Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Karl Rühl, Auszug und erste Kriegswochen des Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 116 aus Darmstadt und Gießen, 1914

Abschnitt 9: Befehl zum Rückzug der deutschen Truppen an der Marne

[19-20]
Von der 49. Landw. Brig. trifft abends der Befehl ein, daß L. 116 und L. 118 zurückgehen sollen. L. 118 und 1. und 2. Komp. des Regts. führen die Rückzugsbewegung aus, die übrigen neun Kompagnien halten auf eigene Verantwortung des Regiments-Führers bei den Sachsen aus. Nach eindringlicher Vorstellung des sächsischen Brigade-Führers waren die Regimenter 133 und 134 nicht mehr in der Lage, erfolgreich stärkeren Angriffen Widerstand zu leisten. Somit wäre eine [S. 20] erhebliche Gefährdung des linken Flügels der 3. Armee eingetreten, da die bedrohte Lage des Flügels der französischen 4. Armee starke Vorstöße für den nächsten Tag wahrscheinlich machte. Die Sachsen wurden im Laufe der Nacht zur Neuformierung zurückgezogen.

Strahlend geht die Sonne am 9. 9. auf. Schon am frühen Morgen greift der Gegner mit Energie aus Châtel Raould, Château Beaucamp und den Waldstücken westlich davon an; er wird vom Regiment, das durch vier sächsische M.G. verstärkt ist, abgewiesen und geht fluchtartig zurück. Nunmehr setzt das Artilleriefeuer unter Leitung durch Flieger mit verstärkter Heftigkeit ein; wieder, wie auch am Vortage, müssen Teile von der Höhe in Deckung genommen werden. Am Nachmittag nimmt das feindliche Artilleriefeuer noch an Stärke zu; das Regiment hält in guter Disziplin aus, obwohl stärkere Verluste eintreten. Weitere Vorstöße des Gegners bleiben ohne Erfolg.

Um 3.00 nachm. erreicht die Schlacht ihren Höhepunkt, das Vorgehen der Deutschen beginnt. Als die Sonne sinkt, ist der linke Flügel der französischen Armee bei Humbauville umfaßt; VIII. A.K. und VIII. R.K. rücken von Vitry auf St. Remy vor; das große Tor zum deutschen Durchbruch ist geöffnet, der Sieg winkt. Aber die deutsche 4. Armee darf nicht mehr darnach greifen, auch sie hat der Rückzugsbefehl erreicht.

Am Abend des 9.9. trifft für das Regiment wie auch für die Sachsen der Rückzugsbefehl ein; nach Einbruch der Dunkelheit beginnt die Bewegung. Das Regiment deckt die zurückgehende Artillerie; III. nimmt 10.00 abends eine Ausnahmestellung an Höhe 186, am Morgen gegen 50 eine solche bei der Zahl 129 ein. Ein Nachdrängen des Gegners erfolgt zunächst nicht. Am Morgen des 10. 9. bezieht das Regiment Biwak nördlich Höhe 165. das um 2.00 nachm. abgebrochen wird, um die Vereinigung mit der eigenen Brigade zu vollziehen.

Der Befehlshaber der französischen 4. Armee geht mit drei Korps an seinem gefährdeten linken Flügel zum Angriff vor; er stößt nur auf schwachen Widerstand deutscher Nachhuten, völlig ohne sein Verdienst.


Personen: Rühl, Karl
Orte: Châtel Raould · Château Beaucamp · Humbauville · Vitry · St. Remy
Sachbegriffe: Landwehr Infanterie-Regiment Nr. 116 · 49. Landwehr-Brigade · Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 118 · Artilleriefeuer · Flugzeuge · VIII. Reservekorps · VIII. Armeekorps
Empfohlene Zitierweise: „Karl Rühl, Auszug und erste Kriegswochen des Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 116 aus Darmstadt und Gießen, 1914, Abschnitt 9: Befehl zum Rückzug der deutschen Truppen an der Marne“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/112-9> (aufgerufen am 29.04.2024)