Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

  • Vorschaubild
  • Vorschaubild
  • Vorschaubild
  • Vorschaubild
  • Vorschaubild
  • Vorschaubild

Verkündigung an Maria und Hl. Agnes (Fritzlar · Dommuseum)

Fritzlar · Dommuseum (Lage anzeigen) → [Unbekanntes Fenster]
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

308-2-01-01

Band:

III/3

Katalog Seite(n):

130 ff.

Nr.:

2-4

Titel:

Verkündigung an Maria und Hl. Agnes (Fritzlar · Dommuseum)

Standort heute:

Fritzlar, Dommuseum

Anmerkung:

Verkündigungsengel: H. 49,5 cm, B. 16 cm; Maria: H. 47,5 cm, B. 16 cm; Hl. Agnes: H. 51 cm (46,5 cm ohne untere Flickstücke), B. 15,5–16 cm.

Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Für die breiten Seitenschifffenster im südlichen Langhaus dürfte die Figurengruppe schwerlich geschaffen worden sein, wie Drach 1909 noch angenommen hat. Die ungewöhnlich schmalen Felder lassen selbst unter der Annahme verlorener Randstreifen vielmehr auf eine Gruppe kleiner zweibahniger Maßwerkfenster schließen. Die Allerheiligenkapelle im Kreuzgang kommt hierfür nicht in Frage, obgleich deren Fenster sicher einmal mit Figuren in den unteren Zeilen ausgestattet waren. Trotz passender Höhenmaße hätte man hier zusätzlich jeweils 7 cm breite Randstreifen zu rekonstruieren, um die Breitenmaße der Lanzetten zu erreichen. Hinzu kommt, dass der Marien- und Agnesscheibe Blattstücke einer andersgestalteten Ornamentverglasung mit kreuzschraffierten Gründen eingeflickt sind. Auch die 1354 errichtete Marienkapelle am nördlichen Querarm ist aufgrund der zu großen Fenstermaße als einstiger Standort auszuschließen. Dagegen spricht viel dafür, die Glasmalereien auf eine Stiftung des Fritzlarer Kanonikers Hermann von Falkenberg (1293?–1348) zurückzuführen. Hermann hatte im Jahr seines Ablebens einen Altar zu Ehren der Hll. Agnes und Dorothea in der Falkenberger Kapelle (auch Stümmechen-Kapelle) neben der Krypta errichten lassen10. Dort bestand auch bereits ein von ihm mitdotierter Marienaltar. In seinem Testament stellte der Kanoniker, der 1344 zum Lobe der Jungfrau Maria im Stift das Verkündigungsfest als Hochamt eingerichtet hatte, dafür nun Vikaren, Altaristen und Chorsängern zusätzliche Mittel zur Verfügung. So dürfte es sich bei den drei Feldern um den Rest einer kompositen Verglasung aus Figuren unter Ornamentteppichen handeln, die einst für die Falkenberger Kapelle gestiftet worden war und welche um die heute fehlende Figur der Hl. Dorothea ergänzt werden muss11. Die Kapelle befand sich möglicherweise in der heutigen Wochensakristei auf der Südseite neben dem Hauptchor. Ihr ursprünglicher architektonischer Kontext ist durch den Einbau von Renaissancefenstern an der Ostwand jedoch nicht mehr rekonstruierbar, die beiden seitlichen zweibahnigen Maßwerkfenster der Südseite sind für unsere Figurenfelder zu breit12.

Breite:

16.00 cm

Höhe:

51.00 cm

Datierung:

um 1350

Zuordnung:

Fritzlar · Dommuseum » [Unbekanntes Fenster]

Katalog

Inschriften

Auf dem Schriftband rechts neben dem Verkündigungsengel AVE • MARIA; auf dem Schriftband links neben Maria EC[C]E • ANCILLA • D(OMI)NI; rechts neben der Hl. Agnes S • AGNES. Die Schrift ist in reich verzierter gotischer Majuskel ausgeführt.

Erhaltung

Die Flickstücke dieser Scheibengruppe lassen sich einer älteren Instandsetzungsmaßnahme zuordnen, jüngere Restaurierungen sind nicht nachzuweisen. Einige Sprünge und Anstückungen am unteren Bildrand. Schwarzlotkonturen und begleitende Halbtonschatten intakt, nur vereinzelt geringfügige Ausbrüche. Das linke Auge der Agnesfigur zeigt bereits auf den älteren Aufnahmen weitgehend abgewittert. Dort ist auch der Kleeblattrankengrund stärker berieben. Außenseitig sinterartige Ablagerungen und fortgeschrittener Lochfraß. Mehrere Sprungbleie.

Ikonographie

Die bahnübergreifend angelegte Verkündigungsszene ohne Besonderheiten. Ungewöhnlich dagegen ist der Clipeus mit dem Lamm in den Händen der Hl. Agnes, ein Attribut, das ansonsten Johannes Baptista auszeichnet. Wir werden mit dieser Frühform auf die ursprüngliche christologische Bedeutung dieses Motivs verwiesen, deutet doch das Lamm auf die Vision der Eltern nach dem Tod ihres Kindes hin. Agnes erschien diesen inmitten der Jungfrauenschar mit einem Lamm zur Rechten, welches als Symbol für die Zusammenkunft der Märtyrerin mit dem himmlischem Bräutigam steht13.

