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Abt Crato Melles 1556, Hersfeld

Bad Hersfeld · Gem. Bad Hersfeld · Landkreis Hersfeld-Rotenburg | Historisches Ortslexikon
Standort | Merkmale | Beschreibung | Inschrift | Nachweise | Zitierweise
Standort

Standort:

Bad Hersfeld

Gebäude / Areal:

Bad Hersfeld, Stiftskirche.

Merkmale

Datierung:

1556(?)

Typ:

Epitaph

Erhaltung:

verloren

Größe:

125 x 310 cm (B x H)

Beschreibung

Beschreibung:

Epitaph des Abtes Crato Melles (Kraft Myle), wie die davorliegende Grabplatte (vorangehende Nr.) in der Stiftskirche. Die Inschriften sind auf dem Einzelblatt H 166 a im Hessischen Staatsarchiv Marburg in einer nur wenig jüngeren Handschrift ohne nähere Angaben überliefert.1) In der Handschrift steht zuerst das Grabgedicht (B), dann folgt die Grabinschrift (A). Daraus läßt sich aber nicht auf die Gestalt des Inschriftenträgers schließen. Vielmehr hat die Zeichnung in der Schlegelschen Stiftsgeschichte als maßgeblich zu gelten. Demnach handelte es sich um eine Pilasterädikula, in deren Sockel die traditionelle Grabinschrift (A) stand. Die Nische mit der Figur des Abtes, die in einem von dünnem Rankenwerk begleiteten zierlichen Rundbogen steht, wurde von einem mit Muscheldekor geschmückten Giebel überfangen, der Abt mit Mitra, den Stab senkrecht in der Linken, ein Buch mit der Rechten vor den Körper haltend; das Kaselkreuz war mit einem Kruzifix samt Titulus (C) versehen. Zu Füßen der Figur waren ein Vollwappen (links) und ein Wappenschild eingestellt. Das Gebälk unter dem Muschelgiebel trug das Grabgedicht (B).

Vier elegische Distichen (B).


  1. Den Hinweis auf die Handschrift ist dem freundlichen Hinweis von Dr. Otfried Krafft, Fachgebiet Mittelalterliche Geschichte, Universität Marburg, zu verdanken.

Geschlecht, Alter, Familienstand:

männliche Person(en)

Stand:

Ordensangehörige · geistliche Personen

Enthaltene Wappen:

Hersfeld (Stift)/ Melles/Myle Melles/Myle4)


  1. Zum Wappenbild vgl. bei Nr. 131. Das Wappen nach der Tingierung der Nachzeichnung schräggeteilt anscheinend von Rot und Schwarz, der Schrägbalken silbern, die Rauten schwarz, die begleitenden Monde in verwechselten Farben.

Dargestellte Personen:

Abt Crato Melles (Kraft Myle) stammte aus Hungen (Lkr. Gießen),5) wo das Stift über Grundbesitz verfügte. Er war nach langer Zeit der erste bürgerliche Abt und außerdem der erste, der nicht aus dem unmittelbaren Einzugsgebiet des Stiftes kam. Er trat sein Amt 1516 in schwieriger Zeit an, als nach der mißglückten Vereinigung der Abtei mit Fulda unter Abt Volpert Riedesel von Bellersheim6) der hessisch-landgräfliche Einfluß in Stadt und Stift Hersfeld weiter anwuchs. Im Jahr 1517 erneuerte Melles zusammen mit dem Dekan und dem Konvent den Erbschutzvertrag mit dem hessischen Landgrafen. Zudem wurde festgelegt, daß die Abtei nicht mit einer anderen vereinigt werden dürfe. Damit sollte der Einfluß Hessens auf das Kloster gewahrt bleiben. Dem diente auch die Verfügung, ein neu gewählter Abt dürfe „den fursten zu hessen nitt zuwider“ sein.7) Im Jahr 1521 beauftragte dann Kaiser Karl V. neben drei geistlichen Fürsten auch Landgraf Philipp, das Kloster zu schützen.8)

In der Folgezeit verschärften der konfessionelle Konflikt und der Bauernkrieg die Situation. Die Reformation in Hessen und auch in der Stadt Hersfeld entzog dem Stift langfristig das Hinterland als Rekrutierungsgebiet und wichtige Einkünfte; einzelne Positionen wie die Propstei Cornberg wurden besetzt und in die Landgrafschaft inkorporiert.9) Melles selbst stand der neuen Lehre aufgeschlossen gegenüber, empfing Martin Luther auf der Durchreise 1521 von Worms, bat ihn um eine Predigt in der Stiftskirche10) und ließ früh lutherische Prediger zu.11) Schon 1520 hatten der Stadtpfarrer Heinrich Fuchs und ab 1523 der Kaplan Melchior Ring in Hersfeld reformatorisches Gedankengut verbreitet, ohne daß der Abt dagegen eingeschritten wäre. Schließlich förderte Abt Crato Melles auch Balthasar Raid (Nr. 158), der sich zunächst als Kaplan und dann ab 1538 als Stadtpfarrer in Hersfeld für die Reformation einsetzte.12)

