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Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Beginn der 1. Internationalen Arbeiterolympiade in Frankfurt, 24. Juli 1925

1925 wurde Frankfurt am Main zum Schauplatz einer der ersten internationalen Großveranstaltungen des Arbeitersports, einem sportlichen Ereignis ersten Ranges – der Ersten Internationalen Arbeiterolympiade. Diese wurde, ebenso wie die von Pierre de Coubertin (1863–1937) 1896 wieder ins Leben gerufenen Olympischen Spiele, in Winterspiele und Sommerspiele unterteilt. Austragungsort der Winterspiele war vom 31. Januar bis zum 2. Februar 1925 Schreiberhau im Riesengebirge (heute Szklarska Poręba/Polen),1 während die Sommerspiele vom 24. bis zum 28. Juli 1925 in Frankfurt am Main statt fanden.

Nach dem Ausschluss Deutschlands von den Olympischen Spielen 1924 in Paris sollte die Arbeiterolympiade nicht nur als Ausdruck sportlicher Interessen gelten, sondern auch zum Zeichen einer Protesthaltung gegenüber diesem Ausschluss werden. Dass Frankfurt als Veranstaltungsort ausgewählt wurde, entschieden die Vertreter der Arbeitersportbewegung bei einer internationalen Konferenz 1922 in Leipzig.2 Ausschlaggebend für deren Entschluss waren die Bedeutung Frankfurts für den Arbeitersport und ihr Ruf als traditionsreiche „Kulturstadt“.3 Hinzu kam noch die Tatsache, dass der seit 1922 begonnene Bau eines regelrechten Sportparks ideale Anlagen für die durchzuführenden Wettkämpfe und Massenfreiübungen bieten würde, was für die Idee eines „Olympia der Masse“4 notwendige Voraussetzung war. Bis zur Eröffnungsfeier am 21. Mai 1925, mit einer kurzen Unterbrechung im Inflationsjahr 1923, baute man am Waldstadion – es wurde eine der damals größten Sportstätten Deutschlands.5

Das 42 Hektar große Stadiongelände bot Platz für eine Kampfbahn, die Sitzplätze für 40.000 Zuschauer bereit hielt. Eine fünf Hektar große Fest- und Spielwiese stand für die Durchführung von Freiübungen zur Verfügung und wurde lediglich durch eine breite Aufmarschallee geteilt. Weiterhin gab es eine Tanzwiese, ein Luftbad, ein Versammlungsrondell, eine Radrennbahn und zwei große Bäder. Mehrere Tennisplätze, eine Sporthalle und sogar ein Waldtheater zählten zum Areal des Sportparks.6 Eine finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates konnten die Verantwortlichen jedoch weder für dieses aufwendige Bauprojekt noch für die Arbeiterolympiade erwarten. Dafür fanden sie Rückhalt bei der Stadt Frankfurt, die den Sportlerinnen und Sportlern neben dem Stadion weitere Übungsplätze, die Festhalle und 103 Schulen als Massenquartiere zur Verfügung stellte.7 Insgesamt nahmen ca. 3.000 Sportlerinnen und Sportler aus zwölf nationalen Verbänden (Deutschland, Österreich, Schweiz, Danzig, Tschechoslowakei-Prag, Tschechoslowakei-Aussig, Polen, Lettland, Finnland, England, Frankreich, Belgien) an den Wettkämpfen teil, wobei die Zahl der Aktiven bei den aufwendig inszenierten Massenfreiübungen etwa auf 100.000 anstieg.8 Mit ca. 450.000 Zuschauern und Festteilnehmern war die Arbeiterolympiade ein eindrucksvoller Erfolg für den Arbeitersport.9 Im Vergleich zur Olympiade in Paris, an der insgesamt 44 nationale Verbände teilnahmen, war die Verbandszahl für die Arbeiterolympiade zwar deutlich geringer, trotzdem war das sportliche Niveau, das in Frankfurt geboten wurde, recht hoch. Neben nationalen Rekorden konnten auch Weltrekorde verzeichnet werden.10

