Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Schulz, Dienst und Leben hinter der Front, 1915-1917

Abschnitt 5: Feldpost, Briefträger an der Front

[289-290]
Die Feldpost hat durch ihre Tätigkeit viel dazu beigetragen, uns das Durchhalten zu erleichtern. Durch sie waren wir stets mit der Heimat eng verbunden. Die Einrichtung der Feldpostbriefe war eine herrliche Sache; denn Porto brauchte man nicht zu zahlen. Manche freie Stunde wurde mit Schreiben von Briefen und Karten an die Lieben daheim zugebracht. Und wie leuchteten die Augen und strahlte das Gesicht, wenn die eingegangene Post verteilt wurde und man nicht dabei vergessen war. Der Posteingang hatte sich mit der Zeit so genau eingespielt, daß wir in Ruhe wie in Stellung die Post mit derselben Pünktlichkeit erwarteten, wie in der Heimat unseren ständigen Briefträger. Wenn ein Bataillon in Stellung war, brachten abwechselnd von zwei Kompanien je eine Ordonnanz S. 290] die Post nach vorn. Eines Tages mußte eine Kompanie des I. Btl. mit ihrer Postordonnanz einen Wechsel vornehmen. Die Wahl fiel auf den Ldstm. Eifinger, einen biederen Mainzer Landsmann. Am ersten Tage seiner Wirksamkeit kommt er mit ziemlicher Verspätung mit seiner Post an. Na, es ist das erste Mal, es wird schon werden! Am nächsten Tage kommt er mit dreiviertelstündiger Verspätung an. Die andere Kompanie, die Eifinger noch zu versorgen hat, fängt wegen dieser Bummelei zu schimpfen an. Es entspinnt sich daraufhin zwischen dem Feldwebel und ihm folg. Zwiegespräch: „Eifinger, warum kommen Sie so viel später als der Mann von der 1. Komp.?" „Herr Feldwebel, der ist mit dem Rad gefahren." „Warum fahren Sie nicht auch mit dem Rad?" „Ich kann nicht Rad fahren, Herr Feldwebel!" „In der nächsten Ruhezeit lernen Sie Radfahren!" „Jawohl, Herr Feldwebel!" — Gleich am ersten Tage der nächsten Ruhezeit hörte man abends nach Dienstschluß in der Nähe des Steubenturmes, wo die Straße nach Autry kein Gefälle hat, Unterricht im Radfahren erteilen: „Lenkstange festhalten! Gerade aus sehen! Treten nicht vergessen!" waren Bruchstücke der Belehrung, die man verstehen konnte. Am zweiten Abend das Gleiche. Am Schluß des Unterrichts hört man sagen: „So, Eifinger, jetzt fährst Du mal allein hinunter nach Nou de Bins an der Schreibstube vorbei, da läuft es ganz allein, nur immer geradeaus auf den Weg sehen, nicht aufs Rad gucken!" Los geht die Fahrt. Als Eifinger mit seinem Stahlroß an der Schreibstube vorbeisauSt, ruft ihm der Feldwebel zu: „Nun, Eifinger, machen Sie Schluß, es ist genug für heute." „Jawohl, Herr Feldwebel, wenn ich nur erst runter wäre!" — Nun hat die Straße in der Nähe des Soldatenheims eine scharfe Kurve nach rechts. An der Außenseite der Kurve ist eine dichte Hecke. Man hört ein Knacken und Rauschen. Aha, er ist herunter! Es hat ihm aber nichts geschadet, der Prellbock war elastisch. In der nächsten Stellungszeit brachte er die Post ebenso pünktlich wie sein Kumpel von der anderen Kompanie. [...]


Personen: Eifinger, Landsturmmann · Schulz, Heinrich
Orte: Autry · Mainz · Nou de Bins · Montcheutin
Sachbegriffe: I. Bataillon · Briefträger · Fahrrad · Feldpost · Feldwebel · Unterweisung
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Schulz, Dienst und Leben hinter der Front, 1915-1917, Abschnitt 226: Feldpost, Briefträger an der Front“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/55-5> (aufgerufen am 04.05.2024)