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Topografie des Nationalsozialismus in Hessen

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Nonrod, KLV-Lager „Pension Berg“

Nonrod, Gemeinde Fischbachtal, Landkreis Darmstadt-Dieburg | Historisches Ortslexikon
Rodensteiner Str. 15 u. Kurhaus "Pension Berg" – In der NS-Zeit: Hauptstraße u. Kurhaus Berg
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Parteiorganisationen

Subkategorie:

Kinderlandverschickung 

Nutzungsgeschichte

Beschreibung:

Im Zweiten Weltkrieg wurde in Nonrod in der „Pension Berg“ ein KLV-Lager eingerichtet. Die Tochter der Hotelbesitzer erinnert sich daran, dass die Kinder im Jahr 1943 im Rahmen der KLV nach Nonrod kamen und bis zum Einmarsch der US-Armee blieben. Am 28. März 1945 rückten US-Panzer von Meßbach aus kommend am Vormittag in Nonrod ein, während gleichzeitig leichte US-Fahrzeuge von Niedernhausen nach Nonrod fuhren.

Das KLV-Lager bestand aus einer Gruppe von ca. 40-50 Mädchen. Diese wurden in Etaggenbetten untergebracht, da die zur Verfügung stehenden Hotelbetten nicht ausreichten. Auf den langen Fluren des Kurhauses wurden für die Mädchen Öfen aufgestellt und nachts bei offenen Türen geschlafen. Pro Etage gab es nur eine Toilette. Eine Lehrerin mit Nachname Prengel und eine Krankenschwester mit Rufname „Schwester Annie“ betreuten die Kinder. Die beiden genannten Erwachsenen hatten ihre eigenen Räume. Im Krieg wohnten in den Fremdenzimmern zudem evakuierte Privatpersonen, so dass insgesamt etwa 80 Personen im „Kurhaus Berg“ zeitgleich untergebracht waren. Des Weiteren nahmen jeden Mittag, die im ganzen Ort untergebrachten „Ausgebombten“ ihr Mittagessen in der mit mehreren Tischen ausgestatteten, ehemaligen Kutscherstube im Erdgeschoß der Pension ein. Dort speisten auch die Besitzer des Kurhauses zusammen mit dem zugewiesenen Kriegsgefangenen Polen namens „Moritz“ an einem Tisch. Der eigentliche Speisesaal befand sich im 1. Stock und bestand aus einem kleinen und großen Saal, die durch einen breiten, grünen Kachelofen geheizt wurden. Diese beiden repräsentativen Räume hatten Zugänge auf die weitläufige Terrasse. Im kleinen Saal empfingen die Mädchen ihr Essen und der große Saal diente ihnen als Unterrichts- und Gemeinschaftraum. Die Kinder hatten am Vormittag Schulunterricht. Die Tochter der Hotelbesitzer musste regelmäßig mit dem hauseigenen PKW zum Landratsamt nach Dieburg fahren, um die Bezugsscheine für die Verpflegung der Kinder zu holen. Für diese Fahrten und zum Gütertransport erhielt die „Pension Berg“ Benzin für den PKW während der Kriegszeit zugewiesen. Weiter erinnert sich die Tochter der Hotelbesitzer im Jahr 2012, dass sie mit „Schwester Annie“ Schlitten gefahren ist und: „Wir hatten die Mädchen, der Rodenstein hatte die Buben“. Mit „Rodenstein“ ist das KLV-Lager gemeint, welches in der Gaststätte „Rodenstein“ bei Fränkisch-Crumbach eingerichtet war und Jungen beherbergte.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

1943

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

28. März 1945

Nutzung vor NS-Zeit:

Karl Berg gründete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Nonrod eine Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern unter dem Namen "Pension Karl Berg". Dieser Familienbetrieb erfreute sich großen Zuspruchs und war überregional bekannt. Wohlhabene Gäste aus den Städten des Rhein-Main-Gebietes verbrachten dort ihre "Sommerfrische". Noch im 19. Jahrhundert wurde neben dem Stammhaus ein weiterer, moderner Hotelbau erbaut. Der Gebäudekomplex firmierte seit 1890 unter verschiedenen Bezeichnungen: "Pension Berg", "Pension Waldeck" und "Kurhaus Berg".

Nutzung nach NS-Zeit:

Die "Pension Berg" wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Familie Berg weitergeführt. Der Gebäudekomplex wurde durch Erbfall aufgeteilt und das ehemalige Stammhaus wieder der privaten Nutzung zugeführt. Das Gebäude des "Kurhotels" wurde modernisiert und erweitert. Der Name änderte sich in "Berghof". Nach mehreren Besitzerwechsel endete der Gastronomiebetrieb in den 1990er Jahren. Ein Hausbrand und jahrelanger Leerstand führten in den 2000er Jahren zum endgültigen Abriß des Gebäudes. Auf den erhaltenen Grundmauern wurde ein neuer Bau errichtet.

Indizes

Orte:

Nonrod

Sachbegriffe:

Parteiorganisationen · Kinderlandverschickung

Nachweise

Literatur:

  • Rolf Reutter, Schule und Drittes Reich im Landkreis Erbach, in: Kreisarchiv des Odenwaldkreises (Hrsg.), „gelurt“. Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2011, Erbach 2010, S. 159-172, hier S. 170. Rolf Reutter bezieht sich dabei auf: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Bestand G 15 Erbach, Nr. G 732 u. M 1620.

Gedruckte Quellen:

  • Verschönerungsverein Nonrod (Hrsg.), Nonrod im Wandel der Zeiten. Ehrenmal, die Opfer der beiden Weltkriege, Landeswettbewerbe 1999, Habitzheim 2000, ohne Seitenzahlangabe. [Dort wird der Einmarsch der US-Armee auf den 24. März 1945 datiert.]

Ungedruckte Quellen:

  • Angaben der Zeitzeugin Frau Antonia Röder, geb. Lothammer-Berg. Sie wurde 1922 im Kurhaus Nonrod geboren und verbrachte dort ihre Kindheit. Als junge Erwachsene führte sie zusammen mit ihren Onkel und Tanten die Pension von den späten 1930er Jahren bis 1945. Das Zeitzeugeninterview wurde am 30.08.2012 durch Dirk Strohmenger geführt.
Zitierweise
„Nonrod, KLV-Lager „Pension Berg““, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/3414> (Stand: 13.9.2022)