Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Topografie des Nationalsozialismus in Hessen

Darmstadt, Barackenlager für Zwangsarbeiter, Werksgelände der Firma Merck


Frankfurter Straße 250 – In der NS-Zeit: Frankfurter Straße
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Wirtschaft

Subkategorie:

Zwangsarbeit 

Nutzungsgeschichte

Objektbeschreibung:

Neben dem Werksgelände hatte die Chemische Fabrik E. Merck in der Frankfurter Straße ein Barackenlager für die bei ihnen eingesetzten Zwangsarbeiter eingerichtet. Die französischen Kriegsgefangenen, belgischen Zivilarbeiter und sowjetischen Gefangenen waren in vier Baracken auf der Ostseite, die „Ostarbeiterinnen“ in drei Baracken auf der Westseite einquartiert. In letzteren lebten auch Kinder.

Beschreibung:

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Unterbringung, sanitäre Einrichtungen und Bekleidung auf kärglichem, aber vergleichsweise solidem Niveau standen. Die Ernährungslage verschärfte sich gegen Kriegsende jedoch zusehends.

Die „Ostarbeiterinnen“ wurden morgens vom Werkschutz abgeholt und zum Werk begleitet, abends brachten diese Uniformierten die Frauen wieder zurück zu ihren Baracken. Sie wurden „zu Arbeiten in der Produktion, beim Abwiegen und Verpacken in den Magazinen, zur Herstellung von Kartonagen in den Packmittelbetrieben und in der Küche der Werkskantine“ (Feldmann, S. 131) herangezogen.

Bei dem Bombenangriff der Alliierten auf Darmstadt vom 12. Dezember 1944 wurden das Werksgelände wie auch das Barackenlager schwer getroffen; nur eine der Baracken blieb stehen. Von den 60 Getöteten waren zehn Ausländerinnen und Ausländer.

Bemerkungen:

Mit ca. 4.000 Mitarbeitern (1939) war die Firma Merck der größte private Arbeitgeber der Region. In der NS-Zeit stieg ihr Umsatz von 31 Millionen Reichsmark (1933) auf zwischenzeitlich 69 Millionen (1943). 1941 erhielt sie die Bestätigung darüber, dass viele ihrer Produkte als „kriegsentscheidend“ eingestuft wurden, und zwar Pharmazeutika, Schädlings- und Pflanzenschutzmittel, Feuerlöschmittel sowie Laborpräparate. Dies verschaffte Merck in der Frage der Verteilung von Zwangsarbeitern eine günstige Ausgangsposition. Wie bei anderen Privatunternehmen wurde auch hier in der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte die einzige Möglichkeit gesehen, die durch die Einberufung deutscher Mitarbeiter zur Wehrmacht entstandenen Lücken in der Belegschaft zu schließen. 1947 gab die Firma an, im Verlauf des Krieges insgesamt 1.659 ausländische Arbeitskräfte beschäftigt zu haben. Der Bedarf unterlag allerdings Konjunkturen. So arbeiteten Ende Februar 1944 nur 649 Ausländer im Werk. Davon waren 412 Belgier, von denen eine Vielzahl anlässlich einer Werbefahrt des Personalchefs nach Flandern (1941) angeworben worden waren. Verheiratete flämische Zivilarbeiter lebten mit ihren Partnerinnen oft zusammen in Privatunterkünften. Die Zwangsarbeiter (im engeren Sinne) waren zumeist in Lagern untergebracht – entweder auf bzw. am Werksgelände oder dezentral in den Gasthäusern „Zum Weißen Schwan“ und „Zum Goldenen Löwen“ in Arheilgen oder in der Wirtschaft „Zum Grünen Baum“ in Darmstadt.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

21. September 1942

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

1945

Indizes

Orte:

Darmstadt

Sachbegriffe:

Konzern · Wirtschaft · Firmenlager · Zwangsarbeit

Nachweise

Literatur:

Weblinks:

Merck von 1668 bis heute. Den Aufbruch wagen (hrsg. im März 2013 von der Konzernkommunikation der Firma), S. 28

Zitierweise
„Darmstadt, Barackenlager für Zwangsarbeiter, Werksgelände der Firma Merck“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/1177> (Stand: 8.7.2021)