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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 83. Hünfeld

Mackenzell

Gemeinde Hünfeld, Landkreis Fulda — Von Susanne Gerschlauer
Basisdaten | Geschichte | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | Nachweise | Indizes | Empfohlene Zitierweise
Basisdaten

Rabbinat

Fulda

erhalten

nein

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historisches Ortslexikon

Geschichte

Die erste Erwähnung des vermutlich um 1000 gegründeten Ortes erfolgte 1146.1 Mackenzell mit Burg, später Wasserschloss und Herrenmühle diente als zentraler Verwaltungsort und Amtssitz, ab 1322 des Amts Aschenbach, ab 1422 des Amts, später Oberamts Mackenzell, für das Fürstbistum Fulda, mit der Zuständigkeit für insgesamt 23 Nachbarorte.2

Zwischen 1803 war der Ort für drei Jahre dem Fürstentum Nassau-Oranien-Fulda zugeschlagen und gehörte zum Amt Hünfeld. Anschließend gehörte er bis 1810 verwaltungstechnisch zum Kaiserreich Frankreich, Fürstentum Fulda, danach bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt im Departement Fulda, Distrikt Hünfeld. Seit 1816 bis 1867 zählte Mackenzell zu Kurhessen im Amt und Kreis Hünfeld. Von 1867 bis 1945 gehörte der Ort zum Königreich Preußen in der Provinz Hessen-Nassau. Seit 1946 zählt er zum Landkreis Fulda, Regierungsbezirk Kassel.3 Aufgrund der Neuordnung im Rahmen der Gebietsreform gehört Mackenzell seit 1971 zur Stadt Hünfeld, die mit Hünfeld-Mitte den Hauptort aus mit ihr 15 Ortsteilen darstellt. Im Jahr 2020 lebten 1.807 Menschen in Mackenzell.4

Zahlengenaue Belege über die im 18. Jahrhundert in Mackenzell wohnenden Juden liegen nicht vor. Für 1753 kann anhand der Aufschrift auf einem Grabstein und für 1776 anhand von Namenslisten die Sesshaftigkeit von Juden in Mackenzell nachgewiesen werden.5 Wahrscheinlich ist, dass bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert eine ausreichende Zahl von Menschen jüdischen Glaubens im Ort lebten, um einen Minjan zu ermöglichen.6 1825 waren in Mackenzell 25 jüdische Familien ansässig,7 1831 sind sieben jüdische Haushalte mit 32 Angehörigen belegt. Um 1850 lebten acht bis zehn Familien dort, 1861 wurden 39 im Ort lebende Juden, 1875 noch 32 jüdische Einwohner gezählt.8 Ihre Zahl sank danach drastisch, 1899 waren es aufgrund des Wegzugs in größere Städte nur noch vier.9 Die Volkszählung 1905 verzeichnete keine jüdischen Bürgerinne und Bürger mehr.10

Die jüdische Gemeinde wurde vermutlich schon im ausgehenden 18. Jahrhundert gegründet, sie war bis zu ihrer Auflösung um 1879 selbstständig. Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der Landflucht nur noch vier in Mackenzell lebenden Juden wurden der jüdischen Gemeinde Hünfeld zugeordnet.11

Die meisten Mackenzeller Juden lebten wie die Mehrheit der Landjuden in der Region vom Handel mit Vieh, einige handelten vermutlich mit Klein- und Krämerwaren, belegt ist ein Seifensieder sowie eine Dienstmagd.12 In der heutigen Dalbergstraße, ehemals Hintergasse, danach bis 1934 „Judengasse“, lebten jüdische Familien in vier Häusern.13

Im Zuge um sich greifender antisemitischer Ausschreitungen des 19. Jahrhunderts im Hünfelder Land, die zwischen 1843 und 1850 ihren Höhepunkt fanden, wurden 1847 die Wohnhäuser mit Scheunen der Familien Plaut und Löbenstein angegriffen und demoliert, u.a. wurden zahlreiche Fensterscheiben zerstört. Diese Angriffe trafen auch die im Haus von David Löbenstein eingerichtete Betstube.14 Im gleichen Jahr beantragte Michel König seinen Rücktritt als Synagogenältester.15

