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Grabdenkmäler

Übersichtskarte Hessen

Erzbischof Lul von Mainz kurz vor 16.10.786 oder 852, Hersfeld

Bad Hersfeld · Gem. Bad Hersfeld · Landkreis Hersfeld-Rotenburg | Historisches Ortslexikon
Standort | Merkmale | Beschreibung | Inschrift | Nachweise | Zitierweise
Standort

Standort:

Bad Hersfeld

Gebäude / Areal:

Bad Hersfeld, Klosterkirche

Angaben zum Aufbewahrungsort:

Bad Hersfeld Klosterkirche

Merkmale

Datierung:

kurz vor 16.10.786 oder 852

Typ:

Grabinschrift

Erhaltung:

verloren

Beschreibung

Beschreibung:

Grabinschrift für Erzbischof Lul von Mainz. Die Inschrift wurde zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf der Rückseite des ersten Blattes eines Fritzlarer Sammelbandes notiert, der Abschriften und Notizen aller Art enthält, die im 14. und 15. Jahrhundert geschrieben wurden. Die Beschreibung der Handschrift gibt leider keinen Hinweis darauf, ob die Handschrift nur in Fritzlar aufbewahrt wurde oder ob auch ihr Inhalt im wesentlichen Fritzlarer Angelegenheiten betrifft. Der Text trägt die Überschrift „Epitaphium sanctissimi Lulli patroni nostri“ und wurde zuerst von Falckenheiner mit sinnentstellenden Verlesungen ediert, dann von Hahn durch Konjekturen weitgehend verbessert und so von Dümmler in den MGH Poetae gedruckt, da die Handschrift verschollen war.1) Nach ihrer Wiederentdeckung hat Ernst Dümmler den Text noch einmal wortgetreu herausgegeben.2) Vier elegische Distichen. Die singuläre Überlieferung des Textes in der Fritzlarer Handschrift spricht nicht gegen seine Ausführung als Inschrift. Die unter dem Text stehende Bemerkung „Item sanctus Lullus abbas et episcopus ex Cancia filius sororis sancti Bonifatii, qui erat filius regis Cancii, vide Tabulam primam Europe 21. 54.“4) legt eine intensivere Beschäftigung des Schreibers mit dem Leben Luls nahe. Offenbar stieß er dabei auch auf das Original oder eine ältere Abschrift des Grabgedichts und schrieb es ab. Nach dem Bericht Lamperts von Hersfeld begab sich Lul von Mainz nach Hersfeld, als er seinen Tod nahe fühlte.5) Lul starb am 16. Oktober 786 in Hersfeld und wurde in der von ihm erbauten Klosterkirche beigesetzt.6) Hahn sieht die Inschrift aufgrund der in ihr enthaltenen genauen und richtigen Informationen sowie aufgrund der Sprache als zeitgenössisch an und hält es für möglich, daß Lul selbst den Text kurz vor seinem Tode verfaßte.7) Für die sprachliche Analyse verweist er auf Luls Brief und Gedicht an Bonifatius.8) Jenes Gedicht Luls weist Wendungen auf, die sich unter anderem in den Gedichten des Venantius Fortunatus, in der Aeneis und den Eklogen Vergils und den Metamorphosen Ovids finden und den hohen Bildungsgrad Luls belegen. Die von Hahn genannten Parallelen zu der Grabinschrift sind jedoch kaum aussagekräftig, da es sich lediglich um den Gebrauch einzelner Wörter und nicht um Junkturen handelt. Trotzdem ist Lul die Formulierung der Grabinschrift sicher zuzutrauen, doch könnte sie auch in seinem Umfeld entstanden sein. Möglicherweise war die Inschrift auf der Steinplatte angebracht, die laut Lampert von Hersfeld Luls Sarkophag deckte.9) Luls Gebeine wurden jedoch im Jahr 852 erhoben10) und es ist nicht bekannt, was danach mit seinem Grab geschah. Die Grabinschrift könnte also auch bei dieser Gelegenheit verfaßt worden sein. Allerdings ist es auffällig, wie stark die biographischen Elemente in dem Text hervortreten, während ein allgemeines Totenlob fehlt. Auch über die am Grab Luls geschehenen Wunder11) wird nichts gesagt. Bei einer nachträglich zum Lobe Luls verfaßten Inschrift wäre zumindest ein breiteres Totenlob mit der Würdigung des frommen Wirkens Luls und seiner Verdienste um Hersfeld zu erwarten gewesen, wie es auch in anderen karolingischen Inschriften vorhanden ist. Insofern dürfte der Text tatsächlich die ursprüngliche Grabinschrift Luls überliefern.


