Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5524 Weyhers
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Schmalnau Karten-Symbol

Gemeinde Ebersburg, Landkreis Fulda — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1693

Location

36157 Ebersburg, Ortsteil Schmalnau, Thalauer Straße 2 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Gersfeld (bis 1892); Fulda (ab 1892)

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1984

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Das heute etwa 1.125 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Dorf Schmalnau wurde um 900 erstmals erwähnt. Die Grundherrschaft lag bei der Abtei Fulda. Belehnt waren vor allem die Herren von Ebersberg. Im 17. und 18. Jahrhundert gehörte der Ort der Fürstabtei bzw. ab 1752 dem Fürstbistum Fulda. Das zuständige Verwaltungsamt war Weyhers. Von 1814 bis 1866 gehörte der Ort zum Königreich Bayern. Von 1867 bis 1932 gehörte Schmalnau zunächst zum Königreich, dann zum Freistaat Preußen; seit 1946 zum Land Hessen. Von 1804 bis 1933 lag der Ort im Amt Weyhers, das auch der Sitz des Landgerichts war. Seit 1933 lag das zuständige Amtsgericht in Gersfeld, seit 1945 in Fulda (Zweigstelle Gersfeld). 1971 wurde der Ort der neu gebildeten Gemeinde Ebersburg zugeordnet. Heute ist Schmalnau der Hauptort und Verwaltungssitz der aus insgesamt fünf Ortsteilen bestehenden Gemeinde.1

Die erste Erwähnung von Juden in Schmalnau geht auf das Jahr 1693 zurück, als Abraham aus Schmalnau als Schutzjude aufgeführt wird. Spätestens seitdem lebten kontinuierlich Juden am Ort. 1762 wurden im Zusammenhang mit Vermögenserfassungen sechs jüdische Familien verzeichnet. 1789 lebten in dem mehrheitlich katholisch geprägten Ort neun jüdische Familien mit 27 Angehörigen. 1801 wurden zehn, 1817 wurden acht Familien mit 35 Personen und um 1866 11 Familien notiert.2 1871 lebten 72 und 1885 67 jüdische Bürger und Bürgerinnen im Ort. Um die Jahrhundertwende, 1899, war ihre Zahl auf 90 angestiegen; schon 1905 war sie, wohl durch Landflucht, auf 67 und 1933 auf 53 Personen abgesunken.3 Nach diesen Daten lag ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung im Laufe von ca. 115 Jahren zwischen meist acht und 10,5 Prozent. Seit den 1920er Jahren verringerte sich dieser Anteil deutlich aufgrund des Wegzugs innerhalb Deutschlands. Seit 1932 emigrierten sechs jüdische Schmalnauer in die USA und sechs nach Palästina.4

Über die Gründungszeit der jüdischen Gemeinde liegen keine eindeutigen Daten vor. Vermutlich wurde sie bereits im 18. Jahrhundert gegründet. Zur jüdischen Gemeinde Schmalnau, vermutlich orthodox, zählten die jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem ca. vier Kilometer nordwestlich gelegenen Lütter und möglicherweise die aus dem etwa neun Kilometer nordöstlich entfernten Poppenhausen.5 Nach Auflösung der dortigen Gemeinden wurden die jüdischen Einwohner und Einwohnerinnen der etwa vier Kilometer nördlich gelegenen Gemeinde Weyhers (um 1890) sowie die aus dem direkt benachbarten Hettenhausen in die jüdische Gemeinde Schmalnau eingegliedert.6 1872 bis 1893 war Sigmund Tannenwald Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, seit 1893 gemeinsam mit M. Oppenheimer. Um 1899 war L. Tannenwald gemeinsam mit K. Kupfer der Vorsitzende der Gemeinde und um 1921 Israel Tannenwald. Von 1932 bis zum Schluss war der Fischzüchter Jakob Katz Vorsitzender. 1936 wurde die Gemeinde aufgelöst, die Synagoge ging in den Besitz der politischen Gemeinde über. Im selben Jahr wanderte Jakob Katz nach Haifa aus.7 Kultusgegenstände, wie die Thorarollen, wurden dem Provinzialrabbiner in Fulda übergeben, um sie zu retten. Einige der Kultusgegenstände wurden auf dem Sammelfriedhof in Weyhers bestattet.8

