer-Synagoge“ werden der Thoraschrank, „zehn Bänke mit 40 numerierten Plätzen zum Sitzen und Pulten davor, sowie für jeden Platz eine Schublade“ aufgeführt, dazu verschiedene „Messinge Geräthe“. In der „Frauen Synagoge“ befinden sich sechs feststehende Bänke mit 27 numerirten Plätzen und verschiedene „Messinge Geräthe“. Nach dem Brandkataster von 1884 wird als Inventar aufgeführt: „a) ein Wandschrank mit einer Uhr und den israelitischen Gesetzestafeln, einer Bronzekrone und zwei Löwen, b) ein Vorlesetisch mit Sitzkasten nebst Galerie-Einfriedigung, c) 20 lfd. mtr. Bänke à 6 Mark, d) eine Emporbühne mit Armbrüstung mit 15 lfd. mtr. Bänken“.16

Die jüdische Gemeinde findet mit den Ausschreitungen am 11. November 1938 ein jähes Ende. Am Abend des 11.11.1938 wird der rückwärtige Gebäudeteil mit der Synagoge angezündet, demoliert und später abgerissen.17 So habe ich es auch in der mündlichen Überlieferung gehört. „Das Gebäude der Synagoge und Judenschule … wurde in jener Nacht gestürmt. Der im hinteren Gebäudeteil befindliche Betsaal wurde in dieser Nacht zerstört und mit Axthieben die beiden Säulen der Holzkonstruktion des zweistöckigen Anbaus zunächst zum Einsturz gebracht und noch in der gleichen Nacht wurde der Betsaal völlig abgerissen. Ein Naumburger soll eine Brandfackel in das Gebäude geworfen haben. Widersprüchliche Nachrichten sind darüber überliefert, ob in dem Gebäude auch Feuer ausgebrochen ist.“18 Am darauffolgenden Tag durften die jüdischen Schulkinder nicht mehr die Schulräume der katholischen Volksschule betreten.19 Im Jahr 1943 beabsichtigten die neuen Hauseigentümer, „die durch Brand zerstörte Giebelwand nach anliegenden Zeichnungen auszuführen. Hierdurch werden im Erdgeschoss und Obergeschoss die jetzt unbenutzbaren Räume wieder bewohnbar.“20

Die Thorarolle konnte vor der Vernichtung bewahrt und von der Familie Kaiser-Blüth nach Argentinien gerettet werden.21

Am 14. November 2004 wurde eine Gedenktafel am ehemaligen Synagogengebäude mit folgender Inschrift angebracht: „Baudenkmal. Gedenke / Von 1503 bis 1938 haben Juden in Naumburg gelebt./ Von 1795 bis 1938 war dies die Synagoge.“22 Heute wird das Gebäude als Wohnhaus genutzt.

Für Karoline Grünstein, die Witwe des Lehrers und Kantors Levy Grünstein wurde am 17. März 2014 vor dem ehemaligen Synagogengebäude ein Stolperstein durch den Künstler Gunter Demnig verlegt.23 Die „Initiative Stolpersteine für Naumburg“ ließ im Jahr 2014 vor sieben Häusern Stolpersteine verlegen.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Jahr 1833 gab es in Naumburg zwei Frauenbäder, die aber beide in einem schlechten Zustand waren. 1836 schlossen die Gemeindeältesten Moses Frank und Isaak Spittel mit dem Kaufmann Markus Spittel einen Pachtvertrag, wonach das Frauenbad in einem halben Hinterhaus in der Eisgasse angelegt werden sollte. Zu dieser Zeit soll es „schon seit mehr als 100 Jahren diese Einrichtung“ geben.24 1857 ist das Frauenbad im Synagogengebäude untergebracht, im Inventarverzeichnis der Synagogengemeinde wird es mit einem neuen Zirkulierofen und einem großen eisernen Kessel aufgeführt. Letztmals wird das Frauenbad erwähnt, als im März 1923 die Gemeindeältesten Isaak Wertheim und Siegmund Kaiser-Blüth bei der Stadt Naumburg „um Gratisüberweisung von Buchenholz zwecks Heizung von Lehrerwohnung, Schule und Badraum“ für 1923/24 bitten. Die Stadtverordnetenversammlung bewilligt am 28. Mai 1923 als einmaligen Zuschuss für das laufende Jahr der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde je sechs Meter Derbholz und der israelitischen Gemeinde vier Meter Derbholz.25

