Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Feldpostbriefe und -karten des Einjährig Freiwilligen Richard Weber aus Wächtersbach

Abschnitt 12: 12.11.1914: Feldpostbrief aus Wytschaete

[6-8]

Wytschaete1, 12.11.1914

Liebe Mutter!

Eben steht unser Postbetrieb schon tagelang still, da unser Rgt. durch Sturmangriffe ganz aufgerieben und unsere Kompanie ganz gesprengt ist. Ganz gefährliche Kämpfe werden eben ausgeführt, so [S. 8] verlustreich und schrecklich, wie selten eine Schlacht. Von den 258, die am 7. August in unserer Komp. ausgerückt sind, stehen noch 13 gesund und unverletzt im Felde. Alle anderen sind Ersatzleute. Wir brüten jetzt wieder 3 Wochen in einem Schützengraben und doch sind wir nicht erfroren, worum Du Dir so viel Sorge machst. Denn im Schützengraben lagern wir tüchtig Stroh und solange wir noch Stroh finden, leidet man des nachts keine Not. Auch stehen uns Mantel, Zeltbahnen und gute Decken zur Verfügung. Wir hatten in den ganzen letzten Tagen und Wochen sehr günstiges Wetter und solange kein anhaltender Regen eintritt, halten wir es draußen im Felde immer noch länger aus. Wir haben gestern morgen einen Sturm ausgeführt, der großartig gelungen ist2. Sind doch durch meine 6. Komp. 209 Franzosen gefangen genommen und 7 Geschütze, 3 Maschinengewehre erobert worden. Es tut mir nur leid, daß unser Einjähriger Julian dabei gefallen ist. Ich habe eben seinen Eltern die schmerzliche Mitteilung durch einen langen Brief gemacht und sie zu trösten versucht, daß der Tod sofort eintrat und schmerzlos war und ich für ein einzelnes ehrenvolles Grab sorgen werde. Habe in dieser Beziehung schon öfters Eltern qualvolle Stunden erspart, nur Dir damals nicht, als ich in Sedan war. Das kam daher: Ich fühlte mich damals wegen schlechter Ernährung sehr entkräftet und hatte 3 Tage Schonung. Da aber gerade ein Transport Verwundeter nach Sedan mußte, konnte ich in ein großes Lazarett kommen, in dem ich besser ernährt wurde als in den kleinen Feldlazaretten. Ich nahm an, daß meine Post bei der Companie aufgehoben würde und wollte Euch gerade von unnötigen Sorge befreien und schrieb in den Tagen überhaupt nichts, was jedenfalls das beste war. Ich war dann sofort wieder in Ordnung und bin bis jetzt noch bei wirklich bester Gesundheit. Über Eure Bilder habe ich mich riesig gefreut, es ist nur schade, daß ich Euch keines schicken kann. Hoffen wir auf ein Wiedersehen.
Herzliche Grüße
Richard

Frau Prinz (aus Aufenau) hat mir einen netten Brief und Käse geschickt.


  1. Wytschate, belgischer Ort etwa 8 km südlich von Ypern.
  2. Am 11. November 1914 stürmte das Regiment erfolgreich ein Waldstück. Siehe Soldan, Das 5. Großherzogliche Infanterie-Regiment Nr. 168

Personen: Weber, Richard · Julian, Einjähriger · Prinz, Frau
Orte: Wytschate · Sedan · Aufenau
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Lazarette · Feldlazarette · Gefallene · Fotografien · Infanterie-Regiment Nr. 168 · Liebesgaben
Empfohlene Zitierweise: „Feldpostbriefe und -karten des Einjährig Freiwilligen Richard Weber aus Wächtersbach, Abschnitt 12: 12.11.1914: Feldpostbrief aus Wytschaete“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/175-12> (aufgerufen am 27.04.2024)