  1. Falckenheiner 167; Hahn 423f.; MGH Poetae II 649.
  2. Dümmler 177.
  3. Dümmler 178.
  4. Lampert, Vita Lulli 21 (Holder-Egger 334f.).
  5. Lampert, Vita Lulli 21 und 22 (Holder-Egger 335f.); vgl. Hafner 10 mit weiteren Belegen.
  6. Hahn 423f.
  7. ) Bonifatii et Lulli epistolae Nr. 103 (Tangl 225–227).
  8. Lampert, Vita Lulli 22 (Holder-Egger 336).
  9. Ebd.
  10. Lampert, Vita Lulli 21–26 (Holder-Egger 335–339).

Geschlecht, Alter, Familienstand:

männliche Person(en)

Stand:

Adlige · geistliche Personen

Dargestellte Personen:

Lul stammte aus Wessex und hatte seine Ausbildung im Kloster Malmesbury erhalten. Bei seiner Romreise in den Jahren 737 und 738 lernte er Bonifatius kennen, der ihn für die Mission in Thüringen gewinnen konnte. Er wurde Privatsekretär des Bonifatius und erhielt von ihm zunächst die Diakons- und die Priesterweihe sowie später die Weihe zum Chorbischof.12) Nach dem Tode des Bonifatius konnte Lul dessen Nachfolge als Bischof von Mainz antreten, wie jener es gewünscht hatte, doch blieb ihm die angestrebte Abtswürde in Fulda verwehrt.13) Wohl nicht zuletzt deshalb begann Lul zwischen 769 und 773, die zwischen 736 und 743 gegründete Einsiedelei Hersfeld zu einem Kloster auszubauen,14) das als Missionszentrum für Thüringen und als eigene Grablege dienen sollte. Er übernahm selbst die Leitung des Klosters und übertrug es 775 dem Schutz Karls des Großen. Mit ihm kam es zu einer engen Zusammenarbeit und Karl förderte das Kloster intensiv. Um das Ansehen des Klosters weiter zu stärken, ließ Lul um 780 die Gebeine des Fritzlarer Abtes Wigbert dorthin übertragen.15)


  1. Lampert, Vita Lulli 4 (Holder-Egger 311); Bonifatii et Lulli epistolae Nr. 93 (Tangl 213).
  2. Wehlt, Reichsabtei 161f.
  3. Lampert, Vita Lulli 15f. (Holder-Egger 328f.).
  4. Vgl. insgesamt Staab, Mainzer Kirche 136–142 mit weiterer Literatur; Palmer, Bishop Lull passim; knapp Ziegler, Mitra und Krummstab 6, vgl. auch Nr. 105.
Inschrift

Umschrift:

Lul mihi nomen erat,3) famosa Britannia mater, Que me Romanos misit adire patres. Post sibi me iunxit doctor Bonifacius almus Imposuitque humeris infula sacra meis. Et dum martirio celestes scandit ad arces, Manensia) ecclesie me iubet esse patrem. Hic mihi sit requies donec vox alma reclamet: Pulvis, qui dormis, surge iubente Deo.


  1. Sic! Manenti Falckenheiner; Maerenti konjiziert von Dümmler in MGH Poetae nach Hahn.
  1. Vgl das Epitaph für Alcuin, MGH Poetae I 351: Alchuine nomen erat.

Übersetzung:

Lul war mein Name, das berühmte Britannien meine Mutter, die mich ausschickte, die römischen Väter aufzusuchen. Danach hat der segenspendende Lehrer Bonifatius mich ihm verpflichtet, und er hat die heilige Inful auf meine Schultern gelegt. Und während er durch das Martyrium zu den himmlischen Burgen emporstieg, hat er befohlen, daß ich der Vater der Mainzer Kirche sei. Hier sei mir Ruhe, bis die segenspendende Stimme ruft: Staub, der du schläfst, erhebe dich auf Befehl Gottes.

Kommentar:

Nach Dümmler.

Nachweise

Literatur:

Bearbeitung:

Die Inschriften des Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Gesammelt und bearb. von Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 91). 2015, Nr. 1.

Zitierweise
„Erzbischof Lul von Mainz kurz vor 16.10.786 oder 852, Hersfeld“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/2234> (Stand: 20.3.2023)