Schule

Kurz nach der Erbauung der Synagoge 1793/95 wird am Ort auch eine Schule erwähnt. In der Stadtkarte von 1808 ist das Synagogengebäude als Judenschule benannt. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wächst die jüdische Gemeinde. 1840 sind es 23 schulpflichtige Jungen und 17 schulpflichtige Mädchen. Wegen der großen Schülerzahl wird 1844 der Bauplatz neben der Synagoge als Standort für den Neubau der jüdischen Schule ausgewählt. Fertiggestellt wird das Gebäude 1845 mit einem Schulsaal und einer Lehrerwohnung, hier findet der Elementar- und der Religionsunterricht statt. Um 1880 geht die Mitgliederzahl der Synagogengemeinde deutlich zurück, zum 1. April 1891 wird die Schule als nicht mehr lebensfähig aufgehoben. 1910 werden in der katholischen Schule mit 180 Schülern zehn israelitische Schüler unterrichtet.26

Der erste namentlich bekannte Lehrer ist Jacob Bamberger, der von ca. 1806 bis zu seinem Tode im Jahr 1814 unterrichtet. Die Witwe Bamberger wohnte danach weiterhin in der Lehrerwohnung und erhält zudem einen Teil des Lehrergehalts, wenn sie dafür den jeweiligen Lehrer in Kost nimmt. Am 17. Juli 1820 wird Moses Müller für drei Jahre als Kantor, Schächter und Lehrer angestellt. Im Anstellungsvertrag ist vereinbart, dass er die unterste Stube und die obere Stube mit Bett bewohnt. Dagegen hat die Witwe Bamberger mit ihren Kindern den übrigen Teil der Wohnung mit zwei Pflanzörtern für sich. Sie verköstigt den Lehrer dreimal am Tag und bekommt das Schulgeld, zwei Reichstaler für die Jungen und einen Reichstaler für die Mädchen. Der Lehrer erhält 25 Reichstaler Eigengeld, die Witwe 15 Reichstaler. Schlachtet der Lehrer, erhält die Witwe außerdem das sogenannte Jägerrecht, das aus bestimmten Teilen des geschlachteten Tieres besteht. Damit soll die Versorgung der Lehrerswitwe sichergestellt werden. Als kurz vor Ablauf der dreijährigen Probezeit bekannt wird, dass Müller sich um eine feste Anstellung bemüht und er auch heiraten will, vermutet der Gemeindeälteste Isaak Spittel, dass der Lehrer die Witwe verdrängen will. „Zwei Familien könnten aber in der Lehrerwohnung nicht Platz finden, die Bambergers Witwe gedenke aber die Judenschaft nicht zu verstoßen, und deshalb müsse der Lehrer, den die Judenschaft annehme, ledigen Standes sein und bleiben.“ Müller hat aber nur wenige Fürsprecher in der eigenen Gemeinde, die seine schulischen Leistungen loben und eine feste Anstellung befürworten. Der Anstellungsvertrag wird daraufhin von der Gemeinde nicht erneuert.

Um 1824 ist Lehrer Weinstein an der Schule tätig. Im Mai 1827 wird Lehrer Emanuel Bien mit der Stelle betraut und im Februar 1830 von der Gemeinde fest angestellt.27 Bien ist im Jakob‘schen Institut in Seesen/Harz ausgebildet worden. Er heiratet am 11.5.1830 in Naumburg seine zweite Frau Esther Littau, mit der er neun Kinder haben wird.28 Sein Sohn Julius aus erster Ehe, der an der Modeakademie in Kassel und am Staedel-Institut in Frankfurt ausgebildet wird, wandert 1849 in die USA aus und wird dort als Grafiker berühmt.

