Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Werra-Meißner-Kreis

Die Bearbeitung der Siedlungen des Werra-Meißner-Kreises umfasst mit dem Gebiet der ehemaligen Landkreise → Eschwege und → Witzenhausen einen am 1.1.1974 neu gebildeten Verwaltungsbezirk. Der heutige Werra-Meißner-Kreis besteht aus 8 Städten, 8 Gemeinden und dem gemeindefreien Gutsbezirk Kaufunger Wald. Über die → Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altkreis) lässt sich der Zustand des Jahres 1961 mit den sogenannten Altkreisen Eschwege und Witzenhausen rekonstruieren.

Werra-Meißner-Kreis: Karte mit Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen

Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL

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Der Werra-Meißner-Kreis trägt seinen Namen zum einen von der in Thüringen entspringenden Werra, die das Kreisgebiet von Südosten nach Nordosten durchfließt, zum anderen von seinem höchsten Berg, dem Hohen Meißner. Der Raum ist durch seinen gebirgigen Charakter, großen Waldreichtum und, daraus resultierend, geringe Bevölkerungsdichte geprägt. Für die Landwirtschaft existierten nur wenige größere Nutzflächen, als verwertbare Rohstoffe sind Braunkohle, Ton, Basalt und Salz (Saline Sooden) zu nennen. Städtische Zentren des Kreises sind Eschwege und Witzenhausen.

Aus historischer Sicht ist für die Entwicklung in besonderem Maße die geographisch bedingte Grenzlage des Kreisgebietes nach Thüringen im Osten und (Nieder-) Sachsen im Norden hervorzuheben. Reichsgut lässt sich in Eschwege, Ermschwerd, Herleshausen, Netra, Sooden-Allendorf und Wanfried nachweisen. Teile aus Reichsbesitz wurden frühzeitig an die Klöster Fulda, Hersfeld, Kaufungen und Gandersheim vergeben. Die Boyneburg gelangte im Laufe des 12. Jahrhunderts an das Reich, das sie wiederum mit Reichministerialen besetzte.

Während die Einflussmöglichkeiten des Erzbistums Mainz – anders als im benachbarten Eichsfeld – gering blieben, fielen im 12. Jahrhundert wichtige herrschaftliche Rechte im Werra-Meißner-Raum an die Landgrafen von Thüringen. Deren Nachfolgern, den Landgrafen von Hessen, gelang im Spätmittelalter die Bildung von Amtsbezirken aus den Städten bzw. Burgen Eschwege, Hessisch-Lichtenau, Sooden, Allendorf, Sontra, Wanfried, Witzenhausen und Ludwigstein. Im Norden versuchte man die Landgrafschaft gegen das Herzogtum Braunschweig, im Nordosten gegen das kurmainzische Eichsfeld und im Südosten gegen das Herzogtum Sachsen abzugrenzen. Bei der Strukturierung der herrschaftlich stark durchmischten Grenzregion spielten die ansässigen Adelsgeschlechter, die Familien von Berlepsch, Bischhausen, Bodenhausen, Boyneburg genannt Honstein, Buttlar, Diede, Dörnberg, Eschwege, Hundelshausen und Keudell, als Lehnsträger von Dörfern und Gerichten eine wichtige Rolle.

Als bedeutende Klosterniederlassungen sind die in Eschwege, Abterode und Germerode aufzuführen, die im Zuge der Reformation aufgehoben bzw. in Pfarrkirchen umgewandelt wurden.

Durch die Einrichtung der Seitenlinie Hessen-Rheinfels-Rotenburg schuf Landgraf Moritz der Gelehrte 1627 für seine Söhne aus zweiter Ehe mit Juliane von Nassau-Dillenburg ein teilsouveränes Fürstentum unter reichsrechtlicher Oberhoheit von Hessen-Kassel. Es umfasste ein Viertel der Landgrafschaft, die sogenannte Rotenburger Quart. Nach der Abtretung von Rheinfels (1654) gehörten hierzu die Städte bzw. Ämter Rotenburg, Sontra, Eschwege, Wanfried, das hessische Drittel an Treffurt, sowie die Gerichte Bilstein mit Germerode, Ludwigstein, die Stadt Witzenhausen, die Herrschaft Plesse mit Kloster Höckelheim und das Amt Neuengleichen. Zeitweise teilten sich Nebenlinien die Herrschaft. Mit dem Aussterben der Rotenburger Seitenlinie fielen die Gebiete 1834 an Kurhessen.

Das Ende des Alten Reiches erbrachte für das spätere Kreisgebiet einschneidende politische Veränderungen. Bis 1806 blieben die Amtsverfassung und die Verteilung der Gerichtsdörfer weitgehend unverändert. In der Zeit des Königreichs Westphalen (1807-1813) erfolgte eine Neugestaltung des Gebiets, das größtenteils zum Werradepartement, anteilig aber auch zum Harz- bzw. zum Leinedepartement gehörte. Die Unterschiede zwischen hessen-kasselischer und hessen-rotenburgischer Landes- und Gerichtsbarkeit fanden dabei keine Berücksichtigung. Bei der Wiederherstellung der früheren Verwaltungszustände wurden diese 1814 erneut zugrunde gelegt, so dass die Ämter und Kreise in der Folge wieder verschiedenen Entwicklungssträngen folgten.

