Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Landkreis Marburg-Biedenkopf

Die Bearbeitung der Siedlungen des Landkreises Marburg-Biedenkopf basiert auf den gedruckt vorliegenden Historischen Ortslexika Biedenkopf (Reuling, Historisches Ortslexikon Biedenkopf, ehem. Landkreis) und Marburg (Reuling, Historisches Ortslexikon, Historisches Ortslexikon Marburg, ehem. Landkreis und kreisfreie Stadt). Sie umfasst mit dem Gebiet des ehemaligen Landkreises und der kreisfreien Stadt Marburg sowie dem ehemaligen Landkreis Biedenkopf einen verhältnismäßig großen, am 1.7.1974 neugebildeten Verwaltungsbezirk, der heute aus 9 Städten und 13 Gemeinden besteht.

Karte des Landkreises Marburg-Biedenkopf mit Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen

Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL

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Über die Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altkreis) lässt sich der Zustand des Jahres 1961 mit den Landkreisen → Marburg und → Biedenkopf rekonstruieren.

Den Stadtkreis Marburg gab es seit 1929, der gleichnamige Landkreis entstand erst 1932 durch Zusammenlegung der Altkreise Marburg und Kirchhain. Wie bei der Mehrzahl der Landkreise im Regierungsbezirk Kassel geht diese ältere Kreiseinteilung auf die Verwaltungsreformen des frühen 19. Jahrhunderts zurück, im Bereich des ehemaligen Kurfürstentums Hessen-Kas­sel auf das sog. Organisationsedikt des Jahres 1821. Die damals vollzo­gene Trennung von Justiz und Verwaltung hatte an Stelle der alten Ämter bzw. Gerichte, die noch beide Funktionen vereinigt hatten, Landgerichte und Justizämter als untere Justizbehörden eingerichtet und in der Zusam­menfassung mehrerer solcher Gerichtsbezirke - die sich im übrigen eng an die alten Amtsgrenzen anschlossen - den Kreis als Untereinheit der staatlichen Verwaltung geschaffen. Das von den Altkreisen Marburg und Kirchhain umschlossene Gebiet hatte vorher keine verwaltungsmäßige Ein­heit gebildet. Große Teile des Kreises Kirchhain gehörten bis 1802 zum kurmainzischen Territorium der Ämter Amöneburg und Neustadt, und auch die seit dem späten Mittelalter entstandenen landgräflichen Ämter und Ge­richte in den späteren Kreisgebieten - von den adligen Gerichten einmal abgesehen - sind im Laufe der Neuzeit nur ansatzweise zu größeren Ein­heiten zusammengewachsen. Dieser Umstand hat nicht zuletzt auch in der Quellenüberlieferung seinen Niederschlag gefunden und infolgedessen eine gleichmäßige Bearbeitung der Siedlungen dieses Raumes sehr erschwert. Andererseits ist dieser Lieferung zugute gekommen, daß sich die For­schung seit vielen Jahrzehnten gerade dem Marburger Raum - Kerngebiet der landgräflichen Machtbildung in Oberhessen und für Jahrhunderte das Feld der großen territorialpolitischen Auseinandersetzungen mit dem Erzstift Mainz - mit besonderer Intensität angenommen hat. So konnte bei der Bearbeitung insbesondere auf die territorialgeschichtlichen Arbeiten von H. Diefenbach, L. Lotzenius und E. Klibansky zurückgegriffen werden, die als sog. Atlasarbeiten das gesamte Arbeitsgebiet erfassen. Es liegen ferner für große Teile des Raumes ausgezeichnete siedlungs­geographische und siedlungsarchäologische Untersuchungen vor, die vor allem bei der Bearbeitung der Wüstungen eine unentbehrliche Hilfe waren. Dankbar zu vermerken ist, dass der Verfasser die Dissertation von U. Weiss über die Gerichtsorganisation Oberhessens und den von U. Dahmlos bearbeiteten Katalog der frühmittelalterlichen Funde in Hessen schon als Manuskripte einsehen und in das Ortslexikon einarbeiten konnte. Nicht zuletzt ist aber auch das reiche ortsgeschichtliche Schrifttum der Bear­beitung zugute gekommen. Nach Abschluss des Manuskriptes erschienen ist die Arbeit von K. Huth, Der Landkreis Marburg-Biedenkopf. Verwaltungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte (1979). Auf sie ist besonders im Hin­blick auf die Verwaltungsgeschichte des Kreises im 19. und 20. Jahrhun­dert hinzuweisen.