Während Biens Dienstzeit wird das Gebäude für die jüdische Schule in den Jahren 1844/45 errichtet. Bien regt 1839 zudem an, die jüdischen Schulmädchen in die weibliche Industrieschule aufzunehmen und dabei nicht weiter zwischen Christen und Juden zu unterscheiden. Während Landrat Schwarzenberg diesen Antrag unterstützt, spricht sich der katholische Pfarrer Ofenstein dagegen aus, solange das Schullokal nicht vergrößert und eine zweite Industrielehrerin angestellt wird. Daraufhin wird Biens Antrag am 9. März 1839 in Kassel zurückgewiesen: Da eine israelitische Volksschule bestehe und die weibliche Industrieschule ein Teil der christlichen Volksschule sei, stehe den israelitischen Schulmädchen ein Recht auf Teilnahme am dortigen Unterricht nicht zu.29 Eine eigenständige israelitische Industrieschule wird daraufhin nicht eingerichtet. Nachdem Bien 30 Jahre lang als Lehrer in Naumburg tätig gewesen ist, wandert er 1857 wie zwei seiner Söhne mit seiner Familie ebenfalls in die USA aus.

Ab Oktober 1857 versieht Eliser Gutkind, geboren in Zierenberg, die Schulstelle und wird 1859 fest angestellt, vorher war er Lehrer in Mollenfelde. Er heiratet am 27.10.1859 in Wolfhagen Rikchen Tannenbaum, in Naumburg werden drei Söhne geboren. Ab Juli 1866 ist Lehrer Moses Levi aus Ronshausen hier tätig. Am 25.5.1869 heiratet er Rachel Lilienfeld. Im April 1871 wechselt er als Lehrer und Vorsänger an die israelitische Schule in Hofgeismar. Ab Januar 1872 versieht Nathan Jaffa aus Heinebach die Schulstelle. Er ist mit Helene Sommer verheiratet. Im Juli 1877 folgt ihm Simon Schön, der ab 1882 fest angestellt wird.30Er ist der letzte Lehrer an der jüdischen Elementarschule in Naumburg. Durch Verfügung der Königlichen Regierung vom 31.12.1890 wird die jüdische Schulstelle zum 1.4.1891 als nicht mehr lebensfähig aufgehoben.

Nach der Auflösung der Elementarschule stellt die Synagogengemeinde auf vertraglicher Ebene Religionslehrer ein. Von 1891 bis 1894 ist Lehrer Heiser Religionslehrer und Vorbeter. Ab dem 24.1.1894 übernimmt Levi Grünstein aus Gudensberg diese Stelle. Die Gemeinde bringt das Gehalt in Höhe von 750 Mark nebst freier Wohnung und Feuerung auf.31 Von 1928 bis ca. 1937 hat Lehrer Katzenstein die Stelle inne.32 Zuletzt soll der Gemeindeälteste Wertheim diese Aufgabe wahrgenommen haben.