Wie bei der Mehrzahl der Landkreise im Regierungsbezirk Kassel geht die ältere Kreiseinteilung auf das kurhessische Organisationsedikt des Jahres 1821 zurück. Die damals vollzogene Trennung von Justiz und Verwaltung setzte an Stelle der alten Ämter und Gerichte, die noch beide Funktionen vereinigt hatten, Landgerichte und Justizämter als untere Justizbehörden und schuf aus mehreren solcher Gerichtsbezirke den Kreis als Unterbehörde der staatlichen Verwaltung. Der Landkreis Eschwege wurde aus den Ämtern Billstein, Bischhausen, Fürstlich-Rotenburgisches Amt Eschwege, Kurfürstliches Amt Eschwege, Germerode, Netra und Wanfried gebildet, der Kreis Witzenhausen analog aus den kurfürstlichen Ämtern Allendorf, Lichtenau, Ludwigstein, Großalmerode sowie Stadt und Amt Witzenhausen. Beide Kreise gehörten zur Provinz Niederhessen. Nach der Niederlage des Kurfürstentums im Deutschen Krieg 1866 wurden die Landkreise Eschwege und Witzenhausen dem Regierungsbezirk Kassel der preußischen Provinz Hessen-Nassau eingegliedert. In der Folge bestanden beide Kreise weitgehend unverändert fort. Räumlichen Zugewinn erfuhren sie in der ersten Phase der gesetzlichen Neugliederung 1972, als der Kreis Eschwege um die Stadt Sontra, der Kreis Witzenhausen um den Kasseler Teil des Gutsbezirks Kaufunger Wald erweitert wurde.

Die Industrialisierung fasste in den Städten des Kreisgebietes nur langsam Fuß. Bis heute sind im Werra-Meißner-Kreis Forst- und Landwirtschaft strukturprägend. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war bis 1989 in starkem Maße von der Deutschen Teilung und der dadurch bedingten Zonenrandlage des Kreisgebiets geprägt. Gewachsene Verbindungen vor allem in den thüringischen Raum wurden durch die innerdeutsche Grenze getrennt.

Geschichtlich betrachtet ist der Werra-Meißner-Kreis ein heterogenes Gebilde, das erst im Zuge der Gebietsreform 1974 entstanden ist. Dabei konnte nur teilweise an ältere, historisch gewachsene Raumeinheiten angeknüpft werden. Der heutige Werra-Meißner-Kreis umfasst somit eine großflächige Landschaft, die durch unterschiedliche Zugehörigkeiten von Beginn der spätmittelalterlichen Territorialisierung des Raumes an über zahlreiche Verwaltungsumstrukturierungen vom 19. bis in das 20. Jahrhundert hinein beträchtliche Veränderungen erfahren hat.

Die Darstellung basiert auf dem gedruckt vorliegenden Historischen Ortslexikon für Kurhessen von Heinrich Reimer sowie dem von Waldemar Küther bearbeiteten Historisches Ortslexikon Witzenhausen. Hinzu genommen wurden die älteren territorialgeschichtlichen und kirchentopographischen Atlasarbeiten von Walter Krummel, Ämter Melsungen, Spangenberg, Lichtenau und Felsberg, Karl G. Bruchmann, Kreis Eschwege und Wilhelm Classen, Kirchliche Organisation Althessens. Zum Königshof in Eschwege wurden die Lieferungen aus dem Projekt Die deutschen Königspfalzen, Band 1, Lfg. 1, S. 98-112, und Die deutschen Königspfalzen, Band 1, Lfg. 2, S. 113-130, herangezogen. Hilfreich waren ferner die Darstellungen Heinemeyer, Königshof Eschwege, der Sammelband Ludwigstein. Annäherungen an die Geschichte der Burg und die Überblicksdarstellung Kreis Witzenhausen. Für die Stadt Hessisch-Lichtenau liegt eine Mappe des Hessischen Städteatlas vor.

Die statistischen Angaben zu den Einwohner- und Häuserzahlen sowie der Flächennutzung basieren, sofern nicht anders vermerkt, auf dem Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau sowie der Hessischen Gemeindestatistik.

Großer Wert wurde auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die, wo möglich, auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier genügt der Verweis auf das 2008 von Folkhard Cremer neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen) von Georg Dehio sowie auf die vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen herausgegebenen Bände Kulturdenkmäler in Hessen, Werra-Meißner-Kreis 1 (Altkreis Eschwege), Kulturdenkmäler in Hessen, Werra-Meißner-Kreis 2 (Stadt Eschwege) und Kulturdenkmäler in Hessen, Werra-Meißner-Kreis 3 (Altkreis Witzenhausen).