Die jüdischen Schmalnauer waren mehrheitlich Viehhändler. Es gab zudem Hausierer, einzelne von ihnen waren auch Heiratsvermittler. Außerdem handelten einige Juden mit Leder und Wein. In Schmalnau gab es ein von Juden geführtes Kurz-, Weiß- und Wollwarengeschäft sowie eine Metzgerei und eine Fischzüchterei. Die Mehrheit der jüdischen Schmalnauer lebte unter ärmlichen Verhältnissen. Die den Juden in Schmalnau seit dem frühen 19. Jahrhundert auferlegte Abgabe eines „Judenguldens“ an die katholische Kirchengemeinde wurde bis mindestens 1922 aufrechterhalten.9

18 der in Schmalnau geborenen bzw. länger dort lebenden jüdischen Bürgerinnen und Bürgern wurden von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet. Es waren: Ester Freudenthal, geb. Kupfer, Mathilde Gärtner, geb. Oppenheimer, Regina Grünebaum, geb. Kupfer, Margot Heilbronn, Meta Heilbronn, geb. Tannenwald, Betty Isselbächer, geb. Tannenwald, Johanna (Hannchen) Kümmel, geb. Leopold, Werner Kümmel, Berta Leopold, Iwan Leopold, Max Leopold, Sara Leopold, Paula Moses, geb. Tannenwald, Netta Reinberg, geb. Katz, Lina Sommer, geb. Katz, Gabriel Tannenwald, Israel Tannenwald, Rosa Tannenwald.10

Betsaal / Synagoge

Die jüngste Synagoge, möglicherweise schon im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts errichtet,11 war über längere Zeit mit Schulden belastet.12 Das Gebäude stand traufseitig zur Straße, am Rand des alten Ortskerns, etwa 300 Meter nordwestlich der katholischen Kirche, in der heutigen Thalauer Straße, ehemals besaß das Gebäude die Hausnummer 2. Eine historische Postkarte der Gemeinde Schmalnau sowie historische Fotos aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts zeigen jeweils die Synagoge in Teilansicht.13 Sie war demnach ein eingeschossiger Massivbau mit Satteldach über längsrechteckigem Grundriss mit niedrigem Sockel. Die südliche Traufseite zur Straße zeigt drei (bzw. vier) hohe, leicht spitzbogige Fenster mit vorkragender profilierter Sohlbank. In die östliche Fensterachse sind zwei Öffnungen übereinander eingebaut. Die untere Öffnung schließt rechteckig. Die obere ist eine Fensteröffnung und gleicht im Aufbau den westlich benachbarten Fenstern. Die gesprossten Bleiglasfenster sind in ihrer Spitze mit einer Art Kleeblattform geschmückt. Vertikale Gliederungselemente bestehen in der unverputzten, leicht lisenenartig vorkragenden Eckquaderung sowie lisenenartigen Bändern, wie in der Mittelachse der Giebelseite. Diese dadurch in zwei Hälften geteilte Wand wies jeweils ein (hochrechteckiges?) Fenster auf. In der Giebelspitze befand sich ebenfalls ein Fenster. Bis auf die steinsichtigen Gliederungselemente war die Synagoge hell verputzt. Einen der Giebel bekrönte ein querrechteckiger steinerner Aufsatz aus rötlichem Buntsandstein. Das auf breitem Fuß stehende, mehrfach gestufte und geschweifte Zierelement trägt vegetabile Züge. Alle Seiten sind graviert, vertikale Linien entspringen vom Fuß aus, dort mit nach innen eingerollten Voluten, und verlaufen mehrsträngig nach oben über eine kugelförmige Mitte, hin zur knospenartigen Spitze.