Im Jahr 1525 erreichte der Bauernkrieg Hersfeld, worauf die zweite Zeile des Grabgedichts Bezug nimmt. Die Stadt schloß sich den Bauern an und Abt und Konvent suchten Zuflucht in der Burg Eichhof. Landgraf Philipp kam dem Abt zu Hilfe und die Stadt verlor wegen ihrer Beteiligung am Aufstand Freiheiten und Rechte. Da Philipp das stiftische Gebiet praktisch von den Aufständischen zurückerobert hatte, betrachtete er sich nun als dessen Herr. Einen Teil erhielt der Abt zwar zurück, doch ließ der Landgrafen keinen Zweifel an seiner Oberhoheit. Zu einem endgültigen Ausgleich zwischen Abt und Landgrafen kam es allerdings erst 1550, als die landgräfliche Nutzung als Pfand für die ausgebliebene Aufwandsentschädigung weiter festgeschrieben wurde. Doch wichtige Weichenstellungen waren nun längst vollzogen. Hersfeld hatte seit einer Generation einen hessischen Schultheißen, der auch für den Stiftsanteil tätig wurde, und Philipp führte im gesamten Gebiet des Stifts Hersfeld die Reformation ein. Die Stiftskirche wurde noch 1525 geschlossen. Abt und Konvent hielten zwar weiter Gottesdienst nach katholischem Ritus, doch unter Ausschluß der Öffentlichkeit13)

Gegen Ende seines Abbatiats nahm Abt Crato Melles seinen aufstrebenden Günstling Michael Landgraf (Nrr. 179f.) zum Koadjutor cum spe an. Die besondere Erwähnung der beiden Nachfolger Michael Landgraf und Ludwig Landau (Nrr. 213f.) im Grabgedicht deutet darauf hin, daß sie an der Organisation des Begräbnisses bzw. an der Aufstellung des Epitaphs für Abt Crato beteiligt waren.

Abt Crato beteiligt waren.


  1. Vgl. Görlich, Bürger aus Hungen.
  2. Vgl. vor allem bei Nr. 113. Noch als Konventuale hatte Crafto dem Fuldaer Abt als einziger die Huldigung verweigert, vgl. Ziegler, Mitra und Krummstab 20, auch zum folgenden.
  3. Demme, Nachrichten I 48 und Beilage 69.
  4. Unger, Hersfeld 598.
  5. Unger, Hersfeld 598; Demme, Nachrichten I 48–53.
  6. Demme, Nachrichten I 48; Görlich, Schon 1521; auch folgende Anm. In Hersfeld hängt heute eine Gedenktafel an diese Predigt Luthers; den Aufenthalt Luthers in der Residenz des Abtes im Eichhof verewigt das sogenannte „Lutherzimmer“.
  7. Vgl. Dickel, Luther.
  8. Unger, Hersfeld 600.
  9. Demme, Nachrichten I 49–53 mit Beilagen 71 und 76.
Inschrift

Umschrift:

A ANNO DOMINI M D LVI X DIE MARTY OBYT R(EVEREN)DVS / IN

CHR(IST)O PATER AC D(OMI)N(V)S D(OMI)N(V)S CRAFTOa)

ABBAS / ECCL(ESI)AE HERSFELDENSIS C(VIVS) A(N)I(M)AE

MISERERE / CHR(IST)Eb)

B QVAMVIS DIFFICILI SERVARET TEMPORE REGNVM

RVSTICA GENS STOLIDE DVM PARAT ARMA CRATO.

HAS DVO LVSTRA QVATER TAMEN IMPIGER VRSIT HABENAS.

TVTATVS MAGNI NOMEN ET ACTA VIRI.

QVOD SCHOLA FERT REDITVS VRBIS PRIMARIA CERTOS.

EFFECTVM CONSTAT PRINCIPIS HVIVS OPE.

CONDIDITc) EXTINCTVM MICHAEL LVDOVICVS HONORI

ADIECIT TITVLOS GRATVS VTRIQVEd)NOVOS.

ANNO D(OMI)NI 1556 . OBIIT X DIE MARTIIe)

C I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)3)


  1. GRAFTO Hs. 166 a.
  2. Anders als im lateinischen Text davor hier teilweise griechischer Buchstabenbestand XPE mit Kürzungsstrich darüber. Görlich hat diese Inschrift aus einer ungenannten Quelle, aber mit IN XTO PATER und von ihm bemängeltes MISERERI.
  3. CONDITI Hs. 166 a.
  4. Bei Schlegel marginal VTERQVE.
  5. Diese Zeile nicht im Zitat, wo die Grabinschrift folgt, nur in der Nachzeichnung einigermaßen mittig gestellt.
  1. Nach Joh 19,19.

Übersetzung:

(A) Im Jahre des Herrn 1556, am 10. Tag des März starb der ehrwürdige Vater in Christus und Herr, Herr Crato, Abt der Hersfelder Kirche. Seiner Seele erbarme dich, Christus!

(B) Wie schwierig auch die Zeit gewesen sein mag, so bewahrte doch Crato die Herrschaft, während das bäuerische Volk töricht die Waffen erhob, und er hat schließlich viermal zwei Lustren (40 Jahre) tatkräftig diese Leitung ausgeübt. Er behauptete für sich den Namen und die Taten eines großen Mannes. Es steht fest, daß die vorzügliche Schule der Stadt sicheren Gewinn bringt, bewirkt durch die Mittel dieses Fürsten. Den Verstorbenen begrub Michael, und Ludwig fügte beiden dankbar dem Ansehen neue Ruhmestaten hinzu.

Er starb im Jahre des Herrn 1556, am 10. Tag des März.

Kommentar:

Beschreibung und Zitat nach Schlegel.2)


  1. Kürzungen und Arrangement, nicht jedoch der Zeilenfall von Inschrift (A), folgen Schlegels Nachzeichnung, deren Schriftcharakter und Kürzungen übernommen wurden; eine Normalisierung von U und V wurde nicht vorgenommen.

Schrift:

Kapitalis

Nachweise

Literatur:

Wappen:

Hersfeld (Stift)/ Melles/Myle Melles/Myle.

Bearbeitung:

Die Inschriften des Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Gesammelt und bearb. von Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 91). 2015, Nr. 146.

Zitierweise
„Abt Crato Melles 1556, Hersfeld“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/2261> (Stand: 20.3.2023)