Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Bad König Karten-Symbol

Gemeinde Bad König, Odenwaldkreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basisdaten | Geschichte | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | Nachweise | Indizes | Empfohlene Zitierweise
Basisdaten

Juden belegt seit

1697

Lage

64732 Bad König, Alexanderstraße 11 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

erhalten

nein

Jahr des Verlusts

1939

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historisches Ortslexikon

Geschichte

Wie in den meisten Gemeinden des Odenwaldes war auch in König, seit 1948 Bad König, die Bevölkerungszahl nach dem Dreißigjährigen Krieg deutlich zurück gegangen. Zur Förderung der lokalen und regionalen Wirtschaft erleichterten die Grafen von Erbach und die Fürsten von Löwenstein die Ansiedlung von Juden. Seit den 1670er Jahren sind regelmäßige Schutzgeldzahlungen, seit 1697 auch aus König, nachgewiesen.

Über die Geschichte der jüdischen Gemeinde im 18. und frühen 19. Jahrhundert ist noch wenig bekannt.

Lebten 1819 zwölf jüdische Familien in König, so waren es 1829 14 mit zusammen 51 Personen. Bis 1883 erhöhte sich ihre Zahl auf 103, was einem Anteil von 5,25 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte.1 Für das Jahr 1884 lassen sich einschließlich Synagoge 30 Häuser nachweisen, die von jüdischen Familien bewohnt wurden. Sie lebten überwiegend von ihrer Tätigkeit als Händler.

Ende des 19. Jahrhunderts begann Königs Aufstieg zur Badestadt. Infolgedessen wurde auch eine jüdisch geführte Pension eröffnet, in der Moses Herzfeld unter anderem koschere Speisen anbot.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierten sich jüdische Gemeindemitglieder im Rat der politischen Gemeinde, in der Vereinsbank, im Odenwaldklub und im Verschönerungsverein. Zu dieser Zeit begann der Zahl jüdischer Einwohner zu sinken. 1925 lag sie bei 83, im März 1939 bei 17.

Nach der Zerstörung der Synagogeneinrichtung wurde in elf jüdische Wohnungen eingebrochen und fast alle Männer im Keller des Rathauses interniert. Sie wurden kurz vor Mitternacht der Pogromnacht zu einem Wasserbehälter in der heutigen Mozartstraße getrieben, wo der Lehrer Wilhelm Deltau auf Kommando von Rektor Karl Schäfer Scheinerschießungen durchführte. Am nächsten Morgen wurde die Gruppe auf einem Lastwagen in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

Nach dem Entzug von Lebensmittelkarten und anderen Repressalien flohen 1939 die in König verbliebenen Juden überwiegend nach Frankfurt am Main. 1948 wurde der Haupttäter der Ausschreitungen zu 3,5 Jahren Zuchthaus, andere zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Am 19. November 1986 ließ die politische Gemeinde in der Grünanlage Alexanderstraße/Ecke Bleichstraße einen Gedenkstein aufstellen.2

Betsaal / Synagoge

Ein Betraum ist in König seit 1784 nachweisbar. So wurde in diesem Jahr ein Kaufvertrag zwischen dem Schutzjuden Löb Abraham aus König als Verkäufer und August Kraft, Hofmetzger, ebenfalls aus König, als Käufer beurkundet. Verkauft wurde ein Drittel eines Hauses, in dessen Obergeschoss sich die Judenschule, also der Betraum befand. Dieser war mit Inkrafttreten des Kaufvertrages zu räumen. Das Gebäude lag zwischen dem Haus des Wendel Rummel und dem des Juden Mannes. Zeuge des Verkaufs war unter anderem Hirsch Mayer, ein Schwager des Verkäufers.3

