Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Soldaten Hans Kuhl aus Marburg und seiner Familie, 1914-1915

Abschnitt 13: 16.4.1915: Brief Hans Kuhls an seine Familie in Marburg

[1-4] Staden, 16. IV. 15

Meine Lieben!
Für Euere beiden lieben Packete, Kuchen und Wurst, welche schon an meinem Geburtstag angekommen, sowie für Eure Gratulation zu meinem Geburtstage herzlichen Dank. Dieser Geburtstag wird mir unvergessen. Wie ich Euch ja schon in den anderen Schreiben mitteilte, liegen wir jetzt immer Alarmbereit. So auch wieder die Nacht v./ 15 - 16ten. Es war nun gegen ½ 12 Uhr Nachts, als wir aus dem Schlaf geweckt wurden, denn wir waren alarmiert. [S. 2] Alles machte sich nun so rasch wie möglich fertig und stand das Battalion um 12 Uhr, also zu Anfang meines Geburtstages zum Abmarsch fertig. Das Batt. bekam ein Lob, daß es als Erstes zur Stelle wäre. Wir marschierten nun der Stellung entgegen. Ihr glaubt garnicht, was für ein Leben herrschte. Sämtliche Straßen waren von Militär überfüllt, denn es sollte wirklich zum Sturm vorgehen. Wir hatten 4 Stunden mit unserem schw. Gepäck, zu welchem jetzt noch 10 Sandsäcke gekommen, zu marschieren. [S. 3] Vielleicht 20 Minuten hinter den Schützengraben machten wir Halt in einem kl. Wäldchen. Doch gegen Morgen bekamen wir so dichten Nebel, daß die Flaschen mit dem Gas nicht geöffnet werden konnten. Es kam nun Befehl zum Rückzug. Wir mußten nun den weiten Weg noch einmal zurücklegen. Mehrere Jäger sind zusammengebrochen, weil sie nicht mehr fort konnten. Wie eine ausgeschwärmte Comp. kamen wir glücklich um ½ 9 Uhr in Staden-Linden an. Habe mir auch 2 Zehen wund gelaufen. Alles legte sich nun auf die Strohsäcke und die ersten Stunden war niemand zu sprechen. [S. 4] An Essen dachte Niemand. Erst am späten Nachmittag wurde Kaffee gekocht und etwas gegessen. Wir dachten nun wir würden diese Nacht wieder gerufen, doch haben sie uns Gott sei Dank in Ruhe gelassen. So habe ich nun meinen 20ten Geb. verlebt. Sonst geht aber noch gut. Liebe Mutter schreib mir nun die Adresse von Steuernagel. Hab sie vergessen. Schrieb mir neulich wegen einem Unterhemd. Schick mir dasselbe nicht mehr1, es ist jetzt wärmer.
Seid nun Alle herzlichst gegrüßt von
Euerm Hans.


[Briefumschlag Vorderseite:]Feldpost. Familie Georg Kuhl, Marburg a./L., Weidenhausen 86
[Poststempel:]K.D.Feldpostexp., 52. Res.Inf.Div., [Briefstempel in grüner Farbe:] Briefstempel 4. Komp. Reserve-Jäger-Batl. 24.


  1. Die Worte "nicht mehr" doppelt unterstrichen.

Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Soldaten Hans Kuhl aus Marburg und seiner Familie, 1914-1915, Abschnitt 13: 16.4.1915: Brief Hans Kuhls an seine Familie in Marburg“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/54-13> (aufgerufen am 30.04.2024)