Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Kröffelbach Karten-Symbol

Gemeinde Waldsolms, Lahn-Dill-Kreis — Von Susanne Gerschlauer
Basisdaten | Geschichte | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | Nachweise | Indizes | Empfohlene Zitierweise
Basisdaten

Juden belegt seit

Mitte 18. Jahrhundert

Lage

35647 Waldsolms, Ortsteil Kröffelbach, Oberquembacher Straße | → Lage anzeigen

erhalten

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historisches Ortslexikon

Geschichte

Im 16. Jahrhundert hielten die Fürsten von Solms-Braunfels die Ortsrechte an Kröffelbach.1

Erste Juden sind Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt. Der Nachweis für erste Juden im benachbarten Brandoberndorf stammen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.2 In Kröffelbach lebten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 11 Juden, 1856 waren es 17, 1871 noch 20. Schon 1880 war ihre Zahl auf 10 Personen gesunken. 1843 lebten in Brandoberndorf 18 Juden, 1871 waren es 16. 1905 wohnten 15 jüdische Personen in Brandoberndorf. Kraftsolms zählte im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts 14 Personen, im letzten Drittel lebten dort vier Familien. Um 1933 lag die Zahl aller zur Synagogengemeinde Brandoberndorf gehörenden Juden bei 25 bis 28 Personen.3 1939 lebten noch acht jüdische Kröffelbacher in der Gemeinde.4

Um 1848 bestand eine Synagogengemeinde aus Kröffelbacher Juden zusammen mit Juden aus Kraftsolms und Griedelbach; sie war vermutlich im späten 18. Jahrhundert gegründet worden. Nach der Jahrhundertmitte schlossen sich die Juden dieser Orte mit der jüdischen Gemeinde im etwa zwei Kilometer entfernten Brandoberndorf zusammen, das als Hauptort fungierte.5 Um das Jahr 1932 war der Vorsitzende der Synagogengemeinde Nathan Abraham. Er war 1899 im Ort geboren worden, seiner Familie gehörte die der Synagoge gegenüberliegende Hofreite.6 Die Gemeinde besaß mehrere Thorarollen.7 Die Mehrheit der Kröffelbacher Juden lebte vom Viehhandel, als Händler landwirtschaftlicher Produkte und als Bauern.8

Einige der jüdischen Kröffelbacher konnten vor 1939 ins Ausland emigrieren; acht Kröffelbacher Juden wurden zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten deportiert und in Konzentrationslagern ermordet.9

Betsaal / Synagoge

Möglicherweise bereits seit Anfang des 18. Jahrhunderts fand der Gottesdienst der jüdischen Gemeinde in einem dafür angemieteten Betraum eines Privathauses statt. Die kleine Hofreite (heute Hausnr. 10), an der Hauptdurchgangsstraße nach Oberquembach, im östlichen Ortskern gelegen, gehörte vermutlich seit etwa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem jüdischen Viehhändler Abraham David mit seiner Frau Johanna, die im letzten Drittel des Jahrhunderts nach Nordamerika auswanderten.10 Über seine Gestaltung und Ausstattung ist die geringe Größe sowie das Fehlen einer Frauenempore bekannt.11

Nach Verkauf dieses Gebäudes 1895 wurde der jüdischen Gemeinde gekündigt.12 In der Folgezeit erwirkte sie beim zuständigen Regierungspräsidium in Koblenz gegen dessen erhebliche Widerstände die Bewilligung für den Neubau einer Synagoge in Kröffelbach. Mithilfe umfangreicher Spenden konnte die Finanzierung des Gebäudes erreicht werden. Unter den Spendern für den Neubau befanden sich der Herzog von Nassau sowie die politischen Gemeinden Brandoberndorf, Kraftsolms und Kröffelbach.13

Das kleine Fachwerkgebäude stand auf einem am ehemaligen nordöstlichen Ortsrand gelegenen Platz in der Kurve an der Straße nach Oberquembach (ehem. Lindenstraße 102), etwa 1,60 Meter oberhalb der Straßenfläche. Das Gebäude hob sich durch den ihm im Südwestgiebel aufgesetzten kleinen Reiter von der es umgebenden Wohnbebauung ab.

