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Wiesbaden, Lager „Willi“ für Ostarbeiterinnen und Zwangsabeiter

Wiesbaden, Gemeinde Wiesbaden, Stadt Wiesbaden | Historisches Ortslexikon
In der NS-Zeit: Mainzer Straße/Welfenstraße
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Wirtschaft

Subkategorie:

Zwangsarbeit 

Nutzungsgeschichte

Beschreibung:

Das ehemalige Volksschulgebäude wurde als Unterkunft für „Ostarbeiterinnen“ genutzt. Ausgelegt war das Lager für 360 Personen. Auf dem Gelände der ehemaligen Jüdischen Schule, die zwischen 1936 und 1942 bestand hatte, wurde, nachdem Schüler und Lehrer deportiert worden waren, ein Lager für ausländische Zwangsarbeiter errichtet. Hintergrund der Errichtung dieses städtischen Lagers war der Mangel an Arbeitskräfte in der städtische Verwaltung, besonders bei der Müllabfuhr und dem Tiefbauamt. Daher wurde der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte ins Auge gefasst. Um diese unterzubringen, sollte die ehemalige jüdische Schule das Lager dienen. Hierfür wurde das Schulgebäude seit Mitte des Jahres 1942 bis zum Frühjahr 1943 umgebaut. Ungeachtet der Baumaßnahmen wurden im September 1942 bereits 46 Franzosen in einem Gebäudeteil untergebracht, die in zwei Rüstungsbetrieben arbeiten mussten.

Die ersten „Ostarbeiterinnen“ kamen Ende an Silvester 1942 bzw. Anfang 1943 in das Lager. Neben den „Ostarbeiterinnen“ wurden im Lager später aber auch Franzosen, Belgier und Holländer untergebracht. Zudem war das Barackenlager der Arbeitsgemeinschaft Industrie an das Lager angeschlossen worden.

Die Mehrheit der Zwangsarbeiter stammte aus Polen und der Sowjetunion. Unter ihnen waren auch viele Frauen, von denen einige schwanger waren. Für die Kinder wurden im Sommer 1944 Kinderbetten im Lager aufgestellt. Für schwangere „Ostarbeiterinnen“ im Raum Wiesbaden stellte das Lager eine Entbindungsstation dar; 1944 verfügte es über ein Entbindungsbett. Kurz vor dem Geburtstermin wurden die Frauen an die Stadt Wiesbaden überstellt, so dass sie im Lager ihre Kinder gebären konnten. Allerdings war trotz aller Bemühungen der Stadt Wiesbaden die Ausstattung der Kinderstation recht dürftig. Ebenso war die Lebensmittelversorgung der Mütter und ihrer Kinder in keiner Weise ausreichend.

Die Gefangenen mussten für verschiedene Wiesbadener Firmen arbeiten. Die hygienischen Bedingungen im Lager waren äußerst schlecht, 1943 und im Folgejahr musste das Lager, d.h. sowohl das Schulgebäude als auch die „Russenbaracke“, „entwanzt“ werden. Die Insassen des Lagers wurden in der Städtischen Krankenanstalt entlaust.

Auch die Versorgungslage der Insassen, sowohl der „West“- als auch der „Ostarbeiter“, war äußerst schlecht; so gab es nicht ausreichend und schon gar nicht angemessene Lebensmittel für die Menschen in dem Lager. Durch einen Luftangriff wurde das Lager am 9. März 1945 zerstört. Rund eine Woche später, am 17. März, wurde das Lager in die Locher Straße verlegt. Endgültig aufgelöst wurde es allerdings erst mit dem Eintreffen der Amerikaner am 28. März.

Folgende Bezeichnungen wurden für das Lager, neben Lager Willi, verwendet: „Lager Welfenstraße“, „Städtisches Barackenlager an der Welfenstraße“, „Judenschule“, „Russenbaracke“ und „Stadtlager Mainzer Straße“. Die DAF führte das Lage unter „Stadtverwaltung Wiesbaden, Lager Volksschule an der Mainzer Straße“ und „Lager städt. Hochbau & Maschinenamt Wiesbaden“. Das Personal des Lagers bestand, neben dem Lagerführer, aus einer Bürokraft, Lagerwachleuten bzw. Nachtwächtern, einem Lagerschreiber, einem Desinfektor, einer Wirtschafterin, einem Lagerarbeiter und Köchen bzw. Köchinnen. Zudem waren sechs Russinnen als Lagerarbeiterinnen eingesetzt worden. Diese Arbeitskräfte teilte sich das Lager teilweise mit dem anderen Lager der Stadt in Dotzheim.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

Juli 1942 - September 1942

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

28. März 1945

Weitere Nutzungen des Objekts:

Nutzung vor NS-Zeit:

Zuvor war in dem Gebäude die Volksschule bzw. bis zum Frühjahr 1942 die jüdische Schule untergebracht gewesen.

Indizes

Orte:

Wiesbaden

Sachbegriffe:

Zwangsarbeit · Lager · Stadtverwaltung · Verfolgung · Verwaltung · Wirtschaft

Nachweise

Literatur:

Abbildungen

Abbildungen:

Zitierweise
„Wiesbaden, Lager „Willi“ für Ostarbeiterinnen und Zwangsabeiter“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/2081> (Stand: 26.11.2022)