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Reaktion der FDP-Landtagsfraktion auf Erklärung Zinns zu Gemeindebetrieben und Sozialisierung, 11. April 1952

Die Landtagsfraktion der FDP reagiert auf die Erklärung von Ministerpräsident Georg August Zinn (1901–1976; SPD) in der Sache Gemeindebetrieben und Sozialisierung. Der Landtagsabgeordnete Hans Ilau (1901–1974), zugleich Bevollmächtigter der FDP-Landtagsfraktion, gibt folgende Stellungnahme ab:

In der öffentlichen Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof am 4. April hat ein Regierungsvertreter auf die von den Vertretern der FDP-Fraktion wiederholt gestellte Frage, wer Eigentümer der unter den Sozialisierungsartikel 41 der Verfassung fallenden Gemeindebetriebe sei, geantwortet, daß diese Betriebe zur Zeit im Eigentum des Landes Hessen stünden; durch die kommenden Ausführungsgesetze zum Artikel 41 werde das Eigentum auf die Gemeinden wieder rückübertragen werden. In seiner Presseerklärung hat Ministerpräsident Zinn sich von dieser höchst bemerkenswerten Rechtsauskunft nicht distanziert. Er ist nur der hier und da irrtümlich an sie geknüpften Vermutung entgegengetreten, daß die Landesregierung die Gemeindebetriebe endgültig nochmals sozialisieren wolle. Damit hat der Ministerpräsident jedoch am entscheidenden Punkt vorbeigesprochen. Durch jene Frage der FDP-Vertreter vor dem Staatsgerichtshof sollte klargestellt werden, daß die Verfassung noch keinen Entzug des Eigentums an den von Artikel 41 betroffenen Betrieben bewirkt hat. Diese Klarstellung ist vollauf gelungen. Denn in die Enge getrieben, mußte der Regierungsvertreter, um der These der FDP nicht zustimmen zu müssen, zwangsläufig seine Zuflucht zu der Behauptung nehmen, das Eigentum an den Gemeindebetrieben sei mit Inkrafttreten der Verfassung zunächst an das Land Hessen übergegangen. Damit wurde nun aber ein Rechtszustand behauptet, der, bestünde er, verfassungswidrig wäre, der aber im übrigen gar nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, wie Ministerpräsident Zinn selbst bemerkt hat. Weder direkt noch indirekt wird in der Verfassung gesagt, daß das Eigentum an den betroffenen Betrieben bis zum Ergehen von Ausführungsgesetzen an das Land Hessen übergehe. Der vor fünf Jahren von der damaligen Regierung unter Berufung auf Artikel 41 rechtswidrig vorgenommene Entzug von Eigentum kann, wie die Antwort vor dem Staatsgerichtshof zeigt, von der heutigen Regierung selbst nur gestützt werden mit der zum Buchstaben und zum Sinn der Verfassung sowie zu den Tatsachen in heillosen Widerspruch stehenden Behauptung, das Eigentum sogar an den Gemeindebetrieben sei mit Inkrafttreten der Verfassung zunächst an das Land Hessen übergegangen. Wenn aufgedeckt wird, wie die hessischen Sozialisierungsmethoden das Recht vernebeln und auflösen, so kann der Ministerpräsident dies wahrhaftig nicht einfach als Wahlpropaganda abtun.
(MB)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Reaktion der FDP-Landtagsfraktion auf Erklärung Zinns zu Gemeindebetrieben und Sozialisierung, 11. April 1952“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4046> (Stand: 11.4.2022)
Ereignisse im März 1952 | April 1952 | Mai 1952
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