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Grabdenkmäler

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Roteldis Ende 7. - Anfang 8. Jahrhundert, Fischbach

Fischbach · Gem. Kelkheim (Taunus) · Main-Taunus-Kreis | Historisches Ortslexikon
Standort | Merkmale | Beschreibung | Inschrift | Nachweise | Zitierweise
Standort

Standort:

Fischbach

Gebäude / Areal:

Fischbach (Kelkheim, MTK), Gräberfeld bei Hof Gimbach.

Angaben zum Standort:

1833 beim Abbruch der Wallfahrtskapelle in Fischbach (Stadt Kelkheim), beim heutigen Hof Gimbach, aufgefunden.

Heutiger Aufbewahrungsort:

Fischbach (Kelkheim, MTK), Katholische Pfarr- u. Wallfahrtskirche Hl. Dreifaltigkeit.

Angaben zum Aufbewahrungsort:

Anfang der 1870er Jahre in die Dreifaltigkeitskirche in Fischbach gelangt, wo sie in der kleinen südlichen Andachtskapelle an der Wand angebracht ist.1)


  1. Münz 194. Die Edition beruht zum allergrößten Teil auf den Vorarbeiten von Carina Kessel M.A., die sie als Trainee der Forschungsstelle am Jahresende 2017 vor der Veröffentlichung in der Mainzer Zeitschrift zur Verfügung stellte. In die Belegsammlung am Ende wurden viele ältere Zitate und Erwähnungen nicht aufgenommen, sie stehen vollständig bei Boppert 82.
Merkmale

Datierung:

Ende 7. - Anfang 8. Jahrhundert

Typ:

Grabplatte

Erhaltung:

erhalten

Größe:

42.5 x 55.5 cm (B x H)

Größe der Buchstaben:

2,5-3,5 cm

Beschreibung

Beschreibung:

Grabstein der Roteldis. Hochrechteckige Platte aus weißgelblichem Kalkstein. Das zehnzeilige Schriftfeld ist von einem mit Zickzackbändern gefüllten Rahmen umgeben. Obere linke Ecke abgestoßen, kleinere Beschädigungen auf der Vorderseite, ansonsten gut erhalten.

Die Buchstaben des in scriptura continua gehaltenen Textes wechseln unvermittelt Höhe und Lage, wodurch die Inschrift sehr unruhig wirkt. Hervorzuheben sind das A mit geknicktem Mittelbalken, das offene B, das eckige C, das annähernd dreieckige D, das L mit linksschrägem, den Schaft in der Mitte schneidenden Balken, das M mit hochgezogenem Mittelteil, die teilweise eckig ausgeführten, also rautenartigen O, das oben offene, unziale Q, die teilweise offenen R, das nach rechts geneigte S und das zweite T in TETOLO, dessen Schaft über den in halber Höhe schneidenden Balken hinaus verlängert ist.

Geschlecht, Alter, Familienstand:

weibliche Person(en)

Dargestellte Personen:

Der zweigliedrige Frauenname Name Rot-eld-is < *Hrôd-hildi- mit der lateinischen Endung -is setzt sich zusammen aus germ. *hrôd- 'Ruhm' und dem femininen *hildi- 'Kampf'. Der zweigliedrige Personenname Rodo-bert-o < *Hrôd-berhta- hingegen besteht aus dem gleichen Element *hrôd- 'Ruhm' und *berhta- 'glänzend, illustris', wobei Erst- und Zweitelement des Namens mit dem Fugenvokal o verknüpft sind. Beide Namen zeigen die üblichen vulgärlateinisch-galloromanischen Erscheinungen wie die Senkung von i > e und den h-Schwund vor Vokal und bei -ht in *berhta > bert.2)

Im Text sind die entsprechende Senkung von i > e (TETOLO) und eine Verwechslung (Umkehrschreibung) von o/u (ANNVS) erkennbar. Bei der Form Rodoberto handelt es sich um den Obliquus im spätlateinischen Zwei-Kasus- System, der nach Wegfall der konsonantischen Endungen auf -u oder -o gebildet wurde. Dasselbe Phänomen liegt bei den Wendungen HVNC TETOLO, das aussieht wie eine Verbindung aus Akkusativ und Ablativ, und BENE MEMORIA vor. Hier kam es zudem zur Verwechslung zwischen BENE und BONE. Neben dem für die Galloromania typischen Gebrauch des Einheits-Relativpronomens qui für alle Genera wird hier titulus synonym zu titulum bzw. sepulcrum verwendet, was charakteristisch für das Mainzer Formular ist.3)

In der Literatur ist das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Roteldis und Rodobert umstritten. So wird Rodobert entweder für den Vater, Ehemann oder Bruder der Roteldis gehalten.4) Allerdings ist die Form RODOBERTO kein von BENE MEMORIA abhängiger Dativ,5) sondern der Obliquus mit Genitivfunktion. Das die Beziehung der beiden Personen zueinander ausdrückende Wort wurde wohl von dem Steinmetz vergessen, wie beispielsweise auf dem Mainzer Grabstein der Leutegondes MATER fehlt.6) Bei verwandtschaftlichen Bindungen war es recht üblich, dass Namen bei Konstanz des Erstelementes das Zweitelement variieren. Daher erscheint die Annahme eines Vater-Tochter- oder Bruder-Schwester-Verhältnisses plausibel.7)


