Synagogen in Hessen
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- Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 39. Frankenau
Grüsen
- Gemeinde Gemünden (Wohra), Landkreis Waldeck-Frankenberg — Von Horst Hecker
- Basisdaten ↑
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Juden belegt seit
19. Jahrhundert
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Lage
35285 Gemünden, Ortsteil Grüsen, Gemündener Straße | → Lage anzeigen
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erhalten
nein
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Jahr des Verlusts
1956
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Art des Verlusts
Abbruch
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- Geschichte ↑
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Grüsen ist heute ein Stadtteil von Gemünden (Wohra) in Nordhessen, zwischen Kellerwald und Burgwald im Wohratal gelegen.
Über die erste Ansiedlung von Juden in Grüsen liegen keine sicheren Nachrichten vor; sie scheint jedoch nicht vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erfolgt zu sein. Vermutlich sind sie aus der benachbarten Stadt Gemünden zugezogen, wo es schon seit dem 16. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde gab. Obwohl sie nicht alle miteinander verwandt waren, trugen die meisten Juden in Grüsen den Familiennamen Marx. Im 19. Jahrhundert gehörten die Grüsener Juden zur Synagogengemeinde Gemünden. 1895 trennten sie sich von Gemünden und bildeten eine selbstständige Gemeinde, die bis zur Wiedervereinigung nach dem Ersten Weltkrieg bestand.1 Die Standesbücher sind ab dem Jahr 1759 erhalten.2
Die zahlenmäßige Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Grüsen stellt sich wie folgt dar: 1744 lebte in Grüsen ein Schutzjude mit seiner Familie.3 Im Jahr 1818 wurden 20 Juden gezählt.4 1835 hatte Grüsen 24 jüdische Einwohner, 1861 34 und 1885 55. Damit entsprach ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 6,8 Prozent. Um die Jahrhundertwende ging die Zahl der Juden in Grüsen allmählich zurück: 1905 waren es noch 44, im Januar 1933, zum Zeitpunkt der Machtübernahme der Nationalsozialisten, 21 und im März 1937 noch 18.5
Die jüdischen Familien in Grüsen lebten überwiegend vom Vieh- und Fleischhandel (sie belieferten u.a. das Hospital Haina) sowie vom Handel mit Manufakturwaren. Daneben besaßen fast alle ein Stück Land, auf dem sie etwas Landwirtschaft betrieben. Die einzige Gastwirtschaft am Ort wurde ebenfalls von einem Juden unterhalten.
Von April 1934 bis November 1938 bestand in Grüsen ein von der Reichsvertretung der Juden in Deutschland errichtetes landwirtschaftliches Ausbildungslager (Hachschara, auch als „Kibbuz Grüsen“ bezeichnet), in welchem junge zionistische Juden auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereitet wurden.6 Die letzten Grüsener Juden wurden Anfang September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach Angabe des Gedenkbuchs des Bundesarchivs sind 14 Juden aus Grüsen in der Shoah umgekommen.7
- Betsaal / Synagoge ↑
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Die Frage, ob es vor 1883, dem Jahr der Fertigstellung der Synagoge, einen Raum gab, in dem sich die Grüsener Juden zum Gottesdienst versammelten, oder ob sie bis dahin in die Synagoge in Gemünden gingen, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten. Für Letzteres spricht, dass es seitens der Grüsener Juden spätestens seit 1860 immer wieder Bestrebungen gab, einen eigenen Gottesdienst am Ort abzuhalten. Entsprechende Gesuche an die kurhessische Regierung blieben jedoch ohne Erfolg.8 Erst unter preußischer Herrschaft ging dieser lang gehegte Wunsch schließlich in Erfüllung.
Bei der neuen Synagoge handelte es sich nicht um einen vollständigen Neubau, sondern lediglich um den Umbau des Hauses Nr. 44, welches sich im Besitz der Witwe von Liebmann Marx, Jette geb. Isenberger, befand. Erst im Jahr 1897 ging das Gebäude an die israelitische Gemeinde über. Nach Angabe des Brandversicherungskatasters war dasselbe 9 Meter lang, 7 Meter tief und hatte zwei Stockwerke, die Grundfläche betrug 63 Quadratmeter. Die Umfassungswände bestanden aus Backsteinfachwerk, das Dach war ursprünglich mit Schiefer gedeckt. An inneren Gegenständen werden genannt: ein Altar, Bänke und Bühne. An Männerplätzen besaß die Synagoge 48, an Frauenplätzen 24.9
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 drangen SA- und SS-Leute in Zivil in das jüdische Gotteshaus ein und zerstörten die gesamte Inneneinrichtung. Es anzuzünden wagte man der Gefahr für die dicht angrenzenden Nachbarhöfe wegen jedoch nicht. 1941 befand das Anwesen sich im Eigentum der politischen Gemeinde Grüsen, welche es noch im selben Jahr an den Landwirt Daniel Blum veräußerte. Nach dem Krieg ging das zu einem Wohnhaus umgebaute Gebäude an die Hessische Treuhandverwaltung in Wiesbaden über. Diese verkaufte es wenig später an einen Einwohner in Dodenhausen. Im Herbst 1956 erfolgte schließlich der Abbruch der ehemaligen Synagoge.10
- Weitere Einrichtungen ↑
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Schule
Über die jüdische Religionsschule und das rituelle Bad, welche in Grüsen ebenfalls existiert haben sollen, ist nichts Näheres bekannt.