Cemetery

In den Gemeinderechnungen der Naumburger Synagogengemeinde werden 1827 zwei Totenhöfe erwähnt. Die Lage des älteren Totenhofs lässt sich nur annähernd erschließen, da im Naumburger Lagerbuch von 1801 ein zehntfreier Acker auf der Wanne erwähnt wird, der „am Judentotenhof“ lag. Der heute in einem Kleingartengelände gelegene jüdische Friedhof hinter dem Kleinen Berg nahe der Elbe wurde wohl 1826 mit einer Mauer und zwei Torpfeilern errichtet, der linke Torpfeiler trägt diese Jahreszahl. 1863 und 1866 wird der Friedhof durch den Ankauf von Nachbargrundstücken mehrmals vergrößert, und anstelle einer Mauer werden die hinzu erworbenen Flächen nun mit einer Hecke eingefriedet.33 Der Friedhof hat 1938 eine Gesamtfläche von 1.324 Quadratmetern.34 Bestattet wurden auf diesem Friedhof die zur Synagogengemeinde gehörenden Toten aus Naumburg, Elben, Altenstädt und Martinhagen. Das darüber geführte Totenregister von 1823 bis 1883 ist als Abschrift im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden erhalten geblieben.35 Die Belegung des Friedhofs wird auch durch ein Grabsteinverzeichnis dokumentiert, das von Jacob Frankenberg und Aron Hahe aus Kassel am 29./30.4. und 6.5.1941 aufgestellt wurde.36 Es führt 48 aufrecht stehende Grabsteine mit Inschriften in deutscher und/oder hebräischer Sprache auf, heute sind nur noch 18 Steine vorhanden. Davon sind einige beschädigt, Inschriftenfelder sind herausgebrochen, andere sind ausgebessert worden. Anscheinend hat man einige Steine auch als Baumaterial verwandt, denn im Sommer 1998 sind auf dem Lesesteinsammelplatz des Ortsteils Altenstädt zwei Brocken von zerschlagenen Grabsteinen abgeladen worden.37

Während der amerikanischen Besatzungszeit waren ehemalige „Parteigenossen“ dazu verpflichtet worden, den verwüsteten Friedhof wieder instand zu setzen. Ein Steinmetz aus Kassel soll den Gedenkstein mit hebräischer und deutscher Inschrift gefertigt haben. Die Inschrift dieses aus drei Teilen zusammengesetzten Gedenksteins, der inzwischen auch schon wieder Spuren mutwilliger Beschädigungen trägt, ist damals leider fehlerhaft ausgeführt worden und wird nachfolgend mit Klammerzusatz ergänzt: „Hier ruhen / die Gebeine der Juden / aus Naumburg / Zeuge sei dieser Grabstein / (für alle Steine) die einst an diesem Orte standen / und durch Nazi Terror / vernichtet wurden“.

Naumburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Aaron Moyses · Bamberger, Bär · Franck, Moses · Grünstein · Appel · Bien, Hermann · Bien, Emanuel · Bien, Julius · Oppenheim, Moritz Daniel · Spittel, Max · Spittel, Nathan · Spittel, Harold · Salomon Moises · Kaiser-Blüth, Familie · Grünstein, Karoline · Grünstein, Levy · Demnig, Gunter · Frank, Moses · Spittel, Isaak · Spittel, Markus · Wertheim, Isaak · Kaiser-Blüth, Siegmund · Bamberger, Jacob · Müller, Moses · Bamberger, Jacob, Witwe des · Weinstein · Littau, Esther · Schwarzenberg, Landrat · Ofenstein, Pfarrer · Gutkind, Eliser · Tannenbaum, Rikchen · Lilienfeld, Rachel · Sommer, Helene · Jaffa, Nathan · Schön, Simon · Heiser · Grünstein, Levi · Katzenstein · Wertheim · Frankenberg, Jacob · Hahe, Aron

Places

Altenstädt · Elben · Altendorf · Martinhagen · Balhorn · Heimarshausen · Riede · Argentinien · Frankreich · Niederlande · Elbenberg · USA · San Francisco · Virginia City · Nevada · New York · Port Henry · Chicago · Vicksburg · Kassel · Frankfurt am Main · Berlin · Aachen · Riga · Australien · Seesen · Zierenberg · Mollenfelde · Wolfhagen · Ronshausen · Heinebach · Gudensberg

Sachbegriffe Geschichte

Ghettos · Vernichtungslager · Elbenberg, Lager im Tonloch · Stolpersteine · Jägerrechte

Sachbegriffe Ausstattung

Thoraschränke · Wandschränke · Uhren · Gesetzestafeln · Bronzekronen · Löwen · Vorlesetische · Thorarollen

