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Susanna Ludolph 1694, Reichenbach

Reichenbach · Gem. Hessisch Lichtenau · Werra-Meißner-Kreis | Historisches Ortslexikon
Standort | Merkmale | Beschreibung | Inschrift | Nachweise | Zitierweise
Standort

Standort:

Reichenbach

Gebäude / Areal:

Hessisch Lichtenau-Reichenbach, Klosterkirche

Angaben zum Standort:

Aufgestellt im Raum hinter dem Westeingang an der linken Seite an zweiter Stelle

Merkmale

Datierung:

1694(?)

Typ:

Grabstein

Erhaltung:

erhalten

Größe:

58 x 106 cm (B x H)

Größe der Buchstaben:

2,5 cm

Beschreibung

Beschreibung:

Grabstein der Susanna Ludolph. Hochrechteckige Platte. Ein Giebel fehlt jetzt, doch legen die Bruchkanten ihn nahe und die Grabsteine jener Zeit sind fast ausnahmslos in dieser Art gestaltet. In der Tat wurde im Burgmuseum Reichenbach ein entsprechendes Fragment identifiziert.1) Im rechteckigen Hauptteil ist die Inschrift B eingehauen, die Anfangsbuchstaben der Zeilen vergrößert; die Schlusswörter der Verse, die wegen ihrer Länge mehr Platz beanspruchen, als die Zeile bietet, sind rechtsbündig in die nächste Zeile geschrieben. Einmal Interpunktion durch Semikolon angezeigt. Inschrift gerahmt von ovalem Kranz aus Blättern(?). Darunter ein nach unten schmäler werdender Sockel; er zeigt einen Schädel über einem Knochen.

Der Grabstein ist fest mit der Wand verbunden, sodass die Gegenseite nicht zugänglich ist.

Von dieser liegt aber wohl ein Foto vor, das leider sehr unscharf ist.2) Es zeigt einen hochrechteckigen Stein mit einem Sockel, der von etwas geringerer Breite und Dicke ist als der darüber liegende Teil; an den Seiten des Sockels Voluten. Das Mittelfeld ist eingetieft, die Inschrift A eingehauen. Der besseren Übersicht wegen wird die Inschrift nach Zeilen dargeboten.


  1. Als man vor Jahren eine vermauerte Feuerleiterklappe an der Reichenbacher Kirche öffnete, kam der Giebel eines Grabsteins zum Vorschein. Seine Vorderfläche ist fünfeckig, wobei die Seiten Voluten zeigen und geschwungen sind. In der Mitte ist ein Feld eingetieft mit einer Mädchengestalt in Halbrelief, die von einem Lorbeerkranz umgeben ist, auch der in Halbrelief. Außen neben dem Kranz oben rechts und links je ein Engelskopf, der rechte über einer Rose, der linke über einem Stundenglas. Dass die Darstellung hervorragend zu Susanna Ludolphs Grabstein passt, hat Cornelius entdeckt und Übereinstimmung im Material und in den Abmessungen festgestellt, so Carl-Detlef Cornelius, Hessisch Lichtenau, mündlich.
  2. Falls man Bedenken trägt, das Foto auf Susannas Grabstein zu beziehen, weil die Lesung vor SA unzuverlässig erscheint, müsste man es wohl dem Grabstein einer weiteren Tochter Elisabeth(?) Ludolph zuweisen, die wie Martha und Susanna aus der zweiten Ehe des Pfarrers stammen müsste. Die Vermutung, dieser Text habe auf der Vorderseite des Grabsteins der Susanna Ludolph gestanden, ist wie folgt begründet: Martha und Susanna sind als Töchter des Konrad Ludolph auch anderweitig belegt, eine weitere Tochter wäre es nur auf diesem Grabstein. Deren Biographie würden dann auffällige Parallelen zu Susannas zeigen insofern, als beide Mädchen Ende der 1670er Jahre geboren sind, beide im Oktober zur Welt kamen und beide sehr jung, aber in knapp heiratsfähigem Alter starben, auch starben beide nach 1690. Des Weiteren passt die Inschrift auf dem Foto inhaltlich gut zu den Distichen über Susanna, besonders, falls die Lesung [MUHE]·SEELIG richtig ist. Die Sperrstellung der Wörter HAT . . . GELEBT zwingt dazu, außer [. . . .]·SEELIG eine weitere Bestimmung zu ergänzen. Neben ALHIERO mag man an BISHERO denken, doch klingt beides recht überflüssig. Wenn man aber vor dem recht deutlich erscheinenden IE die Buchstaben IN und S liest, wäre [IN S]IE[CHTHUMB] eine plausible Ergänzung. Auf die Form oder die Größe der Grabsteine kann man nicht bauen, aber es lässt sich auch kein Gegenargument darauf stützen: Beiden fehlt der Kopf, an beiden zeigt der Sockel an den Seiten Voluten und bei beiden hat der rechteckige Teil dasselbe Seitenverhältnis. Vielleicht bietet sich einmal die Gelegenheit, den Text der jetzt unzugänglichen Seite zu lesen.

