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Hessische Biografie

Portrait

Heinrich I. Landgraf von Hessen
(1244–1308)

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Hessen, Heinrich I. Landgraf von [ID = 2384]

* 24.6.1244, † 21.12.1308 Marburg ?, Begräbnisort: Marburg Elisabethkirche, katholisch
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Andere Namen

Weitere Namen:

  • Hessen, Heinrich das Kind von
Wirken

Funktion:

  • Hessen, Landgrafschaft, Landgraf, 1247–1308
Familie

Vater:

Brabant, Heinrich II. Herzog von, * 1207, † Löwen 1.2.1248

Mutter:

Thüringen, Sophie Landgräfin von, 1224–1275

Partner:

  • Braunschweig, Adelheid Herzogin von, (⚭ vor 10.9.1263) † 12.6.1274, begraben Marburg, Tochter des Herzogs Otto „das Kind“ von Braunschweig und Lüneburg, 1204-1252, und der Mathilde von Brandenburg, † 1261
  • Kleve, Mechthild Gräfin von, (⚭ vor 26.2.1276) † 21.12.1309, Tochter des Dietrich V. Graf von Kleve, um 1226-1275, und der Adelheid/Aleidis von Heinsberg, † nach 1303

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Aufnahme Otto Volk, HLGL

Leben

Wenn Heinrich das Kind, der puer de Hassia, als Enkel der Heiligen Elisabeth und Erbe seines mütterlichen Großonkels Heinrich Raspe (1204–1247), des letzten ludowingischen Landgrafen von Thüringen, Landgraf und Herr von Hessen wurde, so hatte er das dem hartnäckigen Einsatz seiner Mutter Sophie zu verdanken. Ihr gelang es, den von Herzog Heinrich von Brabant 1247 noch kurz vor seinem Tod für den dreijährigen Sohn und seine zweite Ehefrau angemeldeten Anspruch in den langwierigen Fehden des thüringisch-hessischen Erbfolgekriegs durchzusetzen. Sophie fand Unterstützung bei der Ritterschaft und den Städten des Landes sowie beim Deutschen Orden in Marburg. Ihre Gegner waren der Mainzer Erzbischof Siegfried III. von Eppstein († 1249) und seine Nachfolger, die das Land als erledigtes Lehen einziehen wollten. Als sich der Wettiner Markgraf Heinrich „der Erlauchte“ von Meißen, der 1250 einvernehmlich zum Vormund seines Neffen bestellt wurde, 1254 mit Mainz verbündete, fand Sophie für die erneut übernommene Regentschaft die tatkräftige Unterstützung Herzog Albrechts von Braunschweig (1236–1279), der sich im Sommer mit Sophies Tochter Elisabeth (1243–1261) vermählte und im Gegenzug seine Schwester 1258 mit dem jungen Schwager Heinrich verlobte.

Die Hochzeit Heinrichs mit Adelheid von Braunschweig wurde im Sommer 1263 gefeiert. Wenige Wochen später konnte der Konflikt mit dem Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein (1259–1284), der die Sachlage durch die Exkommunikation Sophies und Heinrichs noch einmal verschärft hatte, mit dem Vertrag von Langsdorf beendet werden, in dem Geldzahlungen die Belehnung mit den hessischen Besitzungen sicherten. Der junge Landgraf Heinrich hatte spätestens Ende 1264 auch formell die Regierung seiner Lande übernommen, als er einen Frieden mit Markgraf Heinrich schloss, der die bis dahin thüringischen Werra-Städte Allendorf und Witzenhausen an Niederhessen abtreten musste; die Mutter hat ihn bis zu ihrem Tode weiter unterstützt.

Im Bemühen um die Arrondierung der durch die Grafschaft Ziegenhain und mainzischen Besitz getrennten ober- und niederhessischen Gebiete gelang Landgraf Heinrich schon 1265 der Erwerb der Stadt Gießen. Andere Neuerwerbungen wie Naumburg, die Weidelsburg und den Heiligenberg musste er wieder an Mainz abtreten. In den um 1270 erneut aufflammenden Auseinandersetzungen mit dem Mainzer Erzbischof suchte Heinrich seine Landeshoheit gegenüber der geistlichen Gerichtsbarkeit durchzusetzen; er eroberte wiederum die mainzische Festung Naumburg und brandschatzte die Weidelsburg. Der Mainzer antwortete mit erneuter Exkommunikation und Bekräftigung des Interdikts und erreichte Anfang 1274, dass der wenige Monate zuvor zum deutschen König gewählte Rudolf I. von Habsburg die Reichsacht über Landgraf Heinrich verhängte. Heinrich suchte den mit dem Erzbischof verbündeten Grafen Gottfried von Ziegenhain durch die Verlobung mit seiner Schwester Mechthild zu neutralisieren. Indem er König Rudolfs Zug gegen den mächtigen Ottokar von Böhmen und dessen Bündnis gegen den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg unterstützte, erreichte er, dass die Reichsacht im Sommer 1277 aufgehoben wurde. Heinrich, dessen erste Frau Adelheid im Sommer 1274 verstorben war, hatte im Jahr zuvor in zweiter Ehe Mechthild von Kleve geheiratet, wozu wegen der gemeinsamen Brabanter Vorfahren ein päpstlicher Dispens erwirkt werden musste.

