Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Der erste Kriegsmonat im Offenbacher Abendblatt, August 1914

Abschnitt 18: 3.8.1914: Anzeige gegen Vorwurf der Preistreiberei


Wucherpreise ?????

Gegenüber den in der Stadt umlaufenden Gerüchten über Wucherpreise in meinem Geschäft diene folgendes zur Aufklärung :

Ich kaufte von der Großfirma Bodenheimer & Co. in Frankfurt a.M. am 30. Juli u.a. 3 Sack Mehl, die ich am 31. Juli gegen Vorausbezahlung erhielt. Ich zahlte also selbst für den Zentner Mehl 36 Mark. Für den Sack sind 3 bis 4 Pfund in 37 Pfg. selbst kostet, 42 Pfg. nahm, so entspricht das durchaus den kaufmännischen Gepflogenheiten.
Nun bedenke man: Ich gebe meinen Kunden auf alle Waren 4 % Rabatt, das ist auf 1 Pfund Mehl 1 2/3 Pfg. — Es bleiben mir also nach Abzug des Einkaufspreises von 37 Pfg. 3 ½ Pfg. Verdienst. Von diesem Verdienst habe ich noch die Düte zu liefern, Personal zu halten, Steuern und Miete zu zahlen.

Ist das nun Wucher ?

Oder ist es nicht vielmehr ein so geringer Nutzen, wie ihn jeder Geschäftsmann haben muß, wenn er überhaupt existieren will ?
Die Beantwortung dieser Fragen überlasse ich jedem einsichtigen Menschen selbst.
Für Linsen zahlte ich der genannten Firma rund 150 % mehr als sonst, für Erbsen 50 % mehr, für Bohnen 90 % mehr, für Griesmehl 100 % mehr. Aehnliche Preise verlangte die Firma für andere Waren.
Zum Beweise meiner Ausführungen erkläre ich mich bereit, jedem Kunden die Original-Rechnungen der Firma Bodenheimer & Co. auf Wunsch vorzulegen. Ich würde doch diese hohen Preise nicht angelegt haben, wenn nicht bei anderen Großhändlern die genannten Artikel ausverkauft gewesen wären!
Die Firma Bodenheimer & Co. hat dann anscheinend die kritische Geschäftslage ausgenutzt und mich dadurch in den Ruf eines Wucherers gebracht.
Ich erkläre ausdrücklich, daß ich lediglich die Artikel Mehl, Gries und Linsen mit einem, wie oben ausgeführt. mäßigen Aufschlag auf meine hohen Einkaufspreise verkauft habe. Alle übrigen Artikel sind bei mir nicht teurer als vor der Mobilisierung. Salz z. B. verkaufe ich heute noch für 10 Pfg. das Pfund.
Uebrigens habe ich sofort, nachdem mir zu Ohren gekommen war, daß ich mit den hohen Verkaufspreisen der genannten drei Artikel unschuldigerweise einzig dastand, meinen Kunden, soweit ich sie feststellen konnte, z. B. für das teurer gekaufte Mehl 20 Pfg. pro Pfund zurückbezahlt.
Um nun den verleumderischen Redereien über mich und mein Geschäft ein Ende zu machen und mich vor fernerem Schaden zu bewahren, erkläre ich hiermit, daß ich für die Folge jeden, der unwahre und verleumderische Behauptungen über mich oder mein Geschäft ausspricht oder verbreitet, gerichtlich belangen werde.

Adam Hensler
Goethestrasse 4.

[Offenbacher Abendblatt vom 3. August 1914]


Personen: Hensler, Adam
Orte: Offenbach · Frankfurt
Sachbegriffe: Zeitungen · Offenbacher Abendblatt · Einzelhändler · Preistreiberei · Wucherpreise
Empfohlene Zitierweise: „Der erste Kriegsmonat im Offenbacher Abendblatt, August 1914, Abschnitt 15: 3.8.1914: Anzeige gegen Vorwurf der Preistreiberei“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/161-18> (aufgerufen am 27.04.2024)