Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

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Hl. Sippe (Hanau · Marienkirche)

Hanau · Marienkirche (Lage anzeigen) → Chorfenster nord VI
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

210-1-05-01

Band:

III/2

Katalog Seite(n):

252 f.

Nr.:

2a/b

Titel:

Hl. Sippe (Hanau · Marienkirche)

Anmerkung:

Das Feld 2a wurde bei der letzten Restaurierung 1975/76 seitenverkehrt eingebaut; in Abbildung und Erhaltungsschema wird es hier jedoch seitenrichtig wiedergegeben.

Breite:

55.00 cm

Höhe:

78.50 cm

Datierung:

um 1492-1497

Zuordnung:

Hanau · Marienkirche » Chorfenster nord VI

Katalog

Inschrift

Auf dem Schreibtäfelchen des Joseph Justus erscheint das Alphabet von A bis N in gotischen Minuskeln.

Erhaltung

Kompositorisch wie ikonographisch muß sich die Szene ursprünglich über drei Bahnen erstreckt haben; das rechte Feld ist verloren. Beide Felder sind unten und oben leicht beschnitten, Feld 2a ist überdies beidseitig um je einen Zentimeter angestückt. Der dennoch etwas knappe seitliche Anschluß der beiden Felder bezieht offenbar den Fensterpfosten in die Komposition ein. Beide Felder sind umfänglich doubliert und zeigen lediglich in den roten und violetten Tönen sowie im Marienkopf leichte Korrosion. Die trocken doublierten Deckgläser sind vereinzelt verschmutzt, die Malschichten partiell leicht berieben.

Ikonographie

Laut der seit dem 12. Jh. verbreiteten und von der Legenda aurea tradierten Trinubiumslegende war Anna dreimal verheiratet; diesen Ehen entstammen die Muttergottes sowie die im Neuen Testament mehrmals genannten zwei weiteren Marien. Die Legende, welche der Klärung der Verwandtschaft der drei Marien sowie der Brüder Jesu diente, war auch die Grundlage für die bildliche Darstellung der Hl. Sippe. In deren Mittelpunkt steht die Muttergottes mit Kind, welche links von ihrer Mutter und deren weiteren Töchtern Maria Kleophas und Maria Salome mit deren Kindern flankiert wird. Die zugehörigen Männer sind außerhalb des Mauergevierts dargestellt. Ferner umfaßt die Darstellung Annas Schwester Esmeria, welche rechts unterhalb der Muttergottes sitzt. Auf dem rechts anschließenden, verlorenen Feld befanden sich Esmerias Tochter Elisabeth mit dem Johannesknaben und den zugehörigen Männern sowie der Hl. Bischof Servatius, dessen Großvater Eliud ein Bruder Elisabeths war.

Komposition

In der Anordnung der Heiligen und der Aussonderung ihrer Männer außerhalb des Mauergevierts folgt die in der Glasmalerei seltene Darstellung einem seit dem frühen 15. Jh. geläufigen Bildtypus, wie ihn unter den frühesten Beispielen in der deutschen Tafelmalerei der ältere Kölner Sippenaltar um 1420 vertritt. In der Anordnung und Staffelung der Figuren kommt ein wohl mittelrheinisches Tafelbild um 1440 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt unserer Darstellung verblüffend nahe22. Da es archivalisch keinerlei Anhaltspunkte für eine spätere Übertragung in die Hanauer Pfarrkirche gibt und auch die Maße mit den übrigen Glasgemälden übereinstimmen, kommt auf Grund der dreibahnigen Anlage als ursprünglicher Standort nur der Chor in Frage, auch wenn die Hl. Sippe in Figurenmaßstab und Begrenzung der Szene auf eine Zeile von den übrigen Chorfenstern abweicht. Auch wenn nicht auszuschließen ist, daß die Szene von weiteren Darstellungen begleitet wurde, liegt im Kontext der übrigen Chorverglasung ursprünglich eine Sockelzone mit Stiftern(?) und eine über der Szene aufwachsende Architektur- oder Astwerkbekrönung näher23.

Farbigkeit

Maria trägt ein blaues Untergewand mit weißem Mantel, die darunter angeordneten Maria Kleophas und Esmeria ein rotes bzw. dunkelgrünes Untergewand mit blauem bzw. violettem Mantel; Justus mit dem Schreibtäfelchen ist bernsteinfarben gekleidet, sein Bruder Jacobus minor links vorn erscheint in einem grauen Mantel mit Nelkendamast. Die neben Maria sitzende Anna trägt über dem roten Untergewand einen weißen Mantel, Salome ein violettes Untergewand mit dunkelgrünem Mantel; der vor ihr stehende Johannes Evangelist ist grauviolett gekleidet. Die über die hellbraune Mauer gelehnten Ehemänner tragen von links nach rechts ein rotes, weißes und hellblaues sowie ein blaues und gelbes Gewand mit Nelkenmuster, Joseph schließlich einen roten Umhang über einem graublauen Gewand; die Kopfbedeckungen zeigen die Farben Braunviolett und Rot, bzw. Grisaille und Silbergelb. Inkarnate in Grisaille, Haare und Nimben silbergelb. Blauer Damastgrund.

