Der „Reichsausschuß“ war eine Tarnbezeichnung für das Amt IIb der Kanzlei des Führers, welches das Kinder-„Euthanasie“-Programm leitete.
Vom Reichsinnenministerium wurde am 18. August 1939 der Runderlass AZ.: IVb 3088/39 – 1079 Mi und dem Vermerk „Streng vertraulich!“ herausgegeben. Dieser Erlass wies Hebammen, Ärzte, Entbindungsanstalten sowie geburtshilfliche Abteilungen und Kinderkrankenhäuser an, dem „Reichsausschuß“ Informationen über Kinder bis zum Alter von drei Jahren zu übermitteln. Spätestens 1940 wurde die Altersgrenze für die Meldungen von Kindern über das Alter von drei Jahren hinaus erweitert. Die Leidtragenden des „Reichsausschuß“ waren demnach Kinder und Jugendliche, die nicht in Anstaltspflege waren.
Als Indikationen zur verpflichtenden Meldung galten „Idiotie“, „Mongolismus“, Mikrozephalie, Hydrocephalus, schwere Missbildungen (fehlende Gliedmaßen, Spaltbildungen) und Lähmungen, einschließlich der Littleschen Erkrankung (Sammelbegriff für zerebrale Kinderlähmung).
Die Meldungen gingen an den „Reichsausschuß“, Berlin W 9, Postfach 101. Die Sendungen wurden vom Postamt in der Linkestraße abgeholt und zum Amt IIb gebracht. In der Kanzlei des Führers sortierten ein Bankkaufmann und ein Diplomlandwirt, beide Nichtmediziner, die Meldungen der Kinder und Jugendlichen, die ihrer Meinung nach zur Tötung in Frage kamen, aus. Diese wurden mit einer verstellten Unterschrift mittels eines eigens dafür hergestellten Faksimilestempels unterzeichnet. Mindestens 20.000 der 100.000 eingegangenen Meldebögen wurden an Mediziner zur Entscheidung weitergeleitet. Ihre Urteile wurden mit einem Pluszeichen für Tötung oder einem Minuszeichen für Weiterleben markiert. Mindestens 5.000 Kinder und Jugendliche starben in der Regel innerhalb weniger Wochen nach ihrer Verlegung in eine „Kinderfachabteilung“, oft infolge überdosierter Medikamentengaben.