Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

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Synagoge (Marburg, Elisabethkirche)

Marburg, Elisabethkirche (Lage anzeigen) → Christus-Maria-Fenster Chor H I
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

321-1-02-02

Band:

III/3

Katalog Seite(n):

368

Nr.:

1-4b

Titel:

Synagoge (Marburg, Elisabethkirche)

Anmerkung:

H./B.: 1b: 48/82,5 cm; 2b: 65/82,5 cm; 3b: 64/82,5 cm; 4b: 53,5/82,5 cm.

Breite:

82.50 cm

Höhe:

65.00 cm

Datierung:

um 1240-1250

Zuordnung:

Marburg, Elisabethkirche » Die spätromanische Erstausstattung » Die Verglasung des Chores um 1245/50 (Werkstatt der spätromanischen Standfiguren) » Christus-Maria-Fenster Chor H I

Katalog

Erhaltung

Überwiegend originale Glassubstanz. Geringfügige Ergänzungen im Brust- und Kniebereich der Figur. Im Tabernakel sind ein unteres Teilstück der Säule und die beiden Basenwülste in der Architekturbekrönung erneuert. Ein größeres Stück des Blattrankengrundes im Nacken der Figur ergänzt. Fast vollständig ausgewechselt der äußere Perlbandstreifen. Der Vergleich mit dem fotografisch dokumentierten Zustand der Glasmalereien zur Zeit der Kriegsbergung offenbart die in den letzten Jahrzehnten rapide beschleunigte Verwitterung. Gesicht, Hände und Haare der Synagoge sind bis zur Unkenntlichkeit verbräunt. Überdies sind vor allem grüne, im Bereich der Architektur vereinzelt auch blaue und rote Farbgläser mit einem dunklen Firnis überzogen, der die Leuchtkraft entscheidend vermindert.

Ikonographie

Synagoge, die Personifikation der Kirche des Alten Bundes, scheint in ihrer nach rechts gerichteten Körperhaltung zum Abgang bereit, den Kopf im strengen Profil zu Ecclesia gewandt, weniger reumütig wie in Straßburg, wo ihr Blick scheu zu Boden fällt, sondern aufrecht, als blicke sie der fallenden Krone nach. Mit einem Tuch sind ihr die Augen verbunden (Io 12,40), unter dem Stoff zeichnen sie sich aber als geöffnet ab. Die gebrochene Lanze wird nah am Körper gehalten, Lanzenspitze und Wimpel liegen schon am Haarscheitel auf und haben die Krone vom Haupt gestoßen, die im nächsten Moment zu Boden fallen wird. Der abgewinkelte rechte Arm fasst einen blutigen Ziegenkopf an den Hörnern (in Straßburg ist es die Gesetzestafel), ein Hinweis auf die von Gott geforderten Brandopfer. Synagoge trägt wie ihr Vorbild keinen Mantel, allerdings Untergewand und Kleid, das jedoch ausgesprochen reich mit quer verlaufenden Farbbändern geschmückt ist. Ein langer Gürtel umspannt fest die Hüfte, doch zeichnet sich bis auf das Motiv der vom Stoff umhüllten Füße darunter nicht, wie in Straßburg, die wohlgeformte Körpergestalt ab91; dafür greift die Marburger Figur die äußerst anmutige und spiralige Körperdrehung ihres Vorbildes auf (Kopf nach links, Oberkörper frontal, Unterkörper nach rechts orientiert), sie erhält sogar durch das leichte Vorstrecken des Bauches eine laszivere Note. Allerdings stellt die Synagoge eine weitgehend spiegelverkehrte Wiedergabe dar, der die Arme nur bedingt folgen. Damit liegt ein entscheidender, möglicherweise auch inhaltlich zu deutender Unterschied zwischen beiden Figurengruppen in der noch kommunikationswilligen Hinwendung zum Richter in Straßburg und der endgültigen Abwendung der Synagoge in Marburg, wobei Letztere von Ecclesia regelrecht zum Abgang gedrängt zu werden scheint92. Die Umstellung der Figuren wäre demnach ein bedachter Kunstgriff des Programmgestalters in Marburg, um die antithetische Bedeutung der Szene hervorzuheben, während sich die Figurenpaare in den benachbarten Fenstern einander zugewandt haben dürften.

Komposition, Farbigkeit, Ornament

Synagoge im hellblauen Rock mit einem um den Halsausschnitt ungewöhnlich breiten Saum aus grünem Palmettenstreifen und schmalem Perlband, der an den Schultern mit roten blattförmigen Epauletten verziert ist. Vier weitere Farbbänder in Gelb-Rot, Gelb-Weiß, Rot-Weiß und Weiß-Rot umziehen den knöchellangen Rock, darunter ein gelbes, beide Füße umhüllendes Untergewand mit grün-rot geteiltem Saum. An den Ärmeln ebenfalls ein grüner Saum und ein schmaler gelber Streifen93. Ziege violett mit rotem Halsende, Lanze ursprünglich goldgelb, jedoch stark korrodiert, hellblaue Spitze, das Velum der Lanze rot mit grünen Perlbandstreifen verziert. Tabernakelarchitektur gegenüber Ecclesia geringfügig variiert: Die Säulenschäfte zeigen anstelle der Einsprengsel Marmoradern, die Figur überfängt ein gelb-hellblau geteilter Rundbogen mit darüber violett durchbrochener Wandarkade. Der Rundturm besitzt neben dem großen Mittelfenster auch kleinere Rundbogenöffnungen und Okuli.

Bildnachweis:

CVMA T 6190 (1b), 6192 (2b), 6194 (3b), 6196 (4b), Großdias T 87/08 (1b), 87/10 (2b), 87/12 (3b)

Indizes
Iconclass:

12A0 = Synagoge (Synagoga) als Personifikation (oder Symbol) der jüdischen Religion

Sachbegriffe:

Blattranken · Bordüren · Kronen · Lanzen · Rundbögen · Säulen · Tabernakel · Untergewänder · Ziegen · Tiere · Architekturbekrönungen

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Ecclesia und Synagoge. Chor H I, 1-4 a/b (Montage). Niedersachsen, um 1240/50. (Ausschnitt) – CVMA Band III/3, S. 612 Abb. 268 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rafael Toussaint)
  2. Synagoge: ES [= Erhaltungsschema] H I, 1-3b – CVMA Band III/3, S. 368 Fig. 442.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  3. Ecclesia und Synagoge. Chor H I, 1-4 a/b (Montage). Niedersachsen, um 1240/50. (Ausschnitt) – CVMA Band III/3, S. 612 Abb. 268 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rafael Toussaint)
  4. Verbräuntes Inkarnat im Kopf der Synagoge (1987). [...] Der noch ungetrübte Zustand zu Beginn des 20. Jh. (1907). – CVMA Band III/3, S. 347 Fig. 420.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
  5. Verbräuntes Inkarnat im Kopf der Synagoge (1987). [...] – CVMA Band III/3, S. 347 Fig. 421.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rafael Toussaint)
  6. [Ecclesia und] Synagoge vom Südquerhausportal des Straßburger Münsters. Straßburg, Frauenhausmuseum. Um 1220. – CVMA Band III/3, S. 348 Fig. 424.
    © Reinhardt, Cathédrale de Strasbourg, Strasbourg 1972

Christus-Maria-Fenster Chor H I: weitere Scheiben

Empfohlene Zitierweise
„Synagoge (Marburg, Elisabethkirche)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/321-1-02-02> (aufgerufen am 08.05.2024)