Am 17. August 1895 wurde das Gebäude in der Oberquembacher Straße durch den Bezirksrabbiner Landau aus Weilburg, feierlich eingeweiht. Über einer Grundfläche von etwa 9,50 x 7,50 Metern bot das eingeschossige Fachwerkgebäude mit einer Geschosshöhe von fünf Metern die Grundausstattung zur Abhaltung von Gottesdiensten. Es war mit einem Satteldach versehen und von Südwest nach Nordost ausgerichtet. Über eine mehrstufige Treppe von der Burgstraße bzw. Oberquembacher Straße aus gelangten die Gottesdienstbesucher von Südwesten her vor die Synagoge. Der Haupteingang lag an der Südecke der parallel zur Straße verlaufenden Südosttraufe. Von dort aus wurde die Frauenempore, die entlang der Südwestwand verlief, erschlossen, und auch die Männer gelangten von hier aus in den Gottesdienstraum. Die Längsachse bot den freien Blick auf Vorlesepult sowie Thoraschrein, der durch eine Nische, die nach außen sichtbar war, besonders hervorgehoben wurde. Zum Mobiliar gehörte ein Ofen. Es gab Sitzplätze für 28 Männer und 16 Frauen.14

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten nahmen die Repressalien gegen die in Kröffelbach lebenden Juden erheblich zu. Einen ersten Höhepunkt erreichten sie 1935 mit einem Einbruch in die Synagoge. Im November 1938 wurde sie durch SA-Mitglieder abgebrannt. Die Reste des Gebäudes wurden später abgebrochen, der entstandene Platz eingeebnet. Eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdischen Kröffelbacher und die Synagoge befindet sich an der Mauer des Pfarrhauses in der Oberquembacher Straße, etwa 40 Meter vom Standort der Synagoge entfernt.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

VVermutlich gab es eine Mikwe. Über ihre Lage und Aussehen ist nichts bekannt.15

Friedhof

Die Juden aus Kröffelbach beerdigten ihre Verstorbenen auf dem jüdischen Friedhof in Burgsolms.

Burgsolms, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Burgsolms, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

Nachweise

Weblinks

Quellen

Literatur

Abbildungen

Indizes

Personen

Solms-Braunfels, Fürsten von · Abraham, Nathan · David, Abraham · David, Johanna · Landau, Bezirksrabbiner

Orte

Brandoberndorf · Kraftsolms · Griedelbach · Nordamerika · Koblenz · Weilburg

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Vorlesepulte · Thoraschreine · Öfen

Sachbegriffe Architektur

Frauenemporen · Fachwerkbauten · Satteldächer

Fußnoten
  1. HHStAW 354, 161
  2. HHStAW 339, 55
  3. Ortsartikel Kröffelbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  4. Heuer/Bangel/Mutz, Kröffelbacher Juden, S. 1
  5. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 88
  6. Gebäudebuch Kröffelbach, in GemA Waldsolms, Best. Kröffelbach
  7. Heuer/Bangel/Mutz, Kröffelbacher Juden, S. 3
  8. Heuer/Bangel/Mutz, Kröffelbacher Juden, S. 4
  9. Ortsartikel Kröffelbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  10. Gebäudebuch Kröffelbach, in GemA Waldsolms, Best. Kröffelbach
  11. Ortsartikel Kröffelbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  12. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 88, nennt im Unterschied dazu die Jahreszahl 1876 für einen Umbau aus einer Scheune mit Standort der jüngsten Synagoge in der Lindenstraße.
  13. Ortsartikel Kröffelbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  14. Plan der Synagoge (o.J.), in GemA Waldsolms, Best. Kröffelbach
  15. Ortsartikel Kröffelbach auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
Empfohlene Zitierweise
„Kröffelbach (Lahn-Dill-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/syn/id/409> (Stand: 26.4.2022)