Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Biografie

Portrait

Philipp Prinz von Hessen
(1896–1980)

Symbol: Anzeigemodus umschalten Symbol: Anzeigemodus umschalten Symbol: Druckansicht

Hessen, Philipp Prinz von [ID = 7709]

* 6.11.1896 Rumpenheim Schloss, † 25.10.1980 Rom, evangelisch-lutherisch
Oberpräsident
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • Besuch des Realgymnasiums in Frankfurt am Main
  • zwei Jahre auf einer deutschen Schule in England
  • Besuch des Realgymnasiums in Potsdam, Abgang mit Primareife
  • 1914 Kriegsfreiwilliger im Großherzoglich Hessischen Leibdragoner-Regiment 24 in Darmstadt, bis 1918 Kriegsteilnehmer, zuletzt als Leutnant
  • 1916 Abitur
  • Besuch der Technischen Hochschule Darmstadt
  • als Architekt in Italien
  • 1.10.1930 Mitglied der NSDAP, Mitglieds-Nr. 418.991
  • 1931 Eintritt in die SA
  • 9.9.1932 SA-Oberführer
  • in der Zeit vor der NS-Machtergreifung in Italien für die Bewegung tätig
  • 13.5.1933 SA-Gruppenführer
  • ab 7.6.1933 kommissarischer Oberpräsident der preußischen Provinz Hessen-Nassau, ab 15.6.1933 Oberpräsident
  • ab 1936 „Verbindungsmann des Führers zum Duce“
  • 9.11.1938 SA-Obergruppenführer
  • 1939-1942 „zur besonderen Verwendung des Führers“
  • infolge der italienischen Kriegserklärung an das Deutsche Reich 1943 als Oberpräsident abgesetzt und im Konzentrationslager Flossenbürg inhaftiert
  • ab 1968 Chef des Gesamthauses Hessen
  • Begründer des Museums Schloss Fasanerie

Funktion:

  • Hessen-Nassau, Provinz, Oberpräsident, 1933-1943
Familie

Vater:

Hessen-Kassel und Hessen-Rumpenheim, Friedrich Karl Prinz von

Mutter:

Preußen, Margarethe Prinzessin von, 1872–1954

Partner:

  • Savoyen, Mafalda Prinzessin von, * Rom 19.11.1902, † Buchenwald (Konzentrationslager) 28.8.1944, Heirat Raccionigi/Piemont 23.9.1925, Tochter König Viktor Emanuels III. von Italien und der Helene Prinzessin Petrowitsch Njegosch von Montenegro

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Landgraf Philipp, Fotosammlung Archiv der Hessischen Hausstiftung, Quelle: Franz, Das Haus Hessen, Darmstadt 2012, S. 184

Leben

Philipp kam drei Stunden vor seinem Zwillingsbruder Wolfgang in Schloss Rumpenheim zur Welt. Nach Übersiedlung der Familie nach Frankfurt besuchten die Zwillinge das Goethe-Gymnasium und später die Musterschule. Dann wurde Philipp auf das deutsche Internat Bexhill-on-Sea nach England geschickt. 1911 kam er aufs Realgymnasium in Potsdam und wohnte als Pensionär beim Gouverneur des Militärwaisenhauses. An Wochenenden von den preußischen Verwandten eingeladen, freundete er sich mit seinem zehn Jahre älteren Vetter Prinz August Wilhelm (1887–1949) an. Bei Kriegsausbruch 1914 meldete sich Philipp freiwillig und trat wie sein Bruder Max ins 24. Leibdragoner-Regiment ein. Nach der Grundausbildung wurde er 1915 zum Stab einer Kavalleriebrigade im Osten versetzt, wo er seine Beförderung zum Leutnant erhielt. Im Sommer des Jahres machte er das Notabitur in Potsdam. 1916 kam er zu einem Divisionsstab nach Galizien und 1918 zum Stab einer Kavalleriebrigade in der Ukraine.