Sachbegriffe Architektur

Fachwerksynagogen · Emporbühnen

Fußnoten
  1. Knöppel, Schutzbrief des Aaron Moyses; Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S. 11 f.
  2. Höck, Jüdische Bevölkerung im Kreis Wolfhagen, S. 9
  3. Auswertung der Rechnungen der Synagogengemeinde Naumburg 1827-1882, die Rechnungen 1883-1937 nennen keine Mitgliederzahlen, HStAM Rechnungen II, Naumburg 9; s. auch die Angaben bei Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S.14 f.
  4. Höck, Jüdische Bevölkerung im Kreis Wolfhagen, S. 9
  5. Knöppel, Jüdische Gewerbetreibende, S. 28
  6. Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S. 45 ff.; Knöppel, Gedenkveranstaltung, S. 21 ff.
  7. Knöppel, Volker / Ritte, Hans: Das Lager im Tonloch von Elben, in: Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S. 59-68; Volker Knöppel. Das jüdische (Frauen-)Lager im Tonloch von Elben, in: Jahrbuch Landkreis Kassel 1996, S. 11-14
  8. Landman, The Universal Jewish Encyclopedia, Vol. 2, p. 349 f.
  9. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 113
  10. Johnson, Dictionary of American Biography, Vol. 2, 1929, p. 249 f.; Parker, in: The Journal of the American Medical Association, 5.11.1982, p. 2116
  11. Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S. 44; dort auf S. 101 ein Foto von Julius Bien; https://en.wikipedia.org/wiki/Julius_Bien
  12. http://hauseichkamp.de/stolpersteine/index.html; https://www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/1022
  13. Knöppel, Familie Spittel, S. 50 ff.
  14. HStAM Rechnungen II, Naumburg 9, 1827
  15. HStAM Rechnungen II, Naumburg 9, 1857 (Anlage B); abgedruckt in: Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S. 26 f.
  16. HStAM 224, 418
  17. Höck, Jüdische Bevölkerung im Kreis Wolfhagen, S. 12
  18. Knöppel, „…da war ich zu Hause“, S. 54
  19. Martin Dietrich hat als Schuljunge das Judenpogrom wahrgenommen und darüber im Jahr 2005 einen 10 Seiten umfassenden handschriftlichen Bericht erstellt; im Besitz des Verfassers
  20. StadtA Naumburg, Akte B 189
  21. Knöppel, Hauschronik, S. 334 f., dort Abb. der Thorarolle, 2019 in Belgrano/Buenos Aires
  22. Enthüllung einer Gedenktafel, in: Geschichtsverein Naumburg e.V., Mitteilungen 2004, S. 42-49
  23. Albrecht/Meuser, Stolpersteine (2014), in: Knöppel, Hauschronik, S. 417 ff.
  24. HStAM 180 Wolfhagen, 539
  25. StadtA Naumburg, Akte D 62/00
  26. Real-Schematismus des Bistums Fulda 1910, S. 84
  27. HStAM 180 Wolfhagen, 1506
  28. Personenstandsangaben aus HHStAW 365, 605
  29. HStAM 17 h, 1238: Lehrerinnenstelle an der katholischen Mädchenschule zu Naumburg, 1817-1843
  30. Kgl. Preuß. Staatsdienstkalender für den Regierungsbezirk Kassel 1882, S. 143, https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1395757445221_1882/167/LOG_0021/
  31. Katholische Schulchronik Naumburg, Bd. 1, S. 63
  32. HStAM, Rechnungen II, Naumburg 9
  33. HStAM Rechnungen II, Naumburg 9
  34. Knöppel, Friedhof Naumburg, S. 30; HStAM 180 Wolfhagen, 2313
  35. HHStAW 365, 605
  36. HHStAW 365, 603
  37. Die beiden Grabsteinreste wurden nach Rücksprache mit der Stadtverwaltung Naumburg der Judaica-Abteilung des Hofgeismarer Museums übergeben.
Recommended Citation
„Naumburg (Landkreis Kassel)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/276> (Stand: 23.7.2022)