Etwa zehn Jahre später wurde eine neue Synagoge erbaut. Sie stand etwas abseits der heutigen Alexanderstraße 11 und war über diese zu erreichen. Es handelte sich um ein 1874 erneuertes, zweistöckiges Gebäude mit flachem Dach und nach Süden angebauter Mikwe. Der Zugang lag in der Westwand, unmittelbar dahinter befanden sich ein Schulraum, ein Treppenhaus und Wohnräume. Der eigentliche Synagogenraum mit Empore und acht rundbogig überwölbten Fenstern lag im Obergeschoss, das deswegen fast die doppelte Höhe hatte. Er war von einer blauen, mit Sternen versehenen Tonnendecke überwölbt. Hier befanden sich der Thoraschrein und ein Pult für den Vorbeter. Der Kristallleuchter soll durch ein Mitglied der Familie Oppenheimer aus der Oper in Basel erworben und der Gemeinde gespendet worden sein. „Im rückwärtigen Teil waren die Frauenabteilungen eingerichtet. Sie lagen übereinander und waren vom Synagogenraum durch eine doppelte Tür und hölzerne Kreuzgitter zum Durchschauen getrennt.“4 In der Wohnung im Erdgeschoss lebte zeitweise der Rabbiner David Frank, dessen Familienmitglieder lange Zeit Vorstand und/oder Vorsänger in der Gemeinde waren.

Noch 1933 wurde die Synagoge umfassend saniert. Sie enthielt 54 Plätze mit Pulten für Männer, 30 Plätze für Frauen und 20 für Kinder. Dementsprechend verfügte die Garderobe über 85 Einheiten.5

Fenster und Inneneinrichtung wurden 1938 zerstört. Einer Vereinbarung vom 24. Oktober 1938 zufolge verkaufte Jakob Marx, Vorsteher der jüdischen Gemeinde, die Synagoge samt Hof und Garten an die politische Gemeinde König. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt. Schon zu diesem Zeitpunkt war bekannt, dass die politische Gemeinde plante, die Synagoge abzubrechen, um eine Straße bauen zu können. Der Abbruch erfolgte 1939.6

Der Rest eines Gewändersteins mit der Jahreszahl 1804 soll in der Waschküche eines Hauses eingemauert sein.7

Weitere Einrichtungen

Weitere Einrichtungen

Die Familie Schwarzschild baute jährlich zwischen ihrem Haus und dem Bach eine Laubhütte, auch die unweit wohnende Familie Oppenheimer besaß eine solche Einrichtung.11

Mikwe

Der Südwand der Synagoge wurde 1830 eine etwa 16 Quadratmeter große Mikwe angebaut, nachdem eine ältere unbrauchbar geworden war. Sie war zunächst mit einem Ofen und einer Badewanne ausgestattet. Das Wasser wurde einer unweit gelegenen Brunnenanlage entnommen.8 Um 1930 befanden sich in der Mikwe auch Wäsche und Zubehör, eine Frisier- und Wartevorrichtung, elektrische Apparate und anderen Utensilien.9

Schule

In der Synagoge befand sich ein Schulraum, der bis zur Einführung der Volksschule im Jahr 1874 genutzt wurde.

Friedhof

Während die Verstorbenen zunächst in Michelstadt bestattet wurden, legte die Gemeinde 1929 am südlichen Rande des christlichen Friedhofs eine eigene Begräbnisstätte an. Heute stehen dort sieben schwarze Grabsteine.10 Die letzte Bestattung fand 1934 statt.

Michelstadt, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Bad König, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Michelstadt, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

Nachweise

Weblinks

Quellen

Literatur

Abbildungen

Indizes

Personen

Erbach, Grafen von · Löwenstein, Fürsten von · Herzfeld, Moses · Deltau, Wilhelm · Schäfer, Karl · Löb Abraham · Kraft, August · Rummel, Wendel · Mannes · Hirsch Mayer · Oppenheimer, Familie · Frank, David · Marx, Jakob · Schwarzschild, Familie

Orte

Frankfurt am Main · Basel

Sachbegriffe Geschichte

Dreißigjähriger Krieg · Laubhütten

Sachbegriffe Ausstattung

Thoraschreine · Vorbeterpulte · Kristallleuchter · Kreuzgitter · Garderoben

Sachbegriffe Architektur

Gedenksteine · Emporen · Tonnendecken

Fußnoten
  1. Winter, 1999, S. 175.
  2. Winter, 1999, S. 180.
  3. HStAD E 9, 9261.
  4. Pichl, 1985.
  5. HHStAW 503, 1397.
  6. Diese Vereinbarung stellte freundlicherweise Herr Friedrich, Bad König, zur Verfügung.
  7. Teubner, 1989, S. 39
  8. Teubner, 1989, S. 39.
  9. Winter, 1999, S. 174.
  10. HHStAW 503, 1397.
  11. Winter, 1999, S. 177.
Empfohlene Zitierweise
„Bad König (Odenwaldkreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/syn/id/93> (Stand: 22.7.2022)