Der bearbeitete Raum des im Jahre 1974 aufgelösten Landkreises Biedenkopf ist ein verhältnismäßig junger, erst im Jahre 1933 gebildeter Verwaltungsbezirk, der allerdings an weitaus ältere, historisch gewachsene Raumeinheiten anknüpfte, nämlich an die bis 1821 existierenden Ämter Blankenstein und Biedenkopf. Zusammen mit dem im Norden angrenzenden ehemaligen Amt Battenberg erfassten die­se Verwaltungsgebiete den historischen Raum des sog. Hessischen Hinterlandes - ein Begriff, der die über Jahrhunderte andauernde territorialstaatliche Randlage dieser Landschaft innerhalb des Gebietes der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Darm­stadt treffend kennzeichnet. Die alte Ämterorganisation des Hessischen Hinterlan­des war im Zuge der im Großherzogtum Hessen 1821 durchgeführten Verwal­tungsreform zugunsten neugeschaffener Landratsbezirke aufgelöst worden. Aus dem vormaligen Amt Battenberg und dem nördlichen Teil des ehemaligen Amtes Bie­denkopf wurde 1821 der Landratsbezirk Battenberg gebildet, aus dem südlichen Teil des Amtes Biedenkopf und dem ehemaligen Amt Blankenstein der Landratsbezirk Gladenbach. Diese Neuorganisation der Verwaltungsgebiete hatte allerdings nur kurze Zeit Bestand, denn schon 1832, mit der Einführung der Kreisverfassung in Hessen-Darmstadt, wurden die beiden genannten Landratsbezirke in dem neuge­bildeten Kreis Biedenkopf zusammengeführt, der seinem Umfang nach nunmehr ganz dem historischen Raum des Hessischen Hinterlandes entsprach. Dieser Zustand blieb auch von den späteren Verwaltungsreformen im Großherzogtum Hessen unberührt. Er hat sich selbst dann nicht entscheidend verändert, als nach den preußischen Annexionen des Jahres 1866 im Zuge der Bildung der Provinz Hessen-Nassau umfassende Verwaltungsreorganisationen einsetzten. Denn der 1867 aus ehemals hessen-darmstädtischen Gebieten gebildete Hinterlandkreis, der im übrigen schon nach wenigen Monaten seinen alten Namen Kreis Biedenkopf zurückerhielt, wich nur insoweit von dem früheren Gebietsumfang ab, als ihm der von Preußen annektierte Außenbezirk des hessen-darmstädtischen Kreises Gießen, bestehend aus acht Orten des 1821 aufgelösten Amtes Königsberg, zugeschlagen worden war. Ebenso wie damals an der räumlichen Einheit des Hessischen Hinter­landes im wesentlichen festgehalten wurde, blieb auch die traditionelle politisch-verwaltungsorganisatorische Randlage des Kreises Biedenkopf als nordöstlichen Zipfels des 1867 neugebildeten Regierungsbezirks Wiesbaden erhalten, letztlich bis zu den Verwaltungsreformen der Jahre 1968-1980. Geändert hatte sich zwischen­zeitlich indes der Umfang des Kreisgebietes. Nachdem der 1867 gebildete Kreis Biedenkopf im Jahr 1932 im Zuge von Verwaltungsvereinfachungen zunächst ganz aufgelöst und dem Dillkreis zugeschlagen worden war, kam es knapp ein Jahr später am 17. 7. 1933 zur Neubildung des Kreises, allerdings in reduziertem Umfang, wobei aus historischer Sicht weniger die Abtretung des dem früheren Kreisgebiet erst 1867 angegliederten Südteils des alten Amtes Königsberg von Bedeutung war, als vielmehr die Abtrennung der traditionell zum Hessischen Hinterland gerechne­ten battenbergischen Orte jenseits des Lützlergebirges an den Kreis Frankenberg. Für die Bearbeitung dieser Lieferung erwies es sich als günstig, daß der Raum des Hessischen Hinterlandes ungeachtet seiner seit 1624 bestehenden Zugehörigkeit zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt von der landesgeschichtlichen Forschung seit dem späten 19. Jahrhundert dem Arbeitsbereich der im Gebiet der ehemaligen Land­grafschaft Hessen-Kassel tätigen wissenschaftlichen Organisationen zugerechnet wurde und in zahlreichen auf Althessen oder Kurhessen bezogenen Publikationen Berücksichtigung gefunden hat. Zu nennen sind hier vor allem das Historische Ortslexikon für Kurhessen von H. Reimer sowie die aus der Schule E. E. Stengels hervorgegangenen sogenannten Atlasarbeiten von W. Classen, W. Görich und U. Lennarz. Auch im Rahmen des staatlichen Archivwesens zählte der Kreis Bieden­kopf von 1867 bis 1942 zum Sprengel des Marburger Staatsarchivs, was für den Bearbeiter den praktischen Nutzen hatte, dass ein Großteil der notwendig geworde­nen Archivarbeiten am Dienstort durchgeführt werden konnte.

Großer Wert wurde auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die, wo möglich, auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier mag der Hinweis auf das 2008 von Folkhard Cremer neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen) von Georg Dehio genügen.