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Hessische Biografie

Portrait

Max Theodor Schwarz
(1898–1991)

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GND-Nummer

14088601X

Schwarz, Max Theodor [ID = 14171]

* 6.6.1898 Tübingen, † 11.2.1991 Freiburg im Breisgau, evangelisch
Prof. Dr. med. – Arzt, Hochschullehrer
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • 1904-1916 Grundschule und Oberrealschule in Tübingen mit Notabitur
  • 2.1.1917-2.12.1918, Kriegsdienst, Feld-Artillerie-Regiment 49 in Flandern
  • September 1917-Februar 1918 Frontkämpfe
  • 1919-1920 Teilnahme an Kämpfen in Stuttgart und Umgebung
  • 1918-1922 Medizinstudium in Tübingen und Heidelberg
  • Mitglied im Akademischer Turnerbund und im Corps Suevo-Borussia, Berlin
  • Herbst 1922 Staatsexamen
  • 1923 Promotion zum Dr. med. in Heidelberg
  • 1923-1926 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Tübingen, Köln und Heidelberg
  • 1926-1937 Oberarzt an der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik Universität Tübingen
  • 6.3.1929 Venia legendi in Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Universität Tübingen
  • Beisitzer am Erbgesundheitsgericht Tübingen
  • Februar 1933 Mitglied im NS-Ärztebund
  • 1.5.1933 Mitglied in der NSDAP, Mitglieds-Nr. 3.250.867
  • Juli 1933-April 1937 SA-Rottenführer
  • 1933 Mitglied im NS-Lehrerbund
  • 1936 Mitglied im Reichsluftschutzbund, NS-Studentenbund, NS-Dozentenbund,
  • 1.4.1937 Ruf an die Goethe-Universität Frankfurt am Main, Ordinarius und Klinikdirektor für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten
  • Dezember 1938-Januar 1944 Mitglied im NS-Altherrenbund = NS-Studentenkampfhilfe
  • 21.6.1944 als Stabsarzt aus dem Heeresdienst entlassen
  • 30.9.1945 Entlassung an der städtischen Klinik auf Weisung der Militärregierung, vorläufige Weiterbeschäftigung an der Universität bis mindestens Ende November 1946 sowie Gehaltszahlung [u.a.] für Juli/August 1946, aber keine Vorlesungen gehalten.
  • 1945 Arzt in Frankfurt am Main
  • 1948 Chefarzt der HNO-Klinik Karlsruhe
  • 1951 Ruf an die Universität Tübingen
  • 1966 Emeritierung
  • 1918 Eisernes Kreuz 2. Klasse
  • 1953 Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
  • 1954 Aufnahme in das Collegium Oto-Rhino-Laryngologicum Amicitiae Sacrum

Werke:

  • Die Bedeutung des Ganzheitsbegriffes für Forschung, Klinik und Unterricht, in: Erbblätter für den Hals-[,] Nasen- und Ohrenarzt 6 (1942), S. 1-14.
  • Die Begutachtung der erblichen Taubheit. - Besondere Voraussetzungen, in: Zeitschrift für Hals-, Nasen-und Ohrenheilkunde 44 (1938) [...], S. 161-182, 225.
  • Familiennachweis und Organbefund bei der Begründung der erblichen Taubheit, in: Erbblätter für den Hals-[,] Nasen- und Ohrenarzt 1 (1937), S. 1-15.
  • Die Frage- und Erhebungsdaten bei der Erbbegutachtung der Taubheit, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst [Teilausgabe A] 4 (1938), S. 201-212.
  • Die erbliche Taubheit und ihre Diagnostik, in: Gütt, Arthur, Handbuch der Erbkrankheiten. Bd. 6, Leipzig 1940, S. 1-154
  • Erbliche Taubheit. Frage- und Erhebungsdaten und ihre Auswertung für die Begutachtung, Leipzig 1938
  • „Ererbte Taubheit“. Grundzüge zur Erkennung ererbter Hörstörungen soweit sie das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses betreffen, Leipzig 1935.