Nach Errichtung der Synagoge wurde – möglicherweise im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts – ein niedriges schlichtes Fachwerkhäuschen an den westlichen Giebel angebaut, in dem sowohl die Religionsschule als auch die Mikwe untergebracht waren. Das Gebäude stand ansonsten frei.

Die Synagoge soll innen farbig ausgestaltet gewesen sein. Die Decke zeigte einen Sternenhimmel vor blauem Hintergrund.14

Mit dem Besitzerwechsel an die politische Gemeinde 1936 wurde das Gebäude nach 1945 zum Feuerwehrgerätehaus umgebaut.15 Die ursprüngliche Kubatur blieb erhalten, sein Äußeres erinnerte nur teilweise an das ehemalige Aussehen, die ehemals leicht spitzbogigen Fenster schlossen jetzt gerade ab. An der Traufseite war zwischen die Lisenen ein zweiflügeliges Holztor eingebaut – wohl anstelle des ehemaligen Haupteingangs. Mit dem Neubau eines Feuerwehrgerätehauses im Ort in den frühen 1980er Jahren wurde das Gebäude an eine Privatperson verkauft, die es 1984 abriss. Heute besteht dort eine Grünfläche.16 Eine Gedenk- und Erinnerungstafel an die Synagoge und die jüdischen Schmalnauerinnen und Schmalnauer besteht seit 2011 am ehemaligen Standort der Synagoge.

Vor der Errichtung der Synagoge gab es wahrscheinlich einen Betraum in einem Privatgebäude. Dessen Eigentümer und die Lage des Gebäudes ist nicht bekannt.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Ein separates Fachwerkgebäude mit Religionsschule und Mikwe war direkt an einen Giebel der Synagoge angebaut. 1891 bietet ein Spendenaufruf des Vorsitzenden Sigmund Tannenwald mit dem Plädoyer für einen Neubau den Beleg für den fortgeschrittenen Verfall des Gebäudes.17 Aufgrund des nach wie vor schlechten Erhaltungszustands des Gebäudes, konnte aber wohl nicht genügend Geld zur Finanzierung eines Neubaus eingesammelt werden. Nach dem Besitzerwechsel wurde das Fachwerkhäuschen offenbar abgebrochen.

Möglicherweise handelt es sich um diese Mikwe, die 1829 bei der Visitation ritueller Tauchbäder des Amts Weyhers durch den Amtsarzt beschrieben wurde. Der Vorraum mit Holzfußboden besaß einen Ofen und Fenster. Dadurch war er hell, konnte gelüftet und auch beheizt werden. Es gab einen Kessel, um Wasser zu erwärmen, das zum Anwärmen des Wassers im Tauchbad genutzt werden konnte. Das Tauchbecken war ausreichend tief, das Wasser sauber und konnte zur Reinigung abgelassen werden. Damit entsprach das Wasserbecken den religiösen Vorschriften. Die Mikwe wurde 1829 im Rahmen der staatlichen Hygienekontrollen nicht beanstandet.18

Schon vor dem Bau dieses Gebäudes gab es mindestens eine Kellermikwe im Ort, die in einem Privathaus untergebracht war.

Schule

Die Schule war an einen Giebel der Synagoge angebaut worden. Sie bestand als ein eingeschossiges, schlichtes Fachwerkhäuschen mit niedrigem kleinem Vorbau zur Synagoge hin. Das unverputzte Haus mit Satteldach über rechteckigem Grundriss konnte über die straßenseitige Traufe erschlossen werden. Eine einflügelige Tür lag über eine Stufe erhöht. Der bauliche Zustand des Gebäudes zu Beginn des 20. Jahrhunderts war schlecht.

