Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Wilhelm Egly, Kriegstagebuch eines Soldaten aus Friedberg, 1916-1917

Abschnitt 13: II. Alltag in den Stellungen

◀ [57-59] 10. Juli 1916.
Schwaches, planloses Artilleriefeuer im Gelände.
Bis lange nach Mitternacht sitzen wir zusammen bei einer Flasche Rotwein.Eine warme Julinacht. Weich liegt das Mondlicht [S. 58] über den weißen Nebeln im Tal. Zwischen silberhellen Wolken flimmern die Sterne.
Wir sprechen von meiner schönen Heimat. Und da erwacht das Heimweh. Und eine Sehnsucht, die so unendlich viel mehr ist als Heimweh. . .
Das wolhynische Moor singt ein Lied, wie ich es nie gehört in deutschen Landen — einförmig und voll Trauer zittert es über die glitzernden Wasser und bebenden Halme des Schilfes fernhin durch die Nacht, als ob die Gefallenen klagten aus der Tiefe, daß sie auf so ferner, fremder Erde haben sterben müssen. Und über dieser schwermütigen Schönheit geht der Mond durch die Wolken und lichten Sterneninseln, derselbe Mond, dessen Licht auch über den stillen Frieden der fernen Heimat flutet.

11. Juli 1916.
In der Nacht ist eine ungarische Landsturmkompagnie angekommen, die jetzt zwischen uns lagert.Ich frage: „Wo kommt ihr Oesterreicher so plötzlich her?"
„Nix Oesterreicher, wir sein Ungar — Magjar!"
Am Spätnachmittag geht ein heftiger Gewitterregen nieder. Nachdem ich zweimal der Länge nach den steilen, aufgeweichten Hang hinuntergerutscht bin, erreiche ich einen größeren Unterstand, in dem ich mich rasch entkleide. Ich trete hinaus ins Freie, um den Regen auf meinen Körper niederströmen zu lassen, der so lange Zeit mit Wasser nicht mehr in Berührung gekommen ist. Pudelnackt stehe ich auf der Wiese, habe mich gründlich eingeseift — da hört es natürlich auf zu regnen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott [S. 59] nicht zu sorgen. Und den habe ich, als Deutsche und Ungarn wieder aus ihren Löchern hervorkriechen. ▶