Hessische Biografie
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GND-Nummer
118681346
Du Ry, Simon Louis [ID = 5840]
- * 13.1.1726 Kassel, † 23.8.1799 Kassel, evangelisch-reformiert
Architekt, Hofbaumeister, Direktor der Bauabteilung der Akademie, Oberbaudirektor - Biografischer Text
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Simon Louis Du Ry ist der bedeutendste Vertreter der über drei Generationen als landgräfliche Baumeister in Kassel wirkenden Hugenottenfamilie. Ab 1746 erhielt er eine umfassende Architektenausbildung. Nach zwei Jahren in Stockholm bei Carl Hårleman wechselte er 1748 an die berühmte Bauschule von Jacques-François Blondel nach Paris. Blondels Architekturlehre übte größten Einfluß auf Du Ry aus und blieb für ihn zeitlebens verbindlich. Ein Aufenthalt in Italien von 1753 bis 1756 schloß sich an. Nach der Rückkehr übernahm der bereits 1753 zum Baumeister ernannte Du Ry zunächst die Bauleitung beim Schloßbau von Wilhelmsthal, der 1748 nach Entwürfen von François de Cuvilliés begonnen worden war. Der Siebenjährige Krieg unterbrach alle baulichen Aktivitäten, aber danach konnte Du Ry in Kassel eine umfangreiche und vielseitige Tätigkeit entfalten, da Landgraf Friedrich II. sich engagiert der Umwandlung Kassels in eine moderne Residenzstadt widmete. Die Schleifung der Festungsanlagen erforderte grundlegende städtebauliche Maßnahmen zur Verbindung der nebeneinanderliegenden Altstadt und der seit 1688 in regelmäßiger Form angelegten Oberneustadt. Mit der Anlage von neuen Plätzen (Friedrichs- und Königsplatz) und Straßen (Königsstraße) fand Du Ry eine großzügige stadtplanerische Lösung, die das Bild der Stadt bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und beim Wiederaufbau prägte. Dem Architekten wurden die wichtigsten öffentlichen und privaten Bauaufgaben übertragen. Besonderen Rang nahm dabei der Museums- und Bibliotheksbau des Museums Fridericianum ein, der als Du Rys Hauptwerk gilt und zu den Gründungsbauten des Klassizismus in Deutschland zählt. Die meisten Bauten dieses Platzes wie auch des kreisrunden Königsplatzes und der verbindenden Königsstraße errichtete ebenfalls Du Ry. Die Spanne der Aufgabenstellungen in der Stadt reichte vom Kirchenbau (Elisabethkirche) über Stadtpalais, Bauten für Militär-, Gesundheits- und Armenwesen (Charité) bis zu zahlreichen Privathäusern. Außerhalb Kassels war der Architekt für den Landesherrn beim Schloßbau von Weißenstein (Wilhelmshöhe) und für den Adel bei den Schlössern von Windhausen, Fürstenberg und Hüffe tätig. Weiterhin oblagen ihm die Neuplanung und der Ausbau der Bäder Gesundbrunnen bei Hofgeismar und Nenndorf. Letzteres ging auf eine Anregung des 1785 zur Regierung gelangten Landgrafen Wilhelm IX. zurück, der mit Heinrich Christoph Jussow, einem Schüler Du Rys, zunehmend einen Vertreter des ausgeprägten Klassizismus bevorzugte. Neben seinem beruflichen Wirken war Du Ry auch als ständiger Sekretär und Lehrer an der 1777 gegründeten Kasseler Kunstakademie beschäftigt. 1781 übernahm er die Leitung der Bauabteilung. Die Ernennungen zum Rat 1776, zum Oberkammerrat 1790 und zum Oberbaudirektor 1794 spiegeln die Wertschätzung wider, derer sich Du Ry bei den beiden hessischen Fürsten erfreute.
Gerd Fenner
(Text übernommen aus Bestandskatalog der Architekturzeichnungen des 17.–20. Jahrhunderts in der Graphischen Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel; URL:https://architekturzeichnungen.museum-kassel.de/0/32058)
- Literatur
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- Mävers, Reformimpuls und Regelungswut. Die Kasseler Kunstakademie im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, Darmstadt/Marburg 2020
- Martina Sitt (Hrsg.), „Geeignet, junge Künstler zu belehren…“. Die Anfänge der Kasseler Kunstakademie (1777–1830), 2. Aufl., Hamburg 2018, S. 10 ff., 14, 20, 24, 27, 31, 36, 38 ff., 43, 48, 61, 89, 91, 99, 121, 191, 213 ff., 226, 257, 322, 343
- Maximiliane Mohl, Das Museum Fridericianum in Kassel, Heidelberg 2017, S. 101, 103, 105, 106,116, 129, 136
- Kassel Lexikon, hrsg. von der Stadt Kassel, Bd. 2, Kassel 2009, S. 181 (Hans-Kurt Boehlke)
- Harald Brock, Die Landsitzarchitektur Simon Louis Du Rys, Marburg 2008
- Günter Meißner (Hrsg.), Allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 31, München u.a. 2002, S. 233
- Paul Schmaling, Künstlerlexikon Hessen-Kassel 1777–2000. Mit den Malerkolonien Willingshausen und Kleinsassen, Kassel 2001, S. 491 f.
- Hans-Christoph Dittscheid, Kassel-Wilhelmshöhe und die Krise des Schloßbaues am Ende des Ancien Regime. Charles De Wailly, Simon Louis Du Ry und Heinrich Christoph Jussow als Architekten von Schloß und Löwenburg in Wilhelmshöhe (1785–1800), Worms 1987
- Hans-Kurt Boehlke, Simon Louis DuRy. Ein Wegbereiter klassizistischer Architektur in Deutschland, Kassel 1981
- Neue deutsche Biographie, Bd. 4, Berlin 1959, S. 203 f. (Hans Reuther)
- Hans Vollmer (Hrsg.), Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler, begr. von Ulrich Thieme und Felix Becker, Bd. 29, Leipzig 1935, S. 247-249
- Hermann Phleps, Zwei Schöpfungen des Simon Louis du Ry aus den Schlössern Wilhelmstal und Wilhelmshöhe in Kassel, Berlin 1908
- Otto Gerland, Paul, Charles und Simon Louis Du Ry. Eine Künstlerfamilie der Barockzeit, Stuttgart 1895
- Gustav Prior (Hrsg.), Jacob Hoffmeister´s gesammelte Nachrichten über Künstler und Kunsthandwerker in Hessen seit etwa 300 Jahren, Hannover 1885, S. 23