Auch wenn der Arbeitersport innerhalb der Arbeiterbewegung eher eine politikfernere Ausrichtung aufwies, so muss ihm dennoch die „Tendenz zur Politisierung“11 zugeschrieben werden. Anhand mehrerer informierender und kommunikativer Materialien, die das sportliche Großereignis begleiteten (Dokumentarfilm, Festbuch, Plakate, Erinnerungsschrift), kann diese Ausrichtung beobachtet werden. Besonders hervorgehoben werden muss dabei die von der Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege (ZK) eigens herausgebrachte Zeitung „Olympiade“. Darin informierte die ZK über die mit dem Olympia verfolgte Absicht, den bürgerlichen Olympischen Spielen Coubertins ein sozialistisches Olympia-Modell gegenüber zu stellen. In einem Artikel des für den Arbeitersport bedeutenden Ideengebers Fritz Wildung werden die Spiele in Antwerpen (1920) und Paris (1924) als „Krieg mit sportlichen Mitteln“11 bezeichnet, da dort – in den Augen der Arbeitersportler – Nationalismus, Chauvinismus, Personenkult und Leistungsgedanke als treibende Kräfte gewirkt hatten. Ganz entschieden versuchte sich der Arbeitersport hier von der bürgerlichen olympischen Bewegung abzugrenzen. Die Durchführung der Arbeiterolympiade erfolgte im Sinne der sozialistischen Grundüberzeugungen der Arbeiterbewegung, die von der ZK klar beschrieben wurden.

Unsere Olympiade ist von einem anderen Gedanken getragen, dem Gedanken der Völkerverständigung und -versöhnung. Bei uns ringen nicht Nationen gegeneinander, sondern Sportgenossen aller Länder miteinander. Wir sind alle eines Geistes, eines Wollens und eines Blutes. Wir haben alle denselben Feind: den Kapitalismus, der den Nationalismus erzeugt hat und an seinen Brüsten nährt.13

Mit der Olympiade ist auch eine eine Massenkundgebung am 26. Juli und eine Friedenskundgebung am 28. Juli verbunden.14
(MG)


  1. Schröder, Arbeitersport, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 57 (1980), S. 216
  2. Jost, Weltolympiade der Arbeit, in:Olympiade 1 (1924) 1
  3. Wildung, Frankfurt als Kulturstadt, in:Olympiade 1 (1924) 3
  4. Wildung, Das Olympia der Masse, in:Olympiade 1 (1924) 3
  5. Schröder, Arbeitersport, in:Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 57 (1980), S. 214-215
  6. Schröder, Arbeitersport, in:Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 57 (1980), S. 215 sowie Jost, Frankfurt und sein Stadion, in:Olympiade 1 (1924) 3
  7. Schröder, Arbeitersport, in:Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 57 (1980), S. 215
  8. Schröder, Arbeitersport, in:Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 57 (1980), S. 216
  9. Tauber, Frankfurts Ruf als Sportstadt, in:Sport und Gesellschaft – Sport and Society 3 (2006) 1, S. 108 sowie O.A., Weltereignis, in:Olympiade 1 (1925) 11
  10. Schröder, Arbeitersport, in:Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 57 (1980), S. 216
  11. Nielsen, Sport und Großstadt
  12. Wildung, Der Gedanke unserer Olympiade, in:Olympiade 1 (1924) 4
  13. Wildung, Der Gedanke unserer Olympiade, in:Olympiade 1 (1924) 4
  14. Chronik deutscher Zeitgeschichte 1, S. 258
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Beginn der 1. Internationalen Arbeiterolympiade in Frankfurt, 24. Juli 1925“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/603> (Stand: 24.7.2021)
Ereignisse im Juni 1925 | Juli 1925 | August 1925
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