  1. Zur Bestimmung der Namen sowie den sprachgeschichtlichen Einordnungen sei Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken, herzlich gedankt, die er in Form zweier schriftlicher Mitteilungen im Juli und November 2017 und einer Korrekturversion im Dezember 2017 an Carina Kessel und die Forschungsstelle sandte. Die Ausführungen zu den sprachlichen Eigenheiten und zur daraus ableitbaren Datierung folgen eng den bei Kessel publizierten Analysen von Haubrichs.
  2. Becker, Spuren 22; Le Blant 455; Boppert 22–23; Licht, Authentiken 23–24; Licht, Artefakte 6.
  3. Ehemann oder Vater: So schon Becker, Altchristlicher Grabstein 197–199, Boppert 81, Le Blant; Bruder: Schmitz.
  4. Der Dativ liegt der Übersetzung bei Niegemann zugrunde: „Unter diesem Grabmal ruht die dem Rodobertus im besten Andenken stehende Roteldis, die 35 Jahre in Frieden lebte“.
  5. Boppert 56f.
  6. Ein Verwandtschaftsverhältnis hielt Haubrichs für zwingend, vgl. schriftl. Mitteilung von Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken, (Juli 2017) an Kessel.

Sonstiges:

Der Grabstein stammt von einem bei Gimbach gelegenen Gräberfeld, in dessen Nähe, eben in Fischbach, im Jahre 813 eine Urkunde für Fulda im „monasterium quod dicitur Fisgibah“ ausgestellt wurde.8) Die bereits im 16. Jahrhundert ruinöse Kapelle ließ der Kurmainzische Amtskeller Johann Jakob Lipp einer Urkunde aus dem Jahr 1710 zufolge wieder neu errichten. Sie wurde 1833 abgebrochen, wobei angeblich zahlreiche christliche Grabsteine gefunden wurden, von denen jedoch nur jener der Roteldis der Zerstörung entging.9)

In der Literatur wird die Inschrift anhand paläographischer Besonderheiten wie dem eckigen C und O ins 7. Jh. datiert.10) Allerdings ist im galloromanisch-fränkischen Bereich die normale Romanisierungsform von hr-, hl- der Lautersatz chr-/cr- bzw. chl-/cl-, während der h-Schwund vor Konsonant im Mittelrhein-Gebiet erst im Laufe des 8. Jahrhunderts erscheint.11) Der RoteldisStein ist daher jünger als der des Chrodebertus in Boppard.12) Da die sich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts durchsetzende Diphthongierung von langem ô zu uo, ua fehlt, ist der Grabstein allerdings auch nicht zu spät anzusetzen.13) Somit ist er wohl ans Ende des 7. oder den Beginn des 8. Jahrhunderts zu datieren.


  1. Münz 194 nach NUB I, Berichtigung Nr. 1 (= Nr. 46a); Text bei Schannat, Corpus Trad. Fuld. 108, Nr. CCXLI.
  2. Münz 194. Der Rückschluss auf eine frühmittelalterliche Taufkapelle bei Niegemann ist nicht zwingend. Die Lage der Kapelle konnte durch Grabungen festgestellt werden; weitere Steine kamen nicht zum Vorschein, vgl. Kleipa, Hof Gimbach (2015).
  3. Boppert 82. Niegemann wagt aus der Verbindung von „Gotenbuchstaben“ zu angeblich spätrömischem Dekor der Randverzierung eine Datierung auf um 600, so schon bei Jansen datiert.
  4. Vgl. Reichert, LAN I 214–216, 227: Chrode-ber[tv]s, Boppard 6./7. Jh.(?); Chrodi-childis, Gattin Chlodwigs, 6. Jh.; Chrode-gildis 6. Jh., Le Mans; Chrod-inus merowingischer dux 6. Jh.; Chrode-garius St. Denis 627; Chrodenndvs 1. H. 7. Jh. Gellep-Süd; Crodo-aldus, Glons vor 575(?). Schriftl. Mitteilung von Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken (November 2017) an Kessel.
  5. Vgl. DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis I) Nr. 9.
  6. Schriftl. Mitteilung von Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken (November 2017) an Kessel.
Inschrift

Umschrift:

+a) IN HVNEb) TE/TOLO REQVI/ESCIT BENE / MEMORIA R/OTELDIS

R/OD[O]BERTO QVI VIXI/T IN PACE ANNVS XX/XV


  1. Kreuz am Textanfang. Der Befund ist verwirrend, da es möglicherweise zwei Kreuze gibt, ein griechisches gegenüber der folgenden Zeile etwas nach unten versetzt und vielleicht ein tau-Kreuz auf Zeilenhöhe.
  2. Sic! Zu den weiteren Vulgarismen vgl. unten im Kommentar.

Übersetzung:

In diesem Grab ruht in guter Erinnerung Roteldis, des Rodobert (Tochter?), die in Frieden 35 Jahre lebte.

Schrift:

Vorkarolingische Kapitalis

Nachweise

Literatur:

Bearbeitung:

Die Inschriften des Hochtaunus- und des Main-Taunus-Kreises. Gesammelt und bearbeitet von Yvonne Monsees und Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 97). 2019, Nr. 1.

Zitierweise
„Roteldis Ende 7. - Anfang 8. Jahrhundert, Fischbach“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/2431> (Stand: 20.3.2023)