Geschlecht, Alter, Familienstand:

weibliche Person(en)

Dargestellte Personen:

Aus der Inschrift B ist erkennbar, dass Susanna ein behindertes Kind war. Sie wurde am 11. 10. 1677 geboren und am 18. 10. 1677 getauft5) und entstammt daher der zweiten Ehe des Reichenbacher Pfarrers Konrad Ludolph, der im Jahre 1674 seine erste Frau verloren hatte.6) Die zweite Frau heiratete er wohl im Jahr 1675 in Altmorschen, denn am 6. 3. 1676 wurde ihm die Tochter Martha geboren, als deren Patin die aus Altmorschen stammende Schwiegermutter angegeben ist.7) Susanna kann nicht vor 1690 gestorben sein, denn ihre Bestattung ist nicht im Kirchenbuch enthalten, das bis zu diesem Jahr regelmäßig geführt wurde und erst danach bis 1715 eine Lücke aufweist.

Das unscharfe Foto der Inschrift A lässt keine völlig sichere Deutung zu. Der Name des Mädchens und der ihres Vaters sind nur zum Teil lesbar, die Lebensdaten nur undeutlich zu erkennen. Wenn man, wie das Foto nahelegt, die Zehnerziffer des Sterbejahres als 9 ansieht, dann lässt die Mathematik wegen der Altersangabe, die ich als 16 lese, als Zehnerziffer des Geburtsjahres nur eine 7 oder eine 8 zu. Eine 8 aber kann von der Schrift her ausgeschlossen werden. Lesen allerdings kann man Susannas Geburtsjahr 1677 nicht, doch ausschließen auch nicht. Aber der Geburtsmonat Octobris zeichnet sich ab. Die Altersangabe 16 IAR, zu der noch einige Monate hinzukommen dürften, führt dann auf 1694 als Sterbejahr, eine Lesung, die möglich scheint.

Einen weiteren Hinweis auf Susanna entnehme ich der Formulierung, H[– – –] / [. . .]SEELIG [– – –] GELEBT · 16 · IAR. Es gibt wohl keine andere Ergänzungsmöglichkeit als [MUHE]SEELIG.

Cornelius hat die Zusammengehörigkeit des Grabsteins mit dem Fragment1) höchst wahrscheinlich gemacht. Auch Susannas mädchenhaftes Aussehen auf diesem Stein spricht dafür, dass sie bald nach 1690 verstorben ist.


  1. KB Reichenbach Bp ID 292.
  2. s. Kat.-Nr. 202.
  3. s. KB Reichenbach Bp ID 257.
  4. Als man vor Jahren eine vermauerte Feuerleiterklappe an der Reichenbacher Kirche öffnete, kam der Giebel eines Grabsteins zum Vorschein. Seine Vorderfläche ist fünfeckig, wobei die Seiten Voluten zeigen und geschwungen sind. In der Mitte ist ein Feld eingetieft mit einer Mädchengestalt in Halbrelief, die von einem Lorbeerkranz umgeben ist, auch der in Halbrelief. Außen neben dem Kranz oben rechts und links je ein Engelskopf, der rechte über einer Rose, der linke über einem Stundenglas. Dass die Darstellung hervorragend zu Susanna Ludolphs Grabstein passt, hat Cornelius entdeckt und Übereinstimmung im Material und in den Abmessungen festgestellt, so Carl-Detlef Cornelius, Hessisch Lichtenau, mündlich.
Inschrift

