Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Karl Albrecht, Irrfahrt eines Seemanns aus Fulda zu Beginn des Weltkriegs, 1914-1915

Abschnitt 4: Von Buenos Aires über den Atlantik nach Barcelona

Wie froh war ich, als wir Ende Oktober glücklich in Buenos Aires landeten und ich auf dem deutschen Konsulate den wahren Sachverhalt erfuhr, auch erwarteten mich dort schon Briefe meiner Eltern, die mich über vieles aufklärten.

Nun war mein ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet, möglichst bald in mein Vaterland zu gelangen. Aber das war nicht so einfach. Ich versuchte es auf einer ganzen Anzahl neutraler Schiffe und bot hohe Summen, aber überall wurde ich als Deutscher abgewiesen. Je länger je mehr sah ich ein, daß ich auf diese Weise nicht zum Ziele gelangen würde, daß ich zu einer Kriegslist greifen und unter falscher Flagge segeln müsse. Ich verschaffte mir spanische Pässe und mit Hilfe meiner spanischen Sprachkenntnisse hatte ich nun bald ein Passagierbillet erster Kajüte nach Barcelona. An Bord des Schiffes war ich anfangs sehr zurückhaltend, ich wollte erst mal das Terrain sondieren, denn auf der Überfahrt drohten noch allerhand Gefahren. Unter den Passagieren befand sich auch eine ganze Anzahl französischer Reservisten. Nach und nach gab ich meine Zurückhaltung auf und wir spielten und unterhielten uns zusammen, ja sie wußten bald, daß ich ein Deutscher war. Auch über den Krieg unterhielten wir uns lebhaft. Sahen wir am Horizonte Masten oder Schornsteine eines Schiffes auftauchen, so gab es jedesmal eine Aufregung in unserem Kreise. Ich als Deutscher behauptete natürlich, es sei ein deutsches Kriegsschiff, die „Karlsruhe" oder irgend ein anderer deutscher Kreuzer, während die Franzosen behaupteten, es sei eines ihrer Kriegsschiffe oder ein englisches. Meistens war es keines von beiden. Wir lachten dann viel über die unnötige Aufregung. Aber einigemale war doch die Beunruhigung, namentlich für mich, nicht so grundlos. Auf der Höhe von Nordbrasilien kam uns zum erstenmale ein englisches Kriegsschiff in den Weg gelaufen. Dieses ließ uns halten, fragte, nach der Ladung und nach der Nationalität der Passagiere. Da die Auskunft befriedigend ausfiel, machte es uns weiter keine Schwierigkeiten und wir konnten unseren Weg fortsetzen. Einige Tage später, zwischen den Cap Verdischen und den Canarischen Inseln, abends um 10 Uhr, kamen uns wieder drei feindliche Kriegsschiffe, die mit abgeblendeten Lichtern fuhren, entgegen. Dieselben standen längere Zeit durch Lichtsignale mit unserem Schiffe in Verbindung, doch auch dieses Mal konnten wir nach einiger Zeit weiter fahren. Am nächsten Tage kamen wir bei den Canarischen Inseln an. Hier, in neutralen Häfen, lagen zehn oder noch mehr deutsche Schiffe, die dort das Ende des Krieges abwarten. Am selben Tage noch dampften wir weiter und nahmen unseren Kurs nach Gibraltar, einem Punkte, vor dem mir etwas graute. Nach zweieinhalb Tagen waren wir dort angelangt. Ein englisches Torpedoboot ließ uns anhalten, Ein Offizier und einige Soldaten kamen an Bord und revidierten die Schiffspapiere, sowie die Pässe der Passagiere. Sie konnten aber nichts Verdächtiges finden und nach kurzer Zeit wurde uns die Weiterfahrt nach Barcelona freigegeben.


Empfohlene Zitierweise: „Karl Albrecht, Irrfahrt eines Seemanns aus Fulda zu Beginn des Weltkriegs, 1914-1915, Abschnitt 4: Von Buenos Aires über den Atlantik nach Barcelona“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/110-4> (aufgerufen am 30.04.2024)