Der gebürtige Mackenzeller Rudolf Plaut erwarb durch sein berufliches Engagement Bekanntheit. Plaut war von 1883 bis 1903 als liberaler Rabbiner in Frankfurt am Main tätig. Er wurde am 31.1.1843 in Mackenzell geboren und starb am 3.12.1914 in Frankfurt am Main.16

Von den in Mackenzell noch im 19. Jahrhundert geborenen Jüdinnen und Juden wurden zwei Opfer des Holocaust: Mina Manasse, geb. Plaut und Adele Plaut. Beide lebten bis zu ihrer Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz, 1943, bzw. in das Ghetto Theresienstadt, 1942, in anderen Städten Deutschlands.17

Betsaal / Synagoge

Für um 1827 ist ein Betsaal belegbar.18 Er befand sich vermutlich im Obergeschoss des Fachwerkwohnhauses von Familie David Löbenstein. Der Bauernhof Nr. 18, später Raiffeisenstraße 19, heute Johannesplatz 19, lag in der historischen Ortsmitte.19 Am 27.3.1847 wurde das Gebäude im Zuge antisemitischer Ausschreitungen demoliert, auch die Fensterscheiben des Betsaals wurden zerstört.20

Markantes Merkmal für die Nutzung als jüdischer Betsaal war das Rundfenster im Ostgiebel (Misrach), das sich im Vergleich zu den umgebenden Gebäuden der übrigen Höfe erkennbar abhob. In einem Türrahmen des Hauses konnte 1970 im Rahmen von Renovierungsarbeiten der Negativabdruck einer Mesusa festgestellt werden.21

Mit der Auflösung der jüdischen Gemeinde, um 1879, wurde der Betsaal aufgelassen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude an Familie Wassermann verkauft.22

Eine Erinnerungstafel für den Betsaal bzw. die jüdische Gemeinde gibt es nicht.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Ob es eine Mikwe im Dorf gab, bzw. wo sie lag, ist nicht überliefert.

Schule

Am Ort gab es seit ca. 1804 keine jüdische Schule mehr.23 Der Religionsunterricht für die jüdischen Kinder wurde im etwa sechs Kilometer nordwestlich entfernt gelegenen Burghaun abgehalten, gemeinsam mit den Kindern aus Burghaun und Hünfeld. Um 1850 war Lehrer Hermann Strauß (geb. 1827) dort tätig.24 In den folgenden Jahren wurde der Religionsunterricht nach Hünfeld verlegt. Die Kinderzahl war insgesamt angewachsen und wurde deswegen in Hünfeld zusammengezogen, um so den jüdischen Kindern aus weiteren benachbarten Gemeinden Religionsunterricht erteilen zu können. Die schulpflichtigen jüdischen Kinder Mackenzells besuchten über den Unterricht in jüdischer Religion hinaus die staatliche Schule in Mackenzell.25

Friedhof

Die Toten der jüdischen Gemeinde Mackenzell wurden auf dem Sammelfriedhof für die jüdischen Gemeinden im Hünfelder Land in Burghaun beigesetzt, der seit um 1690 bis 1941 belegt wurde und aus drei unterschiedlich alten Teilen besteht.26 Der Friedhof umfasst eine Fläche von fast 9.400 Quadratmetern und liegt in Flur 14, Flurstück 12, östlich der Dimbachstraße, oberhalb des Dimbachs. Der älteste der 24 zu Mackenzell gehörenden Grabsteine datiert in das Jahr 1753, der jüngste in das Jahr 1873.27 Außer den Juden aus Mackenzell bestatteten die folgenden elf Gemeinden ihre Verstorbenen dort: Buchenau, Burghaun, Eiterfeld, Erdmannrode, Hechelmannskirchen, Langenschwarz, Mansbach, Rhina, Rothenkirchen, Steinbach, Wehrda.28 Ein Gedenkstein aus den 1960er Jahren erinnert an die jüdischen Opfer des Holocaust im Hünfelder Land. Er wurde von New Yorker Juden mit Wurzeln im Hünfelder Land gestiftet.29