Nachdem der Streit mit Mainz durch ein im Juni 1278 bei Fritzlar getroffenes Abkommen beigelegt schien, bereinigte Landgraf Heinrich gegen Ende des Folgejahres auch die schwelende Kontroverse mit seinem Neffen Herzog Johann I. von Lothringen-Brabant (1267–1294) und verzichtete auf alle Brabanter Erbansprüche. Erst ein im Frühjahr 1280, wiederum bei Fritzlar, erfochtener militärischer Erfolg über Erzbischof Werner und die mit ihm verbündeten Grafen von Battenberg und Ziegenhain führte zur Beendigung des Banns, zur Aufhebung der erzbischöflichen Gerichtsbarkeit in den landgräflichen Städten und zu Entschädigungsleistungen. Im Herbst 1282 legte ein Schiedsspruch König Rudolfs die Streitigkeiten mit dem Erzstift Mainz endgültig bei. Die königliche Vermittlung half auch, die Differenzen mit dem nachfolgenden Erzbischof Heinrich (II.) von Isny 1286 zu bereinigen und in ein fünfjähriges Abkommen münden zu lassen.

Die Lage in Hessen änderte sich erst grundlegend, als der nächste Mainzer Erzbischof Gerhard (II.) von Eppstein (1288/89–1305) zur Durchsetzung seiner politischen Pläne 1290 auf seine hessischen Ambitionen verzichtete, ein Schutz-Bündnis mit Landgraf Heinrich schloss, dessen langjährige Allianz mit Braunschweig durch einen Vertrag mit den Welfen-Herzögen neutralisierte und einen Ausgleich zwischen Heinrich und dem Kölner Erzbischof Siegfried vermittelte. Der Fürsprache des Mainzers soll Landgraf Heinrich sogar verdankt haben, dass der frisch gewählte König Adolf von Nassau ihn am 10. Mai 1292 gegen die Lehnsauftragung der Boyneburg und der Stadt Eschwege in den Reichsfürstenstand erhob. Heinrichs Tochter Elisabeth „die Mittlere“ heiratete nach einer kurzzeitigen Ehe mit Herzog Wilhelm von Braunschweig 1294 den Neffen des Erzbischofs, Gerhard V. von Eppstein. Damit war Heinrichs Vormachtstellung im nach wie vor in zahlreiche selbständige Territorien und Rechtsbereiche aufgesplitterten Hessen endgültig gefestigt. In den Folgejahren hat sich Landgraf Heinrich in unterschiedlicher Form um Ausbau und Festigung der Landesherrschaft in den beiden weiterhin räumlich getrennten Teilen der Landgrafschaft gekümmert. Die politisch und religiös herausragende Bedeutung des oberhessischen Zentralorts Marburg, die in der Grabstätte der Heiligen Elisabeth und der herrschaftslegitimierenden Funktion dieser Ahnherrin gründete, zeigte sich im Ausbau der Burg zur fürstlichen Residenz mit Kapelle und Rittersaal ebenso wie an der von Heinrich geförderten Niederlassung der Dominikaner um 1290/91. Gleichzeitig betrieb Heinrich die Stärkung der Stadt Kassel als eines zweiten Zentrums, indem er die ältere ludowingische Burg um 1277 durch einen Neubau ersetzte, vermutlich die Gründung der erstmals 1283 erwähnten Unterneustadt initiierte und im Zusammenwirken mit Mainz 1292/93 das Karmeliterkloster errichten ließ. 1297 gründete Landgräfin Mechthild vor den Toren der Stadt das Elisabeth-Hospital für Aussätzige. Durch geschickte Diplomatie erweiterte Heinrich vor allem die niederhessischen Besitzungen (mit Schartenberg, Grebenstein, Trendelburg, Reinhardswald und Wanfried) gegen die Grafen von Wittgenstein, Waldeck und Dassel sowie gegen das Bistum Paderborn.

Der Versuch Landgraf Heinrichs, das Erbe unter seinen Söhnen aus seinen beiden Ehen aufzuteilen, führte zu Erbstreitigkeiten, die von 1282 bis zu seinem Tode 1308 andauern sollten. Heinrichs Pläne sahen eine Landesteilung vor, bei der Ober- und Niederhessen voneinander getrennt an den jeweils ältesten Sohn aus erster bzw. zweiter Ehe gehen sollten. Insbesondere die mehrmaligen Erhebungen Landgraf Ottos, des an sich für den geistlichen Stand bestimmten, aber die weltliche Karriere verfolgenden zweiten Sohnes aus der ersten Ehe, führten zu Zwietracht; der anhaltende Widerstand, der zeitweise sogar zum Landesverweis führte, behinderte die 1284 eingeleitete Mitregentschaft des ältesten Sohnes Heinrich der Jüngere und endete nach dessen Tod 1302/03 in einer nicht unproblematischen Mitregierung Ottos. Bei der Erbteilung nach dem Tod des Vaters erhielt Landgraf Otto (I.) letztlich Oberhessen, während Johann, der erste Sohn aus zweiter Ehe, Niederhessen übernahm, das nach seinem vorzeitigen Ableben 1311 wieder mit Oberhessen vereinigt wurde. Davon abgetrennt wurden Stadt und Amt Marburg, das Ludwig, der Jüngste, seit 1310 Bischof von Münster, 1311 für seinen Verzicht auf Niederhessen erbte und bis 1357 verwaltete.

Ingrid Baumgärtner

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 14-17)

Zitierweise
„Hessen, Heinrich I. Landgraf von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/119138018> (Stand: 25.3.2024)