Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Erste hessische Wandervogel-Jugendgruppe in Darmstadt, 11. Juli 1906

In Darmstadt wird eine der ersten Jugendgruppen des „Wandervogel“ in Hessen gegründet.

Der Wandervogel entstand rund zehn Jahre zuvor als eine von Schülern und Studenten bürgerlicher Herkunft getragene Bewegung. Angeregt durch die Ideale der deutschen Romantik setzt sie der fortschreitenden Industrialisierung der Städte und den strengen erzieherischen Vorgaben des schulischen und gesellschaftlichen Umfelds ein alternatives Lebenskonzept entgegen, das Naturerlebnis und ein klassenloses Gemeinschaftsgefühl sowie die „Rückbesinnung“ auf heimatliche kulturelle Inhalte und Ideale in den Mittelpunkt stellt.

Der Wandervogel wird zum Ausgangspunkt der jugendbewegten Geisteshaltung, die während des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse für unterschiedliche reformerische Strömungen wie Reformpädagogk, Freikörperkultur und Lebensreformbewegung liefert. Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie als Gegenentwurf zur Kultur des Wilhelminischen Kaiserreichs, zu Verstädterung, Konkurrenzökonomie und bürgerlichem Materialismus verstanden werden müssen. Ihre Anhänger versuchten sich durch neue Ideen der Lebensführung aus dem engen Korsett der preußisch-deutschen Klassengesellschaft zu lösen.

Darmstadt ist 1909 Ersterscheinungsort des Liederbuchs „Der Zupfgeigenhansel“, dass weite Verbreitung findet und prägenden Einfluss auf den Wandervogel und die Jugendbewegung erlangt.
(KU)