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

Nachweise

Weblinks

Quellen

Literatur

Indizes

Personen

Plaut, Familie · Löbenstein, Familie · Löbenstein, David · König, Michel · Manasse, Mina, geb. Plaut · Plaut, Mina · Plaut, Adele · Strauß, Hermann

Orte

Hünfeld · Frankfurt am Main · Burghaun · Buchenau · Eiterfeld · Erdmannrode · Hechelmannskirchen · Langenschwarz · Mansbach · Rhina · Rothenkirchen · Steinbach · Wehrda · New York

Sachbegriffe Geschichte

Auschwitz, Vernichtungslager · Theresienstadt, Ghetto

Sachbegriffe Architektur

Rundfenster

Fußnoten
  1. Artikel Mackenzell auf Wikipedia; Ortsartikel Mackenzell in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  2. Geschichte Mackenzells (s. Weblink)
  3. Ortsartikel Mackenzell in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  4. Geschichte Mackenzells (s. Weblink)
  5. Vortrag Sternberg-Siebert (s. Weblink); Imhof, Juden in Deutschland, S. 344
  6. Sternberg-Sieber, Jüdische Spuren (s. Weblink)
  7. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 404
  8. Sternberg-Sieber, Jüdische Spuren (s. Weblink)
  9. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 404
  10. Imhof, Juden in Deutschland, S. 345
  11. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 403; Imhof, Juden in Deutschland, S. 344; Sternberg-Sieber, Jüdische Spuren (s. Weblink)
  12. Vortrag Sternberg-Siebert (s. Weblink)
  13. Imhof, Juden in Deutschland, S. 344; Ortsartikel Hünfeld auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  14. Imhof, Juden in Deutschland, S. 344
  15. HStAM 100, 7637
  16. Frankfurter Personenlexikon (s. Weblink)
  17. Gedenkbuch des Bundesarchivs (s. Weblink)
  18. HStAM Bestand 100 Nr. 7645 a; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 404; Ortsartikel Mackenzell auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Imhof, Juden in Deutschland, S. 344
  19. Im Gegensatz zu diesen Angaben erfolgt im Ortsartikel Mackenzell auf Alemannia Judaica (s. Weblink) und bei Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 404, der Hinweis auf einen Betsaal, der 1833 im Haus des Synagogenältesten Michel König eingerichtet war. Dieses Gebäude soll um 1879, nach Auflassung als Gottesdienstraum, 1931 abgerissen worden sein.
  20. Imhof, Juden in Deutschland, S. 344. Diese Information wird bei Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 404, um den Hinweis ergänzt, dass 1833 die Verlegung des Betraums in das Haus des Synagogenältesten Michel König vorgenommen werden sollte. Offenbar wurde diese Planung nicht umgesetzt.
  21. Imhof, Juden in Deutschland, S. 344
  22. Imhof, Juden in Deutschland, S. 344. Zur weiteren Nutzung gibt es widersprechende Angaben: Während bei Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 404, angegeben wird, die ehemalige Synagoge sei 1931 abgebrochen worden, ist bei Imhof, Juden in Deutschland, S. 344 f. angegeben, das dem Betsaal zugeordnete Gebäude sei in den 1970er Jahren renoviert worden. Dieser Hinweis wird mit einem Foto des zugeordneten Fachwerkhauses, Johannesplatz 19, belegt (S. 345).
  23. HStAM 97 e, 1949
  24. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 104
  25. Imhof, Juden in Deutschland, S. 345
  26. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 405; Sternberg-Sieberg, Jüdische Spuren (s. Weblink); Ortsartikel Mackenzell auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Vortrag Sternberg-Siebert (s. Weblink)
  27. Vortrag Sternberg-Siebert (s. Weblink)
  28. Der Israelit Nr. 10, 5.3.1931 (s. Weblink), S. 12, zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Rhina mit ihrer Begräbnisstätte in Burghaun
  29. Vortrag Sternberg-Siebert (s. Weblink)
Empfohlene Zitierweise
„Mackenzell (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/syn/id/469> (Stand: 5.12.2023)