Seit 1832 hatten laut staatlicher Verordnung der zuständigen Bezirksregierung in Würzburg die jüdischen Kinder des Amts Weyhers die Religionsschule in Schmalnau zu besuchen. Neben den Kindern aus Schmalnau besuchten deswegen die jüdischen Kinder aus Lütter, Hettenhausen Weyhers und Poppenhausen den jüdischen Unterricht in Schmalnau. Der Lehrer musste gemäß dieser Verordnung in Schmalnau leben.19

Um 1838 war Simson Berolzheimer Religionslehrer, 1841 arbeitete Emanuel Hecht als Vorbereitungslehrer, um 1846 bis mindestens 1862 war dies Abraham Weinstock.20 1872 war von der Kultusgemeinde die Stelle eines Religionslehrers ausgeschrieben, der gleichzeitig als Vorbeter und Schochet arbeiten sollte. Diese Stelle erhielt offenbar Isaak Leopold und bekleidete sie vermutlich bis 1900.21 Um 1932 hieß der Religionslehrer Leopold Kamm. Er wohnte im östlich benachbarten Hettenhausen.22

Cemetery

Die Verstorbenen der jüdischen Gemeinde wurden auf dem Sammelfriedhof für die Juden des Altkreises Gersfeld in Weyhers bestattet. Hier sollen 1936 auch Teile der Kultusgegenstände aus der Synagogengemeinde bestattet worden sein.23

Weyhers, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Weyhers, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Ortsartikel Schmalnau, Historisches Ortslexikon LAGIS, s. Link oben
  2. Imhof, Juden in Deutschland, S. 94, 97; Imhof, Juden in der Rhön, S. 354
  3. Ortsartikel Schmalnau, Historisches Ortslexikon LAGIS, s. Link oben; Ortsartikel Schmalnau auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  4. Imhof Juden in Deutschland, S. 359
  5. Die Angliederung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Poppenhausen zur jüdischen Gemeinde Schmalnau ist nicht eindeutig belegbar. M. Mott, Fulda, hat im Rahmen seiner Recherchen bisher keinen Beleg dafür gefunden (mündliche Aussage, 21.12.2021)
  6. Ortsartikel Schmalnau auf Alemannia Judaica w.o.
  7. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 280
  8. Imhof, Juden in Deutschland, S. 359
  9. Imhof, Juden in der Rhön, S. 210; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 280
  10. Gedenkbuch des Bundesarchivs (s. Weblink oben); Ortsartikel Schmalnau auf Alemannia Judaica w.o.
  11. Über das Jahr des Erlasses der Verordnung zur Schulbezirksgrenze für jüdischen Kinder im Amt Weyhers von 1832, die die Schmalnauer jüdische Schule betreffen, kann die Vermutung abgeleitet werden, dass das Schulgebäude etwa in dieser Zeit entstand. Weil es an die Synagoge angebaut wurde, muss diese zuvor errichtet worden sein. Daher könnte sie ebenfalls noch in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts datiert werden. Soweit erkennbar spricht – auch stilistisch – nichts gegen diese Datierung.
  12. Imhof, Juden in der Rhön, S. 202: verzeichnet im Rahmen der Erhebung der Regierung des Untermains, 1817.
  13. Imhof, Juden in der Rhön, S. 273, 299
  14. Imhof, Juden in Deutschland, S. 356
  15. Imhof, Juden in Deutschland, S. 358
  16. Jüdische Gemeinde Schmalnau s. Weblink oben; Altaras, Synagogen, S. 125
  17. Spendenaufruf in Der Israelit vom 14.5.1891
  18. Imhof, Juden in der Rhön, S. 200
  19. Imhof, Juden in Deutschland, S. 345 sowie Alemannia Judaica w.o.
  20. Imhof, Juden in der Rhön, S. 210; Juden in Deutschland, S. 355
  21. Imhof, Juden in Deutschland, S. 355 sowie Alemannia Judaica w.o.
  22. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 279
  23. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 281; Imhof, Juden in der Rhön, S. 99
Recommended Citation
„Schmalnau (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/212> (Stand: 20.5.2022)