Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Die Schulchronik von Kruspis, 1914-1920

Abschnitt 1: Vorboten des Krieges

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Weltkrieg 1914

Auf Deutschland auf, und Gott mit dir!
Ins Feld! Der Würfel klirrt!
Wohl schnürt´ s die Brust uns, denken wir
des Bluts, das fließen wird!
Dennoch das Auge kühn empor,
Denn siegen wirst du ja:
Groß, herrlich, frei, wie nie zuvor!
Hurra Germania!
Hurra Viktoria!
Hurra Germania!

Die Geschichte des Weltkrieges 1914 kann man wohl kaum besser beginnen, als mit diesen Worten Freiligraths1. Zum dritten Mal seit 100 Jahren stehen wir den Feinden gegenüber; es sind immer dieselben, im Westen die Franzosen; zu ihnen kommen aber diesmal noch die Russen im Osten und unsere germanischen Vettern in England. Es ist ein Kampf um unsere Machtstellung im Osten, gegen die Revanchegelüste im Westen und gegen den Neid und die Eifersucht, die längst schon die britischen Herzen erfüllten und vergifteten. England ist auf alle Fälle das schamloseste Glied in diesem edlen Dreierverbande, weil seine Verbindung mit den zwei anderen die unnatürlichste ist.

Der 28. Juni 1914 war für die habsburgische Monarchie ein Schicksalstag, wie sie einen gleichen bis dahin nicht erlebt hatte. Der Thronfolger des greisen Kaisers Franz Joseph, Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, fielen einem Attentat zum Opfer. Diese Bluttat von Serajewo bildete nun den äußeren Anlaß zu der begonnenen Abrechnung. Ein europäischer Krieg, der durch das Vorgehen Japans auch nach Asien übergreift, ist entfesselt worden, wie ihn die Weltgeschichte noch nicht gesehen hat. – Eine ungeheure Spannung bemächtigte sich in den Tagen der Entscheidung der Gemüter. Es lag auf uns allen wie eine dumpfe Ahnung: „Gebt acht – seid auf der Hut!"

Am 31. Juli, um die Mittagsstunde, empfing ich, weil Telegraphenhilfsstellen-Inhaber, das erste Telegramm: „Briefumschläge mit Mobilmachungssachen öffnen." Endlich wurde also meine Neugierde, was wohl in dem so stark versiegelten Schreiben stehen würde, befriedigt. Selbstverständlich darf ich Postgeheimnisse hier nicht ausplaudern. Bald wurde mir ein zweites Telegramm: „Unbeschränkter Tag- und Nachtdienst ist abzuhalten." Nach Bekanntwerden dieser Verordnung wurde es bald in unserem sonst so stillen und friedlichen Dörfchen erregt lebhaft. Da ich ja dieselbe Nacht nicht schlafen konnte, war es mir angenehm, Unterhaltung zu haben. Kaum hatte mich ein junger Mann verlassen, so war schon wieder ein anderer da. Die Herzen waren so voll, der Mund mußte überfließen. Gespannt warteten wir auf den Mobilmachungsbefehl.


  1. Hermann Ferdinand Freiligrath (1810-1876), Deutscher Schriftsteller und Dichter. Vgl. Online-Artikel Freiligrath, Stand: 29.7.2014.

Personen: Freiligrath, Ferdinand · Franz Joseph I., Österreich, Kaiser · Franz Ferdinand, Österreich, Erzherzog
Orte: England · Japan · Kruspis · Sarajevo
Sachbegriffe: Attentate · Befehle · Mobilmachung · Monarchie · Franzosen · Russen
Empfohlene Zitierweise: „Die Schulchronik von Kruspis, 1914-1920, Abschnitt 2: Vorboten des Krieges“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/24-1> (aufgerufen am 28.04.2024)