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Friedhof
Ursprünglich bestatteten die Grüsener Juden ihre Verstorbenen auf dem jüdischen Sammelfriedhof in Hatzbach, seit 1828 dann auf dem neu angelegten Friedhof in Gemünden.11 Vor dem Ersten Weltkrieg erfolgte die Anlage eines eigenen Friedhofs in Grüsen (erste Belegung 1918, letzte Belegung 1941). Derselbe liegt unmittelbar neben dem christlichen Friedhof an der Straße im „Oberdorf“ und hat eine Größe von 608 Quadratmetern.12 Es sind noch 9 Grabsteine sowie ein Gedenkstein für die beiden Kriegstoten des Ersten Weltkrieges und die in der Nazizeit ermordeten jüdischen Bürger Grüsens vorhanden.
→ Hatzbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
→ Gemünden (Wohra), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
→ Grüsen, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen - Nachweise ↑
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Weblinks
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Quellen
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 365, Nr. 351: Geburts-, Trau- und Sterberegister der jüdischen Gemeinde in Gemünden/Wohra, 1759-1903 (enth. Grüsen)
- HHStAW Best, 365, Nr. 354: Sterberegister der jüdischen Gemeinden in Gemünden/Wohra und in Holzappel, 1824-1843 (enth. Grüsen)
- HHStAW Best 365 Nr. 392: Geburtsregister der Juden von Grüsen, 1852-1874
- HHStAW Best 365 Nr. 393: Geburts- und Sterberegister der Juden von Grüsen, 1852-1874
- HHStAW Best 365 Nr. 396: Sterberegister der Juden von Grüsen, 1869-1874
- HHStAW Best. 503, Nr. 7371: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Kassel. Band 2: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Kreis Frankenberg und im Kreis Hersfeld, (1932-1933) 1960-1963
- Hessisches Staatsarchiv Marburg (HStAM):
- HStAM Best. 224 Nr. 177: Frankenberg, V
- HStAM Best. 180 Frankenberg Nr. 1395: Abhaltung israelitischer Gottesdienste zu Grüsen, ebenso Bestellung eines 2. Gemeindeältesten ebd., 1860-1895
- HStAM Best. 180 Frankenberg Nr. 1530: Nationale Erhebung 1933, Bd. 3, 1936-1937
- HStAM Best. Kataster II, Nr. Grüsen 7, Gebäudebeschreibungen Nr. 50
- HStAM Best. Kataster II, Nr. Grüsen 7, Gebäudebuch S. 25
- HStAM Best. 30 Rep. II, Kl. 5b, Nr. 4
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Literatur
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 299-300
- Brandt, Heinz: Der Kibbuz Hagschamah in Grüsen (1934). In: Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung NF 9, 1979, S. 70-81
- Demandt, Karl E.: Die hessische Judenstättigkeit von 1744. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 23, 1973, S. 292-332
- Grulms, Eva und Kleibl, Bernd: Jüdische Friedhöfe in Nordhessen. Bestand und Sicherung, Kassel 1984, S. 192-193
- Hecker, Horst. Der jüdische Friedhof in Gemünden. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde (ZHG) 116, 2011, S. 65-70
- Schilling, Karl (-sg-): Erst seit 1885 eigenständig. Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde Grüsen. In: Frankenberger Zeitung vom 6.7.2002
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Abbildung vorhanden
✓ (in Bearbeitung)
- Indizes ↑
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Personen
Marx · Liebmann, Marx · Liegmann, Jette, geb. Isenberger · Isenberger, Jette · Blum, Daniel
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Orte
Gemünden (Wohra) · Haina · Palästina · Dodenhausen · Hatzbach
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Sachbegriffe Geschichte
Dreißigjähriger Krieg · Erster Weltkrieg · Schutzjuden · Grüsen, Kibbuz · Grüsen, Hachschara · Theresienstadt, Ghetto · Shoah
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Sachbegriffe Architektur
- Fußnoten ↑
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- HStAM 180 Frankenberg, 1395 ↑
- HHStAW, 365, 351 und 392-396 ↑
- Demandt, Judenstättigkeit, S. 306 ↑
- HStAM, 30 Rep. II, Kl. 5b, Nr. 4 ↑
- HStAM, 180 Frankenberg, 1530 ↑
- Zur Geschichte des Lagers vgl. Brandt, Kibbuz ↑
- Gedenkbuch des Bundesarchivs (s. Weblink) ↑
- HStAM, 180 Frankenberg, 1395 ↑
- HStAM, 224, 177; HStAM, Kataster II, Grüsen, lfd. Nr. 7, Gebäudebeschreibungen, Nr. 50 ↑
- HStAM, Kataster II, Grüsen, lfd. Nr. 7, Gebäudebuch, S. 25 ↑
- Hecker, Jüdischer Friedhof, ZHG 116, 2011, S. 65-70 ↑
- Grulms/Kleibl, Jüdische Friedhöfe, S. 192 f. ↑
- Empfohlene Zitierweise ↑
- „Grüsen (Landkreis Waldeck-Frankenberg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/syn/id/197> (Stand: 22.7.2022)