Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Landkreis Groß-Gerau

Die Bearbeitung der Siedlungen des Landkreises Groß-Gerau umfasst die Gebiete des zum 1. Januar 1977 gebildeten Landkreises, der heute aus 8 Städten und 6 Gemeinden besteht.

Bei dieser Neugliederung blieben sowohl der Name als auch der gebietliche Umfang des Kreises erhalten, nur auf Gemeindeebene wurden Veränderungen vorgenommen. Der über die Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altkreis) recherchierbare Zustand des Jahres 1961 mit dem sogenannten → Altkreis Groß-Gerau ist somit vom Umfang mit dem heutigen Landkreis identisch.

Groß-Gerau: Karte mit Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen

Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL

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Die geographische Lage des überwiegend im nördlichen Hessischen Ried gelegenen Kreises ist durch die Zugehörigkeit zur Oberrheinischen Tiefebene gekennzeichnet, wobei der Main die nördliche, der Rhein die westliche Grenze bildet. Die flache Gegend (höchster Punkt ist der Oberwaldberg mit 145 m) war bis zur Errichtung von Hochwasserschutzdeichen von regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen betroffen. Die günstigen klimatischen Gegebenheiten ermöglichen eine überdurchschnittliche hohe landwirtschaftliche Nutzung des Raumes.

Eine erkennbar strukturierte Erschließung des im unmittelbaren Einflussgebiet der in Mainz stationierten Heeresverbände gelegenen Raumes erfolgte unter römischer Herrschaft unter Kaiser Domitian in den Jahren 80er Jahren nach Christus. Dem Hessischen Ried kam in den folgenden Jahrhunderten durch die germanische Besiedlung zunächst die Rolle einer Kontaktzone von römischer Welt und Barbaricum zu, bevor mit dem weitgehenden Rückzug der Römer eine überwiegend alamannisch geprägte Phase greifbar wird.

Mit der verstärkten Einbindung in das Fränkische Reich begann im 6. Jahrhundert eine in den Schriftquellen kaum greifbare Neustrukturierung. Das Reich war in diesem Raum durch ausgedehnte Königsgutbezirke präsent. Aus einem älteren Wirtschaftshof bildete sich die Pfalz Trebur mit repräsentativen Gebäuden heraus, in der bis ins 11. Jahrhundert hinein wichtige Reichsversammlungen und Synoden stattfanden. Erst die intensiven Vergabungen von Landbesitz vornehmlich an das Reichsklosters Lorsch ab den 770er Jahren spiegeln die Besitz- und Verwaltungsstrukturen der Region. Mit der Übertragung des Klosters an das Mainzer Erzstift 1232 übernahm dieses den verbliebenen Rest der Besitzungen, vornehmlich im Gebiet um Gernsheim. Die Territorialverhältnisse ab dem 11. Jahrhundert treten zunächst wiederum nur sehr undeutlich zutage, als wichtigste Vertreter werden die in staufischen Diensten stehenden Herren von Dornberg greifbar. Als dieses Geschlecht 1257 ausstarb, fiel der Besitz an die Grafen von Katzenelnbogen, denen es trotz schmaler Ausgangsbasis gelang, ihre Stellung an der Bergstraße, im Odenwald und im Ried auszubauen. Mit der Errichtung der Festung Rüsselsheim versuchten sie ihre Stellung zu festigen.

Mit dem Aussterben des Grafengeschlechts und dem Anfall des als obere Grafschaft Katzenelnbogen bezeichneten Erbteils erlangten 1479 die Landgrafen von Hessen nicht nur Zugriff auf wertvolle Gebiete, sondern sie traten in der Folge in diesem Raum in Konkurrenz zu den Pfalzgrafen und dem Kurfürstentum Mainz. Bereits 1567 gelangten die Ämter Dornberg, Rüsselsheim und Kelsterbach wiederum in hessisch-darmstädtischem Besitz, in dem sie fortan weitgehend unbestritten verblieben. Das Amt Gernsheim gehörte hingegen weiterhin zu Kurmainz.

1803 erhielt die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, seit 1806 Großherzogtum, im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses als Entschädigung für den Verlust der linksrheinischen Gebiete von Hanau-Lichtenberg die nahegelegenen rechtsrheinischen Teile aus dem zerschlagenen Kurmainzischen Territorium. Hierzu gehörte auch das Amt Gernsheim, das dem Fürstentum, seit 1816 der Provinz Starkenburg eingegliedert wurde. 1832 erfolgte die Bildung des Kreises Groß-Gerau aus dem Landratsbezirk Dornberg und Teilen des Landratsbezirks Langen. Wesentliche Veränderungen blieben in der Folge aus, erwähnenswert ist lediglich im Jahre 1874 die Eingliederung der ehemals mainzischen Stadt Gernsheim und der Gemeinde Klein-Rohrheim aus dem Kreis Bensheim.

Der Landkreis Groß-Gerau hat im Unterschied zu den meisten anderen hessischen Landkreisen seit seinem Entstehen 1832 seine Grenzen kaum verändert. Historisch betrachtet bildet er eine Kleinlandschaft, die sich von Beginn der spätmittelalterlichen Territorialisierung des Raumes an bis zu den modernen Verwaltungsreformen ein beträchtliches Maß an Kontinuität und Eigenständigkeit bewahrt hat.

Für die Bearbeitung des Landkreises Groß-Gerau wurden als grundlegende Werke das Hessische Ortsnamenbuch, Wagner, Wüstungen im Großherzogthum Hessen, Provinz Starkenburg, der im Rahmen der Vorarbeiten zum Geschichtlichen Atlas von Hessen entstandene kirchentopographische Band Demandt, Kirchenorganisation sowie die Bände Landkreis Groß-Gerau. Monographie einer Landschaft und Franz Skala/Ernst Schneider, Landkreis Gross-Gerau verwendet. Herangezogen wurden außerdem für die frühe Landschafts- und Siedlungsgeschichte des nördlichen Hessischen Rieds die Arbeit von Thomas Maurer, für den Reichsbesitz Gockel, Karolingische Königshöfe, für die mainzischen Gebietsanteile Günter Christ, Erzstift und Territorium Mainz, in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 199-200, und ferner der Band Die Inschriften der Stadt Darmstadt und der Landkreise Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau.

Neben den einschlägigen Quelleneditionen, allen voran die Regesten der Grafen von Katzenelnbogen 1060-1486, wurde im Zuge der Materialsammlung in begrenztem Maße auch die archivalische Überlieferung berücksichtigt.

Großer Wert wurde auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die, wo möglich, auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier genügt der Verweis auf das 2008 von Folkhard Cremer neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen).

Für die Angaben zum Stichjahr 1787 wurde auf die Arbeit von Walter Wagner über Das Rhein-Main-Gebiet vor 150 Jahren zurückgegriffen, für die folgende Zeit auf das Historische Gemeindeverzeichnis für Hessen sowie auf das Historische Ortsverzeichnis Großherzogtum und Volksstaat Hessen. Die statistischen Angaben zu den Einwohner- und Häuserzahlen sowie der Flächennutzung wurden, sofern nicht anders vermerkt, der Hessischen Gemeindestatistik und dem Werk Das Großherzogthum Hessen von Philipp Alexander Ferdinand Walther entnommen.