Komposition, Stil, Datierung

Die Gemeinsamkeiten mit dem um 1340 möglicherweise im nördlichen Hessen entstandenen Fritzlarer Altarretabel bleiben auf den architektonischen Formenapparat wie die in den Arkaden einbeschriebenen Maßwerkfüllungen und den abschließenden Zinnenkranz beschränkt. Ansonsten deckt der Vergleich eher die grundverschiedenen künstlerischen Voraussetzungen beider Werke auf. Während die mageren spinngliedrigen Figuren des Retabels mit ihren großen, fast übertriebenen Gebärdenreichtum eine größere Vertrautheit des Künstlers mit der neuen Formensprache belegen, ist in den Glasmalereien die Bruchstelle zwischen alter und moderner Auffassung weitaus schwerer auszuloten. Die Agnesfigur bewahrt in der Form ihres über den Ellbogen gespannten Mantels noch Gestaltungselemente aus spätromanischer Zeit. Dieser Stilkonservativismus setzt sich im Rahmensystem fort, das aus rundbogig schließenden Maßwerkarkaden unter spätromanischen Turmarchitekturen besteht14. Als jüngste Elemente wird man den Kleeblattgrund und die ellipsenförmigen Maßwerkbildungen über dem Verkündigungsengel ansehen dürfen, die ähnlich dem Chorfenstermaßwerk der 1354 geweihten Marienkapelle gebildet sind. Ein Blick auf die Außenseiten eines etwa gleichzeitig entstandenen, aber wesentlich moderner gestalteten Kölner Flügelaltärchens mit der Verkündigung und weiteren Heiligen macht die konservative Grundhaltung der Glasmalereiwerkstatt augenfällig15. Die etwas gleichgültige Stimmungslage der Figuren wird wesentlich von den wellenförmigen und breit gezogenen Mundstrichen bestimmt, die auf breiten und platten Gesichtern liegen. Dies und die charakteristische kreisförmig angedeutete Kinnpartie begegnen auch in den älteren, um 1300 entstandenen Stifterfiguren von St. Pauli in Soest, die überdies eine vergleichbar gespannte Körperhaltung mit entsprechend schwungvollen Faltenverläufen zeigen. Hier wie dort arbeiteten die Maler bevorzugt mit stark variierenden Strichstärken16. Gegenüber Soest ist allerdings in Fritzlar das Faltennetz mehr schablonenartig ausgeschrieben und mit hakenförmigen Endungen versehen, was vielleicht der späteren Entstehung geschuldet ist. Westfalen(?), um 1350.

Farbigkeit

Neben dem vorherrschenden Weiß für den gesamten Bildhintergrund bleibt der Farbakkord auf die Farben Blau, Rot und Gelb beschränkt. Der weiß gefiederte Erzengel im gelben Mantel, blauem Untergewand und rotem Strahlennimbus, Maria mit blauem, weiß gefütterten Mantel und rotem Kleid, Nimbus gelb. Agnes trägt einen roten Mantel über dem blauen Kleid; ihr Nimbus ist ebenfalls gelb. Hinter den gelben Maßwerkbögen ragen drei, abwechselnd rot und blau gemauerte Rundtürmchen mit gelben Kegeldächern hervor.

Bildnachweis:

CVMA J 12840f., Großdias J 01/209f.

Indizes
Iconclass:

11HH(AGNES)63(+2) · 73A521 = die Verkündigung: Maria steht

Sachbegriffe:

Arkaden · Bänder · Engel · Kegeldächer · Kleeblätter · Lämmer · Majuskeln, gotische · Nimben · Rundtürme · Inschriften · Strahlen · Türme · Verkündigungsszenen · Tiere

Personen:

Maria <von Nazareth> · Agnes <Heilige>

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Verkündigung an Maria. Fritzlar, Dommuseum, Nr. 2f. Westfalen(?), um 1350. (Ausschnitt) – CVMA Band III/3, S. 131 Fig. 86 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  2. Verkündigung an Maria und Hl. Agnes: ES [= Erhaltungsschema] Dommuseum Nr. 2 – CVMA Band III/3, S. 130 Fig. 83.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  3. Verkündigung an Maria. Fritzlar, Dommuseum, Nr. 2f. Westfalen(?), um 1350. (Ausschnitt) – CVMA Band III/3, S. 131 Fig. 86 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  4. Verkündigung an Maria und Hl. Agnes: ES [= Erhaltungsschema] Dommuseum Nr. 3 – CVMA Band III/3, S. 130 Fig. 84.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  5. Verkündigung. Hl. Agnes. Fritzlar, ehem. Chorherrenstift. Dommuseum, Nr. 2-4. Westfalen, um 1350. – CVMA Band III/3, S. 548 Abb. 47.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  6. Verkündigung an Maria und Hl. Agnes: ES [= Erhaltungsschema] Dommuseum Nr. 4 – CVMA Band III/3, S. 130 Fig. 85.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
Empfohlene Zitierweise
„Verkündigung an Maria und Hl. Agnes (Fritzlar · Dommuseum)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/308-2-01-01> (aufgerufen am 16.05.2024)