Lebensorte:

  • Tübingen; Stuttgart; Heidelberg; Köln; Frankfurt am Main; Karlsruhe
Familie

Vater:

Schwarz, Karl, Oberreallehrer

Mutter:

Spanagel, Sofie Emilie*

Partner:

  • Günther, Hildegard, * 10.2.1904, Heirat 19.7.1927
Nachweise

Quellen:

Literatur:

Leben

Max Schwarz wurde im NS-Staat in Frankfurt am Main Professor für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten sowie Klinik-Direktor. Er hatte sich für seine wissenschaftliche Karriere zentral in der empirischen Forschung von sogenannten Erbkrankheiten bei Gehörlosigkeit positioniert, und zwar durch Publikationen und Untersuchungsbögen für die Praxis.

Max Schwarz wurde in Tübingen geboren, ging dort zur Schule und legte ein Notabitur ab. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er an der Westfront. Zu seiner politischen Sozialisation gehörten 1919 und 1920 Kämpfe gegen die Arbeiterbewegung in Stuttgart und Umgebung auf Seiten Tübinger Studenten, die Freikorps bildeten. Er wurde dann in Medizin promoviert, bekam die Approbation erteilt und wirkte als wissenschaftlicher Mitarbeiter, wobei er sich wohl erst spät fachlich spezialisierte. Er habilitierte sich und legte 1929 in seiner Antrittsvorlesung Die Bedeutung der Vererbung für die Schwerhörigkeit den Grundstein für seine spätere Karriere.

Schwarz trat im NS-Staat der NSDAP und mehrerer Unterorganisationen bei. Er wirkte als Beisitzer am Erbgesundheitsgericht Tübingen sowie als Obergutachter für Erbgesundheitsgerichte.1

In der medizinischen Fachzeitschrift Der Hals-, Nasen- und Ohrenarzt gab es ab November 1936 als eigenständige Beilage die Erbblätter für den Hals-, Nasen- und Ohrenarzt. Herausgegeben von Prof. Dr. M. Schwarz, Tübingen, der dafür die Schriftleitung gern übernahm. Er wünschte sich damit auch einen steten Impuls … für die Weiterbildung.2

Schwarz erklärte: Soviel aber ist ohne Zweifel zu bejahen, daß das Vertrauen des Volkes zum Erbgesundheitsgesetz nur dann mehr und mehr gefördert wird, wenn in jedem Fall auch der Laie die Notwendigkeit einer Sterilisierung einsehen muß.3 Entsprechend betonte er in seinen Schriften sowie in einschlägigen Rezensionen, dass die Entscheidung über eine Zwangssterilisation im Kern beim Ohrenarzt liegen solle. Denn es kann nur Aufgabe des erfahrenen und geschulten Arztes sein, die Notwendigkeit der Unfruchtbarmachung zu entscheiden. 4 Dieser habe dafür die betroffene Person zusammen mit ihrem Umfeld sorgfältig zu untersuchen. Es sollte selbstredend nicht nur das Ergebnis der Familienerhebung, sondern auch der Organbefund ... bei jedem fraglichen Merkmalsträger sehr eingehend erhoben werden“.5

Bei Schwarz gab es hierbei nur den wissenschaftlichen Zweifel. War er durch den Facharzt ausgeräumt worden und die Diagnose eindeutig, blieb für Schwarz keine Alternative: war es für ihn erwiesen, dass eine Taubheit erblich bedingt sei, so trat er für die Zwangssterilisation und sogar die Zwangsabtreibung ein; zugleich vertrat er die Unterbindung der Ehen unter Belasteten.6

Mit seiner Forderung, dass die Entscheidungen über Maßnahmen wie Zwangssterilisation nur ein geschulter Ohrenarzt nach einer peniblen Untersuchung treffen dürfe, setzte er eine entsprechende Aus- und Fortbildung von vielen HNO-Ärzten voraus. Dies bedingte wiederum mehr Lehrveranstaltungen an Universitäten. Als einer der bekanntesten Ärzte auf diesem Gebiet konnte er sich ausrechnen, ein begehrtes Ordinariat zu erhalten. Und so wurde Schwarz im April 1937 Lehrstuhlinhaber an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie städtischer Klinikdirektor; NS-Oberbürgermeister Friedrich Krebs hatte dem zugestimmt.7

„Aufgrund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses untersuchte Max Schwarz als Obergutachter während der NS-Zeit 250 Insassen der Taubstummenanstalt in Frankfurt.“8 Bei Dissertationen, die er als Doktorvater betreute oder als Zweitgutachter begleitete, zum Beispiel neben Otmar Freiherr von Verschuer, wurden gehörlose Kinder aus Frankfurt untersucht.

