Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Otto Herpel, Kriegszeit in einem hessischen Dorf in der Beschreibung des Pfarrers von Lißberg, 1914-1916

Abschnitt 28: Geburtenrückgang in Kriegszeiten

[97-98] Drei sind von dem Hügel fortgezogen, um nicht mehr heimzukehren. Frankreichs und Rußlands Erde haben ihnen ewige Ruhestätte geboten. Drei Tote sind wenig in diesem Kampfe. Zwar ist der Krieg noch nicht zu Ende, aber das Dorf kann sagen, daß das Geschick ihm seither gnädig gewesen ist. Und dennoch regt sich die Sorge. Sie beginnt bei den Frauen und fragt nach dem jungen Ersatz. Aber der ist Heuer schwer zu beschaffen. Die Männer sind draußen, und es werden keine Kinder geboren. Da wird auch diese Sorge zur lieben Sorge. Wie oft habe ich sie gehört, da der Mai kam und der Sommer und der Herbst vergingen und nicht wie sonst der Pfarrer feierlich durch den Ort gegangen war, um irgendwo ein neues Hügelblümchen mit der Taufe auf dieser Erde zu begrüßen.
„Herr Pfarrer, wo bleiwe die Kian!?"
Und die Amme hat es schwer, ihr Amtsgeheimnis zu wahren. Aber leider braucht sie lange keins zu haben.
Doch die liebe Sorge ist an der Arbeit. Sie wandert durch die Blicke der sich einander beobachtenden Frauen tief in die Herzen.

Und zwei Menschen sitzen zu Hause beisammen, die der Krieg verschont in ihrem Eheglück1. Sie wissen's nicht recht zu deuten, was sie anderen darin voraus haben und kommen sich ein klein wenig unwürdig vor in einer Zeit, da alle etwas leisten [S. 98] für das Vaterland.

[…]


  1. Pfarrer Otto Herpel und seine Frau Martha.

Personen: Herpel, Otto · Herpel, Martha
Orte: Lißberg
Sachbegriffe: Geburtenrückgang · Kinder
Empfohlene Zitierweise: „Otto Herpel, Kriegszeit in einem hessischen Dorf in der Beschreibung des Pfarrers von Lißberg, 1914-1916, Abschnitt 28: Geburtenrückgang in Kriegszeiten“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/89-28> (aufgerufen am 07.05.2024)