Umschrift:

A ALHIER RUH⌣ET IUNGFER [S]USA[NNA] /

EH[REN]a) CONRADI [LUDOL]PHI [. . .] /

P[FARR]ERS ALHIERO EH⌣EL[ICHE]a) /

[TOCHTER WEL]CH⌣E A(NN)O 167[7] [DEN 11] /

OCTO[BR]IS [M]ORGE[(N)S UM 9 U]HR /

IN DIESE W⌣ELD GEBOH⌣REN H[AT] /

[MUHE]·SEELIG [IN S]IE[CHTHUMB] /

GELEBT ·16 · IAH⌣R ·· [5] [– – –] /

[. . .] [6] T[AG]E IST SEELIG GESTO[RBEN] /

A(NN)O 169[4] DEN [ – – –]S /

[ZWI]SCHE[N] [11 – – –] /

LEICHTEXT HOSEA CAP(ITEL) 2 V(ER)S [19] /

ICH WILL MICH MIT DIR V⌣ERL[OBEN] /

IN EWIGKEIT ICH WILL MICH /

MIT DIR VERTRA[V]WEN [IN] /

GERECHTIGKEIT [UND GERICHT] /

IN [GNADE UND BAR]MH⌣ER[TZIG/

KEIT]3)

B EPITAPHIU⌣M

FILIA PASTORIS LUDOLPHI / PLEN⌣A DOLORIS /

HIC RECUBAT VIVI SPONSA / SUSANN⌣A DEI /

INGRESSUS CUIUS M⌣AGNO TERROREb) / PARENTU⌣M /

PROGRESSUS PARITER NIL NISEc) / MORBUSd) ERAT /

AT NUNC EGRESSUS MORBU⌣M FINIVIT / [E]Te) IMDEf) /

SIC COELIS OV⌣AT;g) MORBE CADUCE / VALE /

HIC SPONSUS SPONSAM LACHRŸM⌣ARU(M) / PAN⌣E CIBABIT4) /

NUNC TIBI LA⌣ETITIA⌣E MANNA / SUSANNA DATUR ·


  1. EHREN . . . EHELICHE; so formuliert auch beim Grabstein der Ehefrau in Kat.-Nr. 202.
  2. E in dem Falz zwischen Schriftfeld und Kranz.
  3. Sic für NISI.
  4. In den beiden letzten Buchstaben ältere Fassung korrigiert, unter U wohl ehemals N.
  5. Befund: T; davor keine Bearbeitungsspuren.
  6. Sic für INDE.
  7. Das O wird entgegen sonstiger Gewohnheit hier als Länge gemessen. Hinter T signalisiert ein Semikolon die wörtliche Rede.
  1. Hos 2,19.
  2. Die zweite Vershälfte dichterisch frei nach PsH 80,6.

Übersetzung:

(B) Epitaph. Susanna, die Tochter des Pfarrers Ludolph, die von lauter Schmerzen erfüllt war, ruht hier als Braut des lebendigen Gottes. Ihre Ankunft war ein großer Schrecken für die Eltern, ihr Aufwachsen gleichermaßen nichts als Krankheit. Jetzt aber hat ihr Weggang die Krankheit beendet, und daraufhin spricht sie triumphierend im Himmel: „Schwächliche Krankheit, leb wohl!“ Hier wird der Bräutigam die Braut mit dem Brot der Tränen speisen, jetzt erhältst du das Manna der Freude, Susanna.

Kommentar:

Inschrift A nach Foto; ergänzt nach dem Bibeltext (Z. 12–18).

Vier elegische Distichen (B).

Schrift:

Kapitalis

Nachweise

Bearbeitung:

Die Inschriften des Werra-Meißner-Kreises I : Altkreis Witzenhausen. Gesammelt und bearbeitet von Edgar Siedschlag unter Mitarbeit von Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 87). 2017, Nr. 250.

Zitierweise
„Susanna Ludolph 1694, Reichenbach“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/2389> (Stand: 20.3.2023)