Stil, Datierung

Wie von der Forschung bereits mehrfach betont, ist die Hl. Sippe deutlich den Glasmalereien der Straßburger Werkstattgemeinschaft verpflichtet, wobei die ältere, 1482 entstandene Chorfenstergruppe in der Pfarrkirche Lautenbach im Renchtal, vor allem im Typus der weiblichen Köpfe (Textabb. 46) am nächsten kommt24. Trotz dieser engen Verwandtschaft weicht die Technik in Hanau erheblich ab: Anstelle der weichen Modellierung, den aus dem Halbton herausgestupften Lichtern und mit feinen Schraffurgeweben akzentuierten Schatten wirkt die Zeichnung in Hanau schematischer und plakativer. Eine ähnliche Versprödung läßt sich auch in der Modellierung der Gewänder beobachten, deren Zeichnung darin den Werken der zweiten Straßburger Generation näherkommt. Trotz der Zusammenhänge mit Lautenbach spricht folglich alles für eine gemeinsame Entstehung mit der übrigen Hanauer Chorverglasung. Der für die Hl. Sippe verantwortliche Glasmaler kam offenbar aus der Straßburger Werkstatt-Kooperative, hatte diesen Kreis aber bald nach 1482 verlassen. Deshalb zeigen seine Werke keine Zusammenhänge mit den verschiedenen Richtungen der in der Nachfolge der Straßburger Werkstattgemeinschaft entstandenen Glasmalereien in Obernai (um 1494), Zabern (um 1495) und ehemals Freiburg (1494) sowie in Wörlitz (um 1490, 1497) und Karlsruhe (um 1490)25. Zu Recht hat Beeh-Lustenberger diesem Glasmaler auch die Ende des 15. Jh. entstandene Chorverglasung in Büttelborn zugeschrieben, von der jedoch nurmehr drei Fragmente erhalten sind26.

Bildnachweis:

CVMA G 8780f., Details G 8789-9794, Großdias G 35f.

Indizes
Iconclass:

73A22 = die Heilige Sippe

Sachbegriffe:

Ehemänner · Heiligenscheine · Kinder · Kopfbedeckungen · Mauern · Mäntel · Nimben · Schreibtäfelchen · Sippe, heilige · Töchter · Untergewänder · Architekturbekrönungen · Astwerke

Personen:

Heilige Familie · Elisabeth, Tochter Esmerias · Eliud · Esmeria · Jakobus <Jüngere> · Justus · Kleophas · Maria Kleophas · Maria Salome · Salome · Servatius, Hl.

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Hl. Sippe. Mittleres Feld. Hanau, Marienkirche, Chor nord VI, 2b. Mittelrhein, um 1492/97. – CVMA Band III/2, S. 241 Farbtafel XXV.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  2. Mittlerer Teil einer Hl. Sippe. Chor n VI, 2b. Mittelrhein, um 1492/97. (Ausschnitt) – CVMA Band III/2, S. 415 Abb. 191 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  3. Joseph. Ausschnitt aus Abb. 191. – CVMA Band III/2, S. 420 Abb. 203.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  4. Esmeria. Ausschnitt aus Abb. 191. – CVMA Band III/2, S. 420 Abb. 205.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  5. Sohn der Maria Kleophas mit Schreibtafel. Ausschnitt aus Abb. 191. – CVMA Band III/2, S. 420 Abb. 202.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  6. Maria Kleophas mit ihren Kindern. Ausschnitt aus Abb. 191. – CVMA Band III/2, S. 420 Abb. 204.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  7. Linker Teil einer Hl. Sippe. Chor n VI, 2a. Mittelrhein, um 1492/97. – CVMA Band III/2, S. 414 Abb. 190.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Gerhard Gräf)
  8. Hl. Sippe: ES [= Erhaltungsschema] Chor nord VI, 2a/b [2b] – CVMA Band III/2, S. 252 Fig. 172 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  9. Hl. Sippe: ES [= Erhaltungsschema] Chor nord VI, 2a/b [2a] – CVMA Band III/2, S. 252 Fig. 172 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)

Chorfenster nord VI: weitere Scheiben

Empfohlene Zitierweise
„Hl. Sippe (Hanau · Marienkirche)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/210-1-05-01> (aufgerufen am 08.05.2024)