Nach Kriegsende studierte Philipp Architektur und Kunstgeschichte an der Technischen Hochschule Darmstadt, wo er als Gast der Verwandtschaft erst im „Alten Palais“ am Luisenplatz und dann im „Palais Rosenhöhe“ wohnte. Neben den an der TU Berlin fortgesetzten Studien arbeitete er als Volontär im Preußischen Kupferstichkabinett. 1923 übersiedelte Philipp nach Rom, wo er sich als Innenarchitekt betätigte und antike Kunst zu sammeln begann. Über die griechische Verwandtschaft kam er mit der italienischen Königsfamilie in Verbindung und lernte Prinzessin Mafalda, die zweite Tochter König Victor Emanuels III., kennen. Trotz konfessioneller Schwierigkeiten – die Braut war katholisch, der Bräutigam evangelisch – heirateten sie 1925 in Racconigi bei Turin. Als Standesbeamter bei der Ziviltrauung fungierte der faschistische Regierungschef Benito Mussolini. Das Paar bezog die „Villa Polissena“ in Rom, die ihm, im Park der königlichen Residenz gelegen, vom Brautvater geschenkt worden war.

Bei einem Deutschland-Besuch im Herbst 1930 wurde Philipp, nach dem ersten Wahlerfolg der Nationalsozialisten, von seinem Vetter August Wilhelm mit den Partei-Oberen Adolf Hitler und Hermann Göring bekannt gemacht. Geblendet und geschmeichelt von dem freundschaftlichen Umgang – die Nazis nährten bei den Prinzen Hoffnungen auf eine Restauration –, trat Philipp im Oktober 1930 in die NSDAP und im Jahr darauf in die SA ein. Seine Ernennung zum Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau durch den preußischen Ministerpräsidenten Göring im Juni 1933 sollte eine Art historischen Kompromiss zwischen dem alten Herrscherhaus und den neuen Herrschern signalisieren. Die politische Macht lag jedoch bei den Gauleitern. Der Prinz nutzte sein Amt vorwiegend auf kulturellem Gebiet. In Kassel schuf er das Landgrafen-Museum und setzte in Marburg den 1938 eingeweihten Neubau des Staatsarchivs durch.

Als Schwiegersohn des italienischen Königs wurde Philipp als Mittelsmann zur Anbahnung und Pflege der Achse Berlin/Rom benutzt. Im März 1938 überbrachte er die Ankündigung des „Führers“ an den „Duce“, über den Einmarsch der Wehrmacht in Österreich und entsprechend ein Jahr später zur Besetzung der Tschechoslowakei. Zudem nutzte Hitler den Kunstsammler Philipp, um in Italien Kunstwerke für das geplante „Führermuseum“ in Linz zu beschaffen. Während des Krieges begann Hitler allerdings, den Hessenprinzen des „Defätismus“ zu verdächtigen, zumal dieser im April 1943, unter Hinweis auf den bevorstehenden Zusammenbruch Italiens, zum Frieden drängte. Nach der Verhaftung Mussolinis und dem italienischen Waffenstillstand am 8. September 1943 traf die Tochter des Königs und ihren Mann die Rache des Diktators. Philipp wurde im KZ Flossenbürg interniert, Prinzessin Mafalda von Rom nach Buchenwald deportiert, wo sie bei einem alliierten Luftangriff auf benachbarte Rüstungsbetriebe im August 1944 Verletzungen erlitt, denen sie wenige Tage später erlag.

Nach anderthalbjähriger Einzelhaft in Flossenbürg kam Philipp im Frühjahr 1945 in US-Haft und wechselnde Lager. Eine Anklage gegen den ehemaligen Oberpräsidenten wegen der Euthanasiemorde an Geisteskranken in der Pflegeanstalt Hadamar wurde fallen gelassen. Philipp hatte, als er von den Morden in der Anstalt, die er dem Reichsinnenminister hatte abtreten müssen, erfuhr, in Berlin erfolglos einzuschreiten versucht. Im Entnazifizierungsverfahren im Dezember 1947 wurde er wegen seiner Rolle als Hitlers „Sonderbotschafter“ in Italien von der Spruchkammer des Lagers Darmstadt zunächst als „belastet“ und nach zwei Berufungen 1950 als „Mitläufer“ eingestuft.

Seit dem Tod seines Vaters 1940 war der älteste überlebende Sohn Chef des Hauses Hessen-Kassel. Nach der Haftentlassung 1948 schuf Landgraf Philipp, wie er sich nun nannte, in Schloss Fasanerie bei Fulda ein Museum, dem er neben dem verbliebenen Kunstbesitz seines Hauses auch die eigene Antikensammlung einverleibte. Bis zu seinem Tod 1980 teilte er sein Leben zwischen den Wohnsitzen in Deutschland und Italien.

Rainer v. Hessen

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 183-185)

Zitierweise
„Hessen, Philipp Prinz von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/12434593X> (Stand: 25.3.2024)