Schwarz´ Einschätzung über die Genauigkeit dieser medizinischen Erkenntnisse steigerte sich in der NS-Zeit, bis er 1940 schrieb, daß nicht alle Fälle von Taubheit (es sind in unserer Klinik allerdings nur noch rund 10%) ihrer Natur nach sicher erfaßt werden können. Dieser Prozentsatz signalisierte den Beteiligten eine angeblich sehr hohe Korrektheit bei Untersuchungen durch geschulte Ohrenärzte und konnte als Freibrief gedeutet werden.

Schwarz teilte das nationalsozialistische Verständnis für erbbiologische Maßnahmen und sah dabei die Fruchtbarkeit des Menschen als Kosten-Nutzen-Rechnung. Er verließ medizinische Kategorien, wenn er als ein relevantes Argument Einsparungen bei Fürsorgelasten nannte.9 Er sprach sich für den nationalsozialistischen Totalitarismus aus.10

In der Frankfurter HNO-Klinik wurde 1939 die Männerstation in ein Lazarett umgewandelt, welches Max Schwarz als Stabsarzt bis zu seiner Entlassung durch die Militärregierung im Jahre 1945 führte.11 An der Goethe-Universität stemmte man sich gegen diese Entlassung; vor allem die Medizinische Fakultät setzte sich 1945 und 1946 für seine Weiterbeschäftigung und dann für seine Wiedereinstellung ein, wobei sie seinen menschenverachtenden medizinischen Einsatz verschwieg.12 Die Verhandlungen des internen Hauptuntersuchungsausschusses im Sommer 1945 stellten ihn als eine dem politischen Leben gänzlich fernstehende … Persönlichkeit dar.13 Man hatte weder seine einschlägigen NS-Veröffentlichungen noch die Akte über seinen Ruf nach Frankfurt berücksichtigt.14

Schwarz praktizierte dann als Arzt in Frankfurt, war von 1948 bis 1951 in Karlsruhe als Chefarzt tätig, um anschließend in Tübingen eine Professur zu bekommen.

Gunter Stemmler


  1. Siehe Harry Waibel, Diener vieler Herren. Ehemalige NS-Funktionäre in der SBZ/DDR, Frankfurt am Main 2011, S. 309; ISG, PA 19.195, Bl. 12.
  2. Angefügt an Der Hals-, Nasen- und Ohrenarzt. 1. Teil: Originale, 27, 1936, eigene Seitenzählung, H.1-3, S. 1.
  3. Schwarz, Familiennachweis, S. 15.
  4. Schwarz, Taubheit Diagnostik, S. 74.
  5. Schwarz, Begutachtung, S. 225.
  6. Schwarz, Taubheit, S. 36.
  7. Siehe ISG, PA 19.195, Bl. 3verso.
  8. Lothar Scharf, 150 Jahre Frankfurter Stiftung für Gehörlose und Schwerhörige. Chronik 1861-2011, Frankfurt am Main 2011, S. 11 [auch im Internet]; siehe ISG, MA 9.477, Bl. 41.
  9. Zitate siehe Zentralblatt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde 22 (1934), S. 49, Rezension zu „Schumann, Paul“.
  10. Siehe Schwarz, Bedeutung, S. 1.
  11. Nachweis siehe Loew, Entwicklung, S. 53; Zitat siehe Internetauftritt des Klinikums und Fachbereichs Medizin.
  12. Siehe UAF, Abt. 13 Nr. 162, Bl. 1; Abt. 14 Nr. 1018, Bl. 76-79, 81, 86; Abt. 120 Nr. 52, Bl. 132; Abt. 120 Nr. 60, Bl. 310; ISG, PA 19.195, Bl. 17.
  13. Zitat und Nachweis siehe UAF, Abt. 120 Nr. 53, Bl. 271, 273-277.
  14. Siehe UAF, Abt. 13 Nr. 352, Bl. 153-156.
Zitierweise
„Schwarz, Max Theodor“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